Materialien 2023

Antisemitismusjäger

Ich hätte roger waters sicherlich von der berufung auf sophie scholl abgeraten. An einem will ich dennoch keinen zweifel lassen: daß er keinesfalls die israelische politik mit dem nationalsozialis-
mus gleichsetzen möchte. Es gibt aber durchaus vergleichsmöglichkeiten mit dem ns-regime je-
denfalls in der anfangsphase bis 1939. Der israelische historiker baruch kimmerling spricht gar von einem israelischen „politizid“. Die entsprechende politik gegenüber den palästinensern ist seit jahrzehnten grausam genug. Es ist ja keineswegs so, daß Waters sich ausschließlich auf sophie scholl berufen hat, wie suggeriert wird, um ihn überführen zu können. vielmehr wurden auf dem riesigen bildschirm viele namen, länder, bevölkerungsgruppen, institutionen und firmen aufge-
führt. Sie war somit nur eine von vielen. Wäre george floyd in münchen umgebracht worden, hätte er sicherlich auch dessen grab besucht.

Roger waters wird seit fünf jahren hemmungslos verleumdet und die journalisten schrecken nicht einmal vor nachweislichen lügen zurück. Ich habe mittlerweile drei sz-journalisten der lüge über-
führt, die ihm aussagen unterstellen, die er nie gemacht hat. diese hetzkamkampagne geht an kei-
nem menschen spurlos vorüber, was man seinem neuen facebook-eintragen entnehmen kann. in diesen kontext einer diffamierenden eskalationsspirale lässt sich wohl seine berufung auf sophie scholl einordnen. Über das resultat dieser kampagne reiben sich nun die fanatischen denunzianten die hände, vor allem in unschuld. Nun haben sie endlich den handfesten beweis für das, was sie ihm von anfang an unterstellt haben. Die heuchelei kennt offenbar keine grenzen.

Das agieren dieser antisemitismusjäger ist selbst eine ziemlich skrupellose  instrumentalisie-
rung der holocaustopfer, die nun ein zweites mal gedemütigt werden, da sie als legitimatorisches schmiermittel für weitere grausamkeiten gegenüber den palästinensern herhalten müssen. Moshe zuckermann  wirft der Praxis einer entstellten Antisemitismusbekämpfung Verrat vor: „Insofern sie sich emanzipatorisch wähnt, wird das Emanzipatorische, um welches es zu gehen hätte, hin-
tergangen. Denn wenn Israelkritiker als Antisemiten apostrophiert werden, wird ein Israel in Schutz genommen, das die systematische Unterdrückung eines anderes Volkes betreibt, eine Unterdrückung, die Israel zum Täter werden läßt – … Wer das nicht sieht, … begeht Verrat an den Opfern Israels, und insofern er den Oppressor Israel im Namen der historischen Opfer des Nazismus in Schutz nimmt, begeht er Verrat an den historischen Opfern“ („Die Ideologisierung des Antisemitismusvorwurfs. Anmerkungen zur Anatomie eines moralischen Defizits“, in: Palä-
stina – Vertreibung, Krieg und Besatzung- Wie der Konflikt die Demokratie untergräbt, 2017, S. 219).

Adorno, auf dessen imperativ sich alle diese jäger berufen, hat in diesem kontext angesichts des schwergewichts dieses vorwurfes eindringlich zu einem zurückhaltenden umgang damit gemahnt, denn hier handelt es sich tatsächlich um gelebten antisemitismus im namen von dessen bekämp-
fung.

Natürlich ist der Anti-bds-beschluß des bundestages eine aufforderung an die bevölkerung, „still und gleichgültig beiseite zu stehen“, denn er  geißelt explizit die legitime kritik an der israelischen politik gegenüber den palästinensern als antisemitismus.

Franz Piwonka


zugeschickt am 31. Mai 2023

Überraschung

Jahr: 2023
Bereich: Internationales