Flusslandschaft 2024
Flüchtlinge
Überall tönt es: »Das Boot ist voll!« Dem kann nur entgegnet werden: »Tausende Wohnungen stehen leer, nicht nur das Nymphenburger Schloß.«
Am 16. Januar urteilt der Europäische Gerichtshof, dass häusliche Gewalt gegen Frauen ein Schutzgrund im Asylverfahren sein kann, ein Urteil, das bahnbrechend für den Schutz von Frauen und der Anerkennung von geschlechtsspezifischen Fluchtgründen ist.
Es wird immer enger. Vor allem wird in den Irak abgeschoben. Die nächste Sammelabschiebung ist für den 20. Februar geplant.1
26. Februar: Mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und rassistischer Rhetorik nähert sich die Bundesregierung dem rechten Mainstream weiter an, anstatt sich konsequent abzugrenzen. Und nicht nur auf Bundesebene werden autoritäre Instrumente gegen die Menschenrechte vor allem von Asylsuchenden in Stellung gebracht. Mit der GEAS-„Reform“ vom Juni 2023 wurde der Flüchtlingsschutz in Europa de facto abgeschafft, von nun an zählen Haftlager an den Außengren-
zen und Pushbacks in vermeintlich „sichere Drittstatten“ als legale Maßnahmen.
Das Aktionsbündnis-Solln will den Bau einer Unterkunft für rund 250 Menschen auf einem Feld an der Schultheißstraße verhindern. Man habe nichts gegen die Unterbringung von Geflüchteten, aber der Ort für das Bauvorhaben sei ein falscher. Es gebe dort keine Treffpunkte, keine Einkaufs-
möglichkeiten und keine gute ÖPNV-Anbindung. Zudem befinde sich ein aktiver Schützenverein in unmittelbarer Nähe. Da werde viel geschossen. Ob dies nicht zu einer Retraumatisierung der Asyl-
suchenden führt? Ein besserer Standort sei das leerstehende Thomas-Mann-Gymnasium an der Drygalski-Allee 2.
Flüchtlinge mit Duldungsstatus oder im Asylantragsverfahren erhalten in der ersten Aufnahmeein-
richtung monatlich ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 204 Euro für den persönlichen Be-
darf. Da bleibt es nicht aus, dass nicht wenige von ihnen Geld in ihre Heimat schicken. Denn dort herrscht (für manche bajuwarischen Zeitgenossen überraschend) bittere Not. Um dies zu unter-
binden, führen die Behörden Bezahlkarten für Asylsuchene ein; Bargeld gibt es nur noch einge-
schränkt. Da liegt es nahe, diese Regelung für weitere Problemgruppen, zum Beispiel für Stadt- und Gemeinderäte, zu übernehmen.2
Am 10. April stimmt das EU-Parlament dem neuen europäischen Asylakt zu. Die neuen Regelun-
gen erschweren es schutzsuchenden Menschen künftig systematisch, ihr Recht auf Asyl auf euro-
päischem Boden überhaupt wahrnehmen zu können. Eine humane und gerechte Flüchtlingsauf-
nahme wird nicht mehr angestrebt.3
Seit 1993 dokumentiert United in Amsterdam Todesfälle auf der Flucht nach Europa. Seitdem sind bis Mai dieses Jahres 60.000 Kinder, Frauen und Männer im Mittelmeer ertrunken. Seit 1993 dokumentiert United in Amsterdam Todesfälle auf der Flucht nach Europa. Seitdem sind bis Mai dieses Jahres 60.000 Kinder, Frauen und Männer im Mittelmeer ertrunken. Sonntag, 12. Mai, 11 Uhr, Blumenstraße: Beim Benefizlauf „Giro di Monaco – Run for Peace“ laufen über 10.000 Münchnerinnen und Münchner über den Altstadtring. Das Motto lautet „Nur gemeinsam läuft’s! Eine Runde auf die offene Gesellschaft“. Die Einnahmen des Spendenlaufs finanzieren Projekte des Bellevue di Monaco zur Unterstützung geflüchteter Menschen.
16. Mai: Geflüchtete sollen Leistungen über eine sogenannte Bezahlkarte erhalten. Statt mit Bar-
geld können sie nur noch mit dieser Karte zahlen. Damit wollen die Behörden verhindern, dass Ge-
flüchtete Einiges von den monatlich 460 Euro an ihre Familien im Herkunftsland überweisen. Of-
fen bleiben München rät in der zweiten Juliwoche, mit der Bezahlkarte Gutscheine in Supermärk-
ten zu kaufen, um diese dann bei Offen bleiben München in Bargeld einzutauschen. Montag / mon-
day / lunedi // 14.00 – 17.00 Uhr: KREISBÜRO DIE LINKE, Schwanthalerstraße 139; Mittwoch / wednesday / mercredi // 18.00 – 20.00 Uhr: BELLEVUE DI MONACO, Müllerstraße 4; Donners-
tag / thursday / jeudi // 18.00 – 20.00 Uhr: LIGSALZ 8, Ligsalzstraße 8. Die CSU ist empört.4
Im ersten Halbjahr finden 1.399 Abschiebungen, inklusive Dublin-Überstellungen von ausreise-
pflichtigen Ausländern, in bayrischer Zuständigkeit statt. 2023 waren es noch 1.137, im Jahr 2022 insgesamt 916. Auch die Zahlen der freiwilligen Ausreisen sind erneut gestiegen. Insgesamt haben damit fast 9.000 ausreisepflichtige Ausländer im ersten Halbjahr Bayern wieder verlassen. Die meisten Abschiebungen hat es in die Herkunftsländer Irak, Moldau, Türkei und Nigeria gegeben.
Mittwoch, 2. Oktober, 18 bis 23.45 Uhr im Feierwerk, Hansastraße 39 — 41: »rage against abschie-bung«. Der Event findet seit 1996 statt und ist das größte regelmäßig stattfindende antirassistische Festival im süddeutschen Raum, veranstaltet vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Das selbstorganisierte transnationale Callcenter Alarm Phone feierte am 11. Oktober sein zehnjäh-
riges Jubiläum. Mittlerweile 300 Freiwillige sind rund um die Uhr schichtweise im Einsatz und nehmen Anrufe entgegen von Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer in Seenot geraten. Die Aktivist*innen unterstützen die oft verzweifelten Menschen, bleiben mit ihnen im Kontakt und alarmieren die Küstenwachen, die zur Rettung verpflichtet sind, aber oft gegenteilig handeln. Das Alarm Phone bezeugt Pushbacks – gewaltsame Zurückschiebungen –, die oft tödlich enden. Es macht die mörderische Gewalt auf den Fluchtwegen öffentlich und organisiert Gedenken mit Hin-
terbliebenen. Es kann aber ebenso auf unzählige erfolgreiche Rettungsaktionen zurückblicken. In den zehn Jahren wurde das Alarm Phone „von insgesamt über 8.000 Booten aus allen Regionen des Mittelmeeres, des Atlantiks oder des Ärmelkanals alarmiert“, und in dieser Zeit sei „das Ster-
ben auf See zu einem ständigen Begleiter unserer Arbeit geworden“, berichten sie. Die Aktivi-
st*innen versprechen: „Als transnationales Netzwerk werden wir uns weiter in den umkämpften Räumen bewegen und der Hartnäckigkeit der ‚People on the Move’ folgen, die das rassistische und ausbeuterische Grenzregime untergraben und überwinden. Keine Grenze ist für immer. Solidarity will win.“5
Siehe auch „Installation“ in „Kunst/Kultur“.
1 Siehe https://noborderassembly.blackblogs.org/deportation-alarm/. Siehe auch https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/.
2 Siehe https://igel-muc.de/rssshow.php?guid=20240321.
3 Siehe https://www.proasyl.de/news/geas-reform-im-eu-parlament-historischer-tiefpunkt-fuer-den-fluechtlingsschutz-in-europa/.
4 Siehe
- https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/ueber-die-bezahlkarte-fuer-asylsuchende-ein-rechtspopulistisches-aushaengeschild-008625.html und
- https://offen-bleiben-muenchen.de/.
5 „Zehn Jahre Alarm Phone – DE“: https://alarmphone.org/en/publications/anniversary-booklets/