Materialien 2002
Der Stern kann’s einfach nicht lassen
Die Amigo-Farce
Das kam ja wie bestellt: pünktlich zum Jahreswechsel, der Euro-Einführung und vor der end-
gültigen Auflösung der spannenden K-Frage in der CDU/CSU musste natürlich auch der Stern seinen Senf dazu geben. Nach Kohl, Schäuble, Kanther und dem schärfstmöglichen Koch aus Hessen nun also eine richtige Spendenatfäre in der CSU.
Und man erinnert sich: so ganz ohne Erfahrung ist die CSU auf diesem Gebiet ja nicht. Schon Alt-
vater Franz Josef Strauß hatte da seinerzeit Maßstäbe gesetzt, auch der notorisch unterzuckerte Friedrich Zimmerrnann. Dann kam Max Streibl, seines Zeichens als Nachfolger des unvergessenen Landesvaters Strauß ein großer Amigo, was leider auf wenig Verständnis stieß und ihn sein Amt kostete –
Der CSU hat das alles in allem aber nicht geschadet. Seit mehr als 40 Jahren thront sie unange-
fochten über dem Voralpenland. Daran wird sich auch durch den Rohrkrepierer des Stern nichts ändern.
Was also soll genau passiert sein? Die CSU hat ihr notorisch defizitäres Käseblatt Bayernkurier da-
durch aufzupäppeln versucht, dass sie Abonnentenwerber eingesetzt hat, die finanziell potenten CSU-Anhängern Spendenabonnements für das Blatt aufschwatzten und ihnen dafür die steuerliche Absetzbarkeit ihrer Abos versprachen. Die Spender drückten eine größere Summe – man spricht von 6.000 DM – ab und erhielten dafür einige Wochen später eine Spendenbescheinigung von der CSU; die Werber strichen die Hälfte der Summe als Provision ein; die Spender senkten mit den steuerbegünstigten, weil als Parteispende deklarierten Abos ihre Steuerschuld und schröpften auf diese Weise den Staat, die CSU reichte die Spendenabos als Parteispende ausgewiesen bei der Bun-
destagsverwaltung – repräsentiert und geleitet damals von Frau Rita Süssmuth, heute von Wolf-
gang Thierse – ein und kassierten pro Spendenmark 50 Pfennige staatliche Zuschüsse.
Ergebnis: die CSU freute sich, der Bayernkurier freute sich auch, die Spender waren glücklich und die Spendensammler hatten eine recht ansehnliche Provision eingesackt, über die sich mancher „Drücker“ nur wundern würde.
„Hund san’s scho“, sagt man in solchen Fällen in Bayern und beneidet die Leute ob ihrer Clever-
ness. Ob das Ganze juristisch korrekt ist, wagt man angesichts unserer Justiz nicht zu beurteilen. Allerdings hat sich die CSU abgesichert und sich ihre Praxis seinerzeit durch ein Gutachten, für das Frau Süssmuth verantwortlich zeichnete, absegnen lassen. Da wird nichts anbrennen.
Etwas pikiert das auffällig günstige Timing der Angelegenheit. Die These des Chefredakteurs Tho-
mas Osterkorn, man habe eben bis jetzt „recherchieren“ müssen und das Ergebnis platze rein zu-
fällig in die K-Diskussion der Unionsparteien, ist von wirklich ergreifender Naivität. Schon sind auch die Absetzbewegungen unverkennbar: Die SPD lehnt sich entspannt zurück und will erst mal abwarten. Thierse rafft sowieso nichts und die Staatsanwaltschaft hat bereits mitgeteilt, sie werde keine Ermittlungen aufnehmen. Am Ende steht der Stern wieder so dumm da wie zu Zeiten der Hitlertagebücher.
„Was lernt uns das?“ hätte Walter Ulbricht gefragt. Das „lernt“ uns dreierlei:
Erstens – Gerhard Schröder hat immer noch Freunde in Teilen der Presse;
zweitens – auch beim Stern weiß man mittlerweile, wer in der CDU/CSU die Musik macht und schießt sich auf Stoiber ein;
drittens – die Amigos sind in Bayern auch zehn Jahren nach Max Streibl nicht ausgestorben.
Doch Schaden wird das dem Stoiber nicht. Im Gegenteil. Was ihn nicht umbringt, macht ihn nur stärker. Er ist der einzige Gewinner diese Amigo-Farce. Andererseits wäre es ja durchaus reizvoll, mal zu sehen, was passierte, wenn die Kriterien des Stern auf alle politisch Verantwortlichen in der BRD angewandt würden. Der Bundestag, die Bundesregierung und sämtliche Institutionen auf Landesebene wären leergefegt. Nicht auszudenken, was passieren könnte: die Macht läge auf der Straße und jeder könnte sie aufnehmen. Am Ende gar der Bolschewik. Aber so kann der Stern das nicht gemeint haben.
Charly Kneffel
unsere zeit. Sozialistische Wochenzeitung 1/2 vom 11. Januar 2002, Essen, 6.