Flusslandschaft 1977
Frieden/Abrüstung
„da Hiasl: ‚jetzt red i‘ – Die Russen kommen! Seit 6o Jahren kommen jetzt schon die Russen. Und jeden Tag in der Früh schaust zitternd zum Fenster naus: gottseidank wieder nix! Dös geht auf d’Nerven! Der Valentin hat doch recht gehabt: Am Montag die Radfahrer, am Dienstag die Fußgän-
ger … weit und breit keine Russen. Aber unser Strauß jammert in einem fort, am Montag die Rus-
sen, am Dienstag die Leoparden, am Mittwoch die Starfeita … Und dös kost Geld! Kanonen, Pan-
zer, Flugzeug und Generäle. Bloß die Russen tun da nicht mit. Die mögn einfach net. Bluatsauerei. Da zitterst ewig, daß dir den Bauch aufschlitzen, zahlst dich kaputt an der Rüstung und alles für d’Katz: die Russen kumma einfach net. Manchmal kommt so a Bürscherl rüber, mit Moskovskaja, dobre, dobre und Frieden, Freundschaft. Und beim Sport sinds oft mehr, aber gottseidank verlie-
rens auch manchmal. Und sogar Aufträge bringens mit und Arbeitsplätze gibts. Eigentlich gibts dös gar net. I versteh überhaupt nix mehr. Wenn d’Russen ums varrecka net kommen, warum schmeißn wir unser ganz Geld in d’Rüstung nei? Verstehst du dös? I net.“1
Am 21. Mai demonstriert Martin Niemöllers Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenar-
beit gemeinsam mit der Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung. „Westendler und Laimer Bürger zogen einen selbstgebastelten Papp-Panzer zur großen Friedensdemonstration mit dem Motto ‚Beendet das Wettrüsten!‘ In das Kanonenrohr des Panzers war allerdings ein Knopf gemacht und oben schaute ein Strauß roter Nelken heraus. Auf dem Marienplatz waren es dann 13.000 Menschen. Insgesamt demonstrierten an diesem Tag in Bremen, Essen, Frankfurt und München 68.000. Wochenlang vorher hatte man gegen diese Kundgebung gehetzt, die Veranstal-
ter allesamt als Kommunisten hingestellt und SPD-Mitglieder, Freidemokraten, Jusos und Judos bei Androhung des Parteiausschlußes zu erpressen versucht, ja nicht hinzugehen. Es spricht eigentlich für uns Kommunisten, wenn man jeden, der für Abrüstung, Entspannung und Frieden auf unserer Welt eintritt, gleich als Kommunisten bezeichnet. Auf dem Marienplatz sprachen u.a. Pastor Martin Niemöller, die Schauspielerin Senta Berger, die Kabarettisten Kittner und Hilde-
brandt, Kriegsdienstverweigerer, Jungdemokraten und der Siemensbetriebsrat und DKP-Stadt-
ratskandidat Heini Horrelt.“2
Die Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik hat eine Wanderausstellung »Es ist so schön Soldat zu sein« konzipiert und zeigt sie vom Oktober bis zum November im Münchner Stadtmuseum mit einer Besucherzahl von 15.157.
Die Münchner Geschäftsstelle der Deutschen Friedens-Union (DFU) befindet sich in der Heßstraße 51, 8000 München 40, Tel.: 52 53 49.
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Münchner Waffenschmieden, erhoben von der Arbeitsgruppe Rüstung und Unterentwicklung des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (FSH) an der Universität Hamburg
(zuletzt geändert am 12.9.2025)
1 fn1. Der scharfe Radi. Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei – DKP für Laim, Hadern und Westend vom Mai 77, 8, Sammlung Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
2 Der scharfe Radi. Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei – DKP für Laim, Hadern und Westend vom September 77, 6, Sammlung Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung. Siehe „Warum ist Vernünftiges plötzlich unvernünftig?“ von Dieter Hildebrandt.
3 Forum Europa. Zeitschrift für transnationale Politik 1/2 vom April 1979, Berlin, 52 f.