Flusslandschaft 1980

Militanz

Am 12. Januar setzen militante Schwarzfahrer Fahrkartenentwerter an den U-Bahnstationen Isartor, Sendlingertor und Münchner Freiheit außer Betrieb.

Ausgerechnet in Zürich beginnen am 30. Mai die legendären „Opernhauskrawalle“. Und vom Sommer 1980 an macht sich die zweite Nachkriegsprotestgeneration in Berlin, Bremen, Freiburg, Zürich, Wien, Amsterdam, London, in diversen anderen Städten und auch in München bemerkbar. Im Dezember 1980 titelt der Spiegel „Jugendkrawalle“, im Juni 1981 veranlasst der Bundestag die Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“.1

Am 5. November 1980 fliegt ein Molotow-Cocktail ins Kreiswehrersatzamt in der Hufelandstraße, es kommt zu erheblichem Sachschaden und zu einer Aktenvernichtung.

Anlässlich des Jahrestages des NATO-Doppelbeschlusses werden Anfang Dezember bei sieben Münchner US-Einrichtungen die Türschlösser funktionsuntüchtig gemacht, so bei der Bank of America, der Chase Manhattan Bank, der American Express Bank, der Continental Illinois National Bank/Trust Company of Chicago, des American Chamber of Commerz in Germany und der First Nationalbank of Chicago. Anlässlich des Jahrestages des NATO-Doppelbeschlusses findet eine Woche später am 11. Dezember eine unangemeldete Demonstration über den Stachus zum Amerika-Haus am Karolinen-Platz und anschließend zum Sendlingertor-Platz statt. Auf einem Transparent an der Kaufhof-Front am Stachus heißt es „Den KAMPF um BEFREIUNG gegen den weltweiten KRIEG von NATO, USA, BRD-Imperialismus organisieren – der WIDERSTAND lebt! – Solidarität mit der GUERILLA“. Am Sendlingertor-Platz geht ein Sternenbanner in Flammen auf. Der angebliche Anführer der Kundgebung wird nach Auflösung der Demo verhaftet. Viele ziehen daraufhin vor das Polizeipräsidium in der Ettstraße und rufen Parolen.2

Siehe auch „Alternative Medien“.


1 Vgl. dazu auch Andreas Suttner, Beton brennt. Hausbesetzer und Selbstverwaltung im Berlin, Wien und Zürich der 80er, Wien 2011. Suttner weist darauf hin, dass gerade die ehemals widerständigen Stadtteile heute beliebte Opfer der Gentrifizierung sind. Ganz offensichtlich trieb die „Bewegung“ mit ihrem „Auf-den-Kopf-Stellen“ der bürgerlichen Raumaufteilungskonzepte und dem neuen Konzept vernetzter Gefüge den postfordistischen Stadtumbau hin zur erlebnisorientierten postmodernen Stadt ungewollt voran. Protest als Beförderer nachgeholter Modernisierung!

2 Vgl. Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.