Flusslandschaft 1950

Bürgerrechte

„Freiheit“ ist ein zentraler Begriff im Selbstverständnis der USA. Unzählige Menschen, die in ihren Heimatländern um Freiheiten gekämpft und den Kampf verloren hatten, fanden in der „neuen Welt“ das gelobte Land, in dem die bürgerlichen Freiheiten an der Spitze der zivilisatorischen Er-
rungenschaften standen. Nicht zuletzt befreiten sich die USA selbst aus kolonialer Herrschaft. Das Ringen zwischen Herrschaft und Freiheit geht bekanntermaßen in einer staatlich nicht reglemen-
tierten, offenen Gesellschaft oft zugunsten des ersteren aus. Zwar war es immer das Ziel, dem Recht des Stärkeren die Stärke des Rechts entgegenzusetzen, aber wie geht das: auf den Staat zu vertrauen und ihm gleichzeitig misstrauisch gegenüberzustehen? Die Antwort lautet: Selbstorgani-
sation. — Unter der Protektion der American Civil Liberties Union (ACLU) gründen sich im Be-reich der US-amerikanischen Besatzung Ortsgruppen des Bundes für Bürgerrechte. Für München ist die Geschichte dieser Gruppe noch nicht geschrieben.1

Der sogenannte „Adenauer-Erlass“ vom 19. September verbietet Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Mitgliedschaft in der KPD, in der FDJ, in den Friedenskomitees, im Kulturbund zur de-
mokratischen Erneuerung Deutschlands
, in der Sozialdemokratischen Aktion, in der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion und in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), auf dem rechten Spektrum in der Sozialistischen Reichspartei (SRP), in der Schwarzen Front von Otto Straßer und in der Nationalen Front. Der Erlass markiert den Auftakt zu einer Se-
rie von Verfolgungen und Verboten in den kommenden Jahren des Kalten Krieges. Juristen mel-
den, in dem sie sich auf das im Artikel 21 Absatz 2 GG niedergelegte „Parteienprivileg“ berufen, Be-
denken gegen den Erlass an. Daraufhin stellt die Bundesregierung beim Verfassungsgericht in Karlsruhe 1951 Verbotsanträge gegen die SRP und die KPD. Die SRP wird am 2. Mai 1952, die KPD am 17. August 1956 für verfassungswidrig erklärt und verboten.

„Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei vom 22. November 1950 … Art. 4 … (2) Gegenüber Menschenansammlungen dürfen Hieb- und Stoßwaffen außerdem ange-
wendet werden, wenn von der Menge Verbrechen oder Vergehen gegen Personen oder Sachen be-
gangen werden, ein Einschreiten gegen einzelne Täter nicht möglich ist oder keinen Erfolg ver-
spricht und andere wirksame Hilfsmittel nicht zur Verfügung stehen. Art. 5 … (5) Für den Schuss-
waffengebrauch gegen Menschenansammlungen gilt Art. 4 Abs. 2 entsprechend. Der Verwendung von Schusswaffen muss in angemessenen Zeitabständen eine den Umständen, angepasste dreima-
lige, deutlich vernehmbare Warnung vorausgehen. Sie kann im Falle eines rechtswidrigen Angriffs oder einer rechtswidrigen Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unterbleiben …“2

(zuletzt geändert am 15.1.2021)


1 Siehe „Der ‚Bund für Bürgerrechte’ 1950 — 1953“ von Norbert Reichling. Im Bestand „Polizeidirektion“ im Staatsarchiv München/Oberbayern befindet sich der Akt 713 betitelt „Gesellschaft für bürgerliche Freiheiten 1950 — 1951“.

2 Bayerisches Gesetz-und Verordnungsblatt (GVBl) 30/1950, 239 f.