Flusslandschaft 1982

Internationales

- Allgemeines
- Polen
- Lateinamerika und USA
- Iran
- Syrien
- Ägypten
- USA und UdSSR
- Türkei und Kurdistan
- Israel und Libanon
- Falklandinseln, Argentinien, Großbritannien, USA
- Südafrika
- Ukraine


Allgemeines

Vom 18. Februar bis zum 31. März zeigt Melchior Schedler mit amnesty international (ai) im Münchner Stadtmuseum eine Ausstellung „Gegen Folter und Mord: Für Wahrung der Menschen-
rechte“. Die Ausstellung zeigt Fälle und Fotos aus den Ländern Argentinien, Äthiopien, Bahrein, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Kolumbien, Libyen, Madagaskar, Malaysia, Mali, Mauretanien, Mexiko, Namibia, Pakistan, Paraguay, Peru, Philippinen, Rumänien, Spanien, Südafrika, Südkorea, Syrien, Türkei, UdSSR, Uganda, Uruguay, USA, Zaire und Zypern.1

POLEN

29. Januar: „Auf dem Marienplatz findet eine Solidaritäts-Kundgebung mit der polnischen Ge-
werkschaftsbewegung Solidarnosc statt. Zu der Demonstration, an der rund dreihundert Personen teilnehmen, hatten der Gewerkschaftsbund, die Grünen, Solidarnosc und eine Initiative ‚Ausbruch aus dem Irrenhaus’ aufgerufen.“2

Am 6. Februar demonstrieren Schüler für die Aufhebung des Kriegsrechts in Polen.3

Am 24. Oktober kommt es zu einer Demonstration für freie Gewerkschaften in Polen.4

LATEINAMERIKA und USA

Der Bürgerkrieg in El Salvador steht vor einer Entscheidung. Die Militärjunta wird über die Nach-
barländer Guatemala und Honduras mit Waffen und Kapital aus den USA, aber auch aus der BRD unterstützt. Für den 31. Januar mobilisiert die Münchner Informationsstelle El Salvador e.V. (Kiliansplatz 5 und Reifenstuelstraße 8) für die große bundesweite Demonstration in Frankfurt.

Mit logistischer und finanzieller Unterstützung durch die USA beginnt die Contra von Honduras und Costa Rica aus den bewaffneten Kampf gegen die sandinistische Regierung von Nicaragua. Der Contra-Krieg kostet rund 30.000 Menschenleben und richtet die nicaraguanische Wirtschaft bis zum Jahr 1988 fast vollständig zu Grunde. Wegen der wachsenden Zahl der Contra-Anschläge ver-
hängt die Revolutionsregierung den Ausnahmezustand und führt die allgemeine Wehrpflicht ein.

Am 20. Februar marschiert in München ein Demonstrationszug um 11 Uhr vom Sendlingertor-
Platz unter dem Motto „Keine US-Intervention in Mittelamerika! Freiheit und Selbstbestimmungs-
recht für die Völker Mittelamerikas!“ los. – Für eine zweite zentrale Demo in Frankfurt am 13. März fahren Busse vom Münchner Hauptbahnhof los.

Guatemala: Im August 1980 verübte die guatemaltekische Armee ein Massaker in Chajul an den indigenen Maja. Dann fand das Massaker in Cocop statt. Die Überlebenden flohen in das abgele-
gene Ixil-Dreieck in den Bergen. Im Februar 1982 kommt es zu einem neuen Massaker in Xix. Am 23. März putscht sich General Efraín Ríos Montt an die Macht. Täglich werden seitdem im Durch-
schnitt vierzig Menschen von paramilitärischen Kommandos ermordet. In den kommenden knapp eineinhalb Jahren verantwortet der von den USA unterstützte Diktator Hunderte Massaker mit Zehntausenden toten Zivilisten und Angehörigen der Indigenas. Montt, der bis August 1983 re-
giert, wird Anfang Mai 2013 zu 80 Jahren Haft wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Kurze Zeit danach annulliert das Verfassungsgericht das Urteil wegen vermeintlicher Formfehler.5

ai veranstaltet am 29. März im Peseta Loca in der Oberländerstraße 1a einen Abend unter dem Titel „’Verschwundene’ in Zentralamerika und Südamerika“.

Im April und Mai fährt eine „Antiinterventionskarawane“ durch Europa, die gegen die Politik
der US-Regierung unter Ronnie Reagan protestiert. Dabei sind auch Vertreter Nicaraguas, El Salvadors und Guatemalas. Am 26. Mai holen Münchnerinnen und Münchner von der Informa-
tionsstelle Guatemala
, dem El Salvador Komitee, dem Lateinamerika-Komitee, der Freund-
schaftsgesellschaft BRD-Kuba
und der Nicaragua-Gruppe die „Karawane“ an der österreichischen Grenze ab, veranstalten um 18 Uhr eine Demo vom Sendlinger Tor zur Münchner Freiheit, machen mit der „Karawane“ am 27. Mai um 19.30 Uhr eine Großveranstaltung im Mathäser am Hasen-
bergl
in der Dülferstraße 16 und begleiten sie am 28. Mai zu Schweizer Grenze.

IRAN

Exiliraner demonstrieren am 13. Februar gegen das Khomeini-Regime.6

SYRIEN

Im Februar bombardieren Luftwaffe und Panzerartillerie die Stadt Hama und machen sie dem Erdboden gleich. Es kommt zu Massenerschießungen der Einwohner. 35.000 Menschen sind tot.

ÄGYPTEN

Moslems demonstrieren am 28. März gegen die Verurteilung der Mörder des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat, der ein Friedensabkommen mit Israel geschlossen hatte.7

USA und UdSSR

Ronald Reagan: „Die Sowjets haben keine Moral, weil sie nicht an ein Leben nach dem Tod und nicht an Gott glauben. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Politik und Religion.“8

TÜRKEI und KURDISTAN

Türken und Kurden treten am 12. Juni aus Protest gegen die türkische Militärjunta in den Hungerstreik.9 – Am 24. Juni befinden sich kurdische Studenten im Hungerstreik gegen die Unterdrückung ihrer Landsleute in der Türkei.10

Ende Oktober wird bekannt, dass seit dem Staatsstreich vom 12. September 1980 56.486 Men-
schen wegen „terroristischer Aktivitäten“ festgenommen worden sind. Gegenwärtig sitzen 24.858 in Militärgefängnissen. Gegen 203 ehemalige Abgeordnete, 80 Rechtsanwälte, 3.067 Gewerkschaf-
ter und 15.685 Mitglieder „illegaler Verbände“ wurden Gerichtsverfahren eingeleitet. Bis jetzt wurden 143 Todesstrafen verhängt und von ihnen 21 vollstreckt.

Die neue „Verfassung wird am 7. November mit einem Referendum in Kraft gesetzt. Mit der Ab-
stimmung über die Verfassung ist gleichzeitig eine Abstimmung über den zukünftigen Staats-
präsidenten verbunden. Einziger Kandidat: General Evren. Die Verfassung sichert dem Präsi-
denten quasi unbegrenzte Vollmachten, die nicht einmal das Parlament, das im November des kommenden Jahres gewählt werden soll, antasten kann. So kann er hohe Richter ernennen und besitzt ein Vetorecht für alle Gesetzesvorlagen. Weiter verlieren die Gewerkschaften in dieser Verfassung die Tarifhoheit und dürfen keine politischen Streiks ausrufen. Die Mitgliedsbeiträge müssen auf Konten der Nationalbank verwaltet werden, damit das Regime jederzeit die Kontrolle über sie hat. Die Pressezensur bleibt faktisch aufrechterhalten, da alle Äußerungen, die geeignet sind, die „öffentliche Sicherheit“, die „öffentliche Moral“ usw. zu gefährden, verboten sind. Alle Grundrechte können aufgehoben werden, wenn sie mit der Absicht ausgeübt werden sollen, „den unteilbaren Bestand von Staatsgebiet und Staatsvolk zu beseitigen“ … Außerdem gibt es jetzt keine Kurden mehr. Türkisch ist laut Verfassung die einzige in der Türkei existierende Sprache.

Zum Referendum selbst wurde Wahlpflicht für die 21 Millionen Stimmberechtigten erlassen. Ne-
ben Geldstrafen und vor allen Dingen gefürchteten Repressionen bedeutet ein Fernbleiben von der Wahl auch den Verlust des Wahlrechts für 5 Jahre. Da nahezu die Hälfte der Wahlberechtigten Analphabeten sind, werden weiße Stimmkarten für Zustimmung und blaue für Ablehnung ausge-
geben, wobei man feststellen kann, dass die blauen Karten durch die Wahlumschläge durchschim-
mern. Die so erzielten 91,3 Prozent Ja-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 90 Prozent kann die Militärjunta daher als „gelenkten“ Erfolg für sich verbuchen.

ISRAEL und LIBANON

Am 4. Juni startet Israel einen ersten massiven Angriff gegen den Libanon. Palästinenser demon-
strieren am 14. Juni vor der Feldherrnhalle gegen diese Angriffe.11 (Siehe auch „Medien“.)

Am 3. Juli demonstrieren sie gegen den israelischen Einmarsch im Libanon auf dem Königsplatz. Auch die griechische Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) ruft zu dieser Demon-
stration auf.12

Unter dem Motto „Stoppt den Völkermord im Libanon. Solidarität mit dem libanesischen und palästinensischen Volk sprechen am 13. Juli im Schwabinger Bräu, Leopoldstraße 82, Abdallah Frangi, PLO-Vertreter Bonn, Said Arnaout, Nationalprogressive Front des Libanon, Erich Fried, Schriftsteller und Oskar Neumann von der VVN. Es singt der libanesische Sänger Nassif Jebeili.
Im Anschluss an die Veranstaltung findet ein Fackelzug statt.

Am 14. Juli kommt es zu einem Verkehrschaos durch eine Demonstration gegen den Libanon-
krieg.13

Am 7. August findet eine weitere Demonstration gegen Israels Krieg im Libanon statt.14 Israel besetzt den Süd-Libanon und zwingt die PLO am 21. August zum vollständigen Rückzug aus dem Libanon. Die Bodeninvasion hat nicht nur den Tod Tausender Zivilisten zur Folge, die Besetzung des Libanon stürzt auch eine ohnehin schwache Nation in ein dauerhaftes politisches und wirt-
schaftliches Chaos und führt zur Gründung der Hisbollah.

Zwischen dem 16. und 18. September stürmen 150 libanesische und maronitisch-katholische Mili-
zionäre die von israelischen Truppen umstellten palästinensischen Flüchtlingslager Sabra und Schatila im südlichen Stadtgebiet von Beirut und verstümmeln, foltern, vergewaltigen und töten überwiegend Zivilisten, unter ihnen viele Frauen, Kinder und Alte. Die israelische Armee unter-
stützt die Phalangisten, indem sie mit Leuchtraketen die Lager erhellt, und sieht dem Gemetzel zu. Die ungefähre Zahl der Opfer liegt zwischen 460 und 3.000. Die Generalversammlung der Verein-
ten Nationen wertet dieses Massaker am 16. Dezember als Genozid.

FALKLANDINSELN, ARGENTINIEN, GROSSBRITANNIEN und die USA

Die USA unterstützen Großbritannien im Feldzug zur Wiedererlangung der Falkland-Inseln/Mal-
vinas bis zum 14. Juli mit Satellitenaufklärung und anderen technologischen Einrichtungen. 750 argentinische und 250 britische Soldaten kommen bei der Aktion ums Leben.

SÜDAFRIKA

Jeweils donnerstags alle 14 Tage trifft sich die Anti Apartheid Bewegung, Gruppe München (AAB) in der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in der Friedrichstraße 25.

UKRAINE

Am 24. Dezember veranstalten junge Ukrainer eine antisowjetische Kundgebung.15

(zuletzt geändert am 3.2.2020)


1 Vgl. Aufmachen Geheimpolizei. Begleitbuch zur Ausstellung von amnesty international, München 1982.

2 Stadtchronik, Stadtarchiv München; vgl. Süddeutsche Zeitung 25/1982.

3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 31/1982. Siehe „‚… damit die Kinder in unserem Sinne erzogen werden’“.

4 Vgl. Süddeutsche Zeitung 246/1982.

5 Erst am 10. Mai 2013 wird der nunmehr 86-jährige Ex-Diktator wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Mensch-
lichkeit zu achtzig Jahren Haft verurteilt. Vgl. Amnesty Journal. Das Magazin für die Menschenrechte 8/9 vom August/
September 2013, 15 und Standpunkte: Zehn Tage Gerechtigkeit. Aufgehoben und trotzdem historisch – das Urteil gegen Guatemalas Ex-Diktator Efraín Ríos Montt von Michael Krämer in Südlink (INKOTA-Brief) 164 vom Mai 2013. Vgl. auch Amnesty Journal 10/11 vom Oktober/November 2015, 34 ff.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung 37/1982.

7 Vgl. Süddeutsche Zeitung 73/1982.

8 Der Spiegel 23 vom 7. Juni 1982, 30.

9 Vgl. Süddeutsche Zeitung 132/1982.

10 Vgl. Süddeutsche Zeitung 141/1982.

11 Vgl. Süddeutsche Zeitung 134/1982.

12 Vgl. Süddeutsche Zeitung 150/1982.

13 Vgl. Süddeutsche Zeitung 159/1982.

14 Vgl. Süddeutsche Zeitung 179/1982.

15 Vgl. Süddeutsche Zeitung 297/1982.