Flusslandschaft 1950

Frieden

„Angesichts der drohenden Wiederbewaffnung nur fünf Jahre nach Ende des Zweiten Welt-
kriegs verbreitete sich unter Jugendlichen eine spontane ‚Ohne mich!’-Stimmung. Aus dieser subjektiven Haltung der individuellen Verweigerung entwickelte sich der kollektive Slogan ‚Ohne uns!’“1

Am 25. Juni beginnt der Korea-Krieg. Bundeskanzler Adenauer bietet den Westalliierten am 29. August einen „antisowjetischen Wehrbeitrag“ von 500.000 Soldaten an.

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Am 23. September findet in München eine Demonstration mehrerer tausend Menschen gegen die sich abzeichnende Remilitarisierung und für einen gerechten Lastenausgleich und angemessene Wiedergutmachung statt. Auf den zum Teil handgemalten Protestplakaten sind Karikaturen von Politikern zu sehen, die zuvor in Zeitungen abgebildet waren. Die Losungen auf Plakaten und Transparenten besagen, dass die gesellschaftliche Entwicklung ohne Einwilligung des Demon-
stranten stattfindet. Diese „Ohne-uns-Bewegung“ tritt in allen westdeutschen Städten in Erschei-
nung. 1951/52 geht sie in die „Volksbefragungs-“ und „Paulskirchenbewegung“ über. 1955 verebbt sie mit der Ratifizierung der Pariser Verträge und mündet 1956 in die neue Bewegung „Kampf dem Atomtod“. Zunächst treffen sich in dieser „Ohne-uns-Bewegung“ Individuen ohne Einbettung in institutionelle Zusammenhänge. Zu ihnen stoßen nachdenklich gewordene Dissidenten, die ur-
sprünglich in traditionellen Organisationen zu Hause waren. Zulauf erhält die „Ohne-uns-Bewe-
gung“ von Gewerkschaften, von ehemaligen Verfolgten des NS-Regimes, von christlichen und pazifistischen Gruppen, von Sozialdemokraten, Neutralisten und Kommunisten.

Konrad Adenauer meint am 11. Oktober in einer Rundfunkrede: „… Wenn … die Behauptung aufgestellt wird, dass unter meiner Autorität die Wiederaufrüstung Deutschlands allenthalben
mit Hochdruck beginne, so kann ich darauf nur erklären, dass diese Behauptung frei erfunden ist. Ich kann im Interesse derjenigen, die eine solche Behauptung aufstellen, nur annehmen, dass sie Mystifikationen zum Opfer gefallen sind, und möchte sie herzlich bitten, doch in Zukunft nicht mit solcher Leichtigkeit denen, die übles über andere sagen, Glauben zu schenken.“3

Die Bundesregierung ernennt den christlicher Gewerkschaftler und späteren Verteidigungsmini-
ster Theodor Blank (CDU) zum „Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“. Adenauer wählte hier einen Gewerkschafter mit dem Hintergedanken, auf diese Weise den Widerstand der Gewerkschaften gegen die Wieder-
aufrüstung zu paralysieren. Am 27. Oktober entsteht in Bonn das „Amt Blank“, das die Remilita-
risierung vorbereitet und dessen Schlüsselpositionen die Hitler-Generäle Heusinger und Speidel einnehmen.

Vom 16. bis zum 22. November findet der zweite „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“ in Warschau statt; er wählt den „Weltfriedensrat“. Ende des Jahres erlässt die „Weltfriedensratsta-
gung“ den „Stockholmer Appell“ mit seiner Forderung, alle Atomwaffen abzuschaffen.

Siehe auch „Frauen“, „Kunst/Kultur“ und „Jugend“.


1 Michael Backmund: „‚Kriegsgerät interessiert uns brennend’ – Antimilitaristische Proteste – Schlaglichter von 1945 bis 2010“ in Zara S. Pfeiffer (Hg.), Auf den Barrikaden. Proteste in München seit 1945. Im Auftrag des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, München 2011, 151.

2 Hans Dollinger, Lachen streng verboten! Die Geschichte der Deutschen im Spiegel der Karikatur, München 1972, 334.

3 Zit. in: Sag nein, wenn du nicht töten willst. Geschichte und Stand der Wehrdienstverweigerung. Auf- und Abgeschrieben von Heinz Stuckmann, Köln um 1958, 63.

Überraschung

Jahr: 1950
Bereich: Frieden