Flusslandschaft 1984

Frieden/Abrüstung

Am 30. Januar, am sogenannten „zweiten Widerstandstag gegen die Nachrüstung“ werden zwanzig Menschen festgenommen, einige wegen Landfriedensbruchs angeklagt.

Am 23. April lautet das Motto: „Entscheidet Euch für das Leben! Gegen die Stationierung neuer Atomraketen! Für ein atomwaffenfreies Europa! Rüstet ab, schafft Arbeitsplätze! Schafft menschliche Kontakte zwischen den Völkern! Beendet das Wettrüsten in Ost und West!“ —
„Rund zehntausend Münchner ziehen mit einem Sternmarsch zum Olympiagelände. Mit diesem Ostermarsch wollen sie für Frieden und Abrüstung demonstrieren. Mit einer 10 km langen Menschenkette umzingeln die Ostermarschierer den Olympiaberg, der zu einem großen Teil
aus dem Schutt entstand, den der Zweite Weltkrieg in München hinterließ. Das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising hatte katholische Christen ausdrücklich davor gewarnt, sich an Ostermärschen zu beteiligen, da bei diesen neben Repräsentanten der DKP besonders solche Organisationen vertreten seien, die laut Verfassungsschutz kommunistisch oder zumindest kommunistisch beeinflusst seien. Eine Einladung der Initiative ‚Kirche von unten’ an Erzbischof Wetter, sich am Ostermarsch zu beteiligen, hatte dessen Pressesprecher abgelehnt. Es sei eine Zumutung, den Erzbischof zu einer Veranstaltung einzuladen, in deren Verlauf zu ‚gesetzwidrigem Handeln’ ermuntert werden solle."1

13. August: Demonstration vor Munitionsdepot. Teilnehmer wegen Nötigung verurteilt.2

Am 13. Oktober trifft eine „Stafette gegen Atomraketen, Aufrüstung und Militarismus“ in München ein, die am 29. September in Fulda gestartet war. Friedensfeste finden im Hirschgarten und am Preysingplatz statt.

Am 17. Oktober weigern sich 500 bis 600 Schüler des Willy-Graf-Gymnasiums zwischen 8 und halb 10 Uhr den Unterricht zu „besuchen“. Stattdessen gibt es Friedensaktionen auf dem Schulhof, Musik machen, tanzen und diskutieren und Flugblätter lesen.

Am Freitag, den 19. Oktober findet am Josephsplatz in Westschwabing eine Aktion der „Schwabinger Friedensinitiative“ gegen den Bunkerbau statt. Zu diesem Thema wird auch ein Theaterstück gespielt, an dessen Ende Valium Tabletten gegen eventuell aufkeimende Panik verteilt werden.

Die Hauptaktion im süddeutschen Raum ist dann am 20. Oktober in Stuttgart. Allein aus Mün-
chen kommen 8 Sonderzüge mit Friedensfreunden. Auftakt ist um 9 Uhr eine Kundgebung bei
der Whiley-Kaserne in Neu-Ulm, Anschließend findet noch ein kurzes Die-In statt. Aber die Friedensbewegung hat ihren Schwung verloren. Der Nachrüstungsbeschluss von 1983 löst Resignation aus. Dazu kommen kritische Stimmen aus den eigenen Reihen.3

Im November findet ein Prozess gegen einen Mann statt, der im Herbst 1983 im Hauptbahnhof Pickerl verklebt hatte, die gegen die Aufstellung der Pershing 2-Raketen protestierten und zur Blockade der Wiley-Kaserne in Neu-Ulm aufriefen.4

Bei der Totenehrung anlässlich des Volkstrauertages kommt es am 18. November im Hofgarten zu Protesten.5

Am 15. Dezember findet eine Friedensdemonstration beim Neuhauser Christkindlmarkt statt.6

Seit Beginn der 70er Jahre steigt der Rüstungsexport der Bundesrepublik von 200 Millionen US-Dollar auf 1,9 Milliarden 1983. 1984 sind es 2,8 Milliarden. In den folgenden Jahren gehen
die Umsätze etwas zurück.

Siehe auch „Gewerkschaften/Arbeitswelt“.


1 Stadtchronik, Stadtarchiv München.

2 Vgl. Süddeutsche Zeitung 187/1984.

3 Siehe „Frieden ist, wenn keiner irgendwo hingeht – Die Friedensbewegung beim Wort genommen“ von Joachim Dyck.

4 Siehe „Papperl im Bahnhof“ von Günter Müller.

5 Vgl. Süddeutsche Zeitung 268/1984.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung 291/1984.