Flusslandschaft 1984

Religion

Nicht wenige kirchliche Gruppen engagieren sich gegen Blockkonfrontation und Hochrüstung und befinden sich damit auch im Konflikt mit der Amtskirche.1

Der 88. Deutsche Katholikentag vom 4. – 8. Juli findet in München unter dem Motto statt: „Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“ Wer mit kritischer Aufklärung das Olympiagelände zu be-
treten beabsichtigt, muss damit rechnen, beschimpft zu werden.2 Und dann mäkeln unberufene Zweifler auch noch an den Themen der Diskussionsforen herum.3 Fritz Letsch schreibt 2021: „… In Altötting, im Haus meiner Eltern, lag immer noch die Publik-Schreibtisch-Unterlage aus der Grün-
dungszeit am Tisch, und in all den Jahren als junger Gemeindereferent hatte mich die vierzehntä-
gige Zeitschrift Publik Forum mit all den aufgeklärten Themen des kritischen Katholizismus hoff-
nungsvoll gehalten, bis Ratzinger in München Kardinal wurde und es in der Kirche rückwärts ging, was dann 2004 im ‚Ketzerbrevier eines Altöttinger Ministranten‘ landete: ‚Denn sie wissen nicht, was Liebe ist …“ (AG SPAK Verlag) Die Zeitschrift der katholischen Reformbewegung bereitete da-
mals 1981/82 den Weg für den Einsatz des ‚Theaters der Unterdrückten’, wie ich es von Augusto Boal gelernt hatte. Wir verbreiteten es in den kirchlich geprägten Gruppen und Initiativen im gan-
zen Land. Es entstanden Theaterwerkstätten zu den Themen der Gruppen und in der Jugendar-
beit, in den Weltläden … So kam es zum Katholikentag 1984 ‚von unten’ in München mit einer ‚Nacht der Solidarität‘ mit 10.000 Teilnehmenden in der ausverkauften Olympiahalle, bei der die Gruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) fünf kleine Forumszenen präsentierte, nach einer Aktion am Eingang, bei der jede 20. Person einen kleinen roten dreieckigen Stempelabdruck auf den Handrücken bekam. Später aufgefordert, aufzustehen und zu winken, machten sie sichtbar, wie viele Lesben und Schwule es in der Gesellschaft gibt, die aber unsichtbar bleiben, auch in den Kir-
chen. ‚Hans kommt raus‘ konnte in den 12 Minuten in der riesigen Halle nicht wirklich als Forum-
theater präsentiert werden, aber wir spielten einmal die Angst, und dann die mutige Version in der Familie, im Beruf, unter Freunden und in der Kirche offen zu seinem ‚Anders sein’ zu stehen, wie es auch unser roter Button mit der Frage aus dem Beichtspiegel signalisierte: ‚Allein oder mit An-
deren?‘ …“4

(zuletzt geändert am 10.8.2021)


1 Siehe „Widerstandrecht“ von Andreas Altmann.

2 Siehe „Zehn Bräute am Rande des Katholikentages“ von Heide Hering.

3 Siehe MSZ. Gegen die Kosten der Freiheit. Marxistische Streit- und Zeitschrift 7/1984, hg. vom Verein zur Förderung des marxistischen Pressewesens e.V. München, https://msz.gegenstandpunkt.com/artikel/dem-leben-trauen.

4 Zugeschickt am 3. August 2021.