Flusslandschaft 1950

Kunst/Kultur

„Warum so viel Minderes und Geschmackloses? Fragt man Produzenten und Händler nach den Gründen, die sie zur Herstellung und zum Vertrieb der zahllosen Geringwertigkeiten und der gro-
tesken Geschmacklosigkeiten veranlassen, die für einen Großteil unserer Läden und Schaufenster kennzeichnend sind, so hört man immer wieder: Das wird verlangt, das Publikum will es so. Es ist das – wir folgen hier Ausführungen, die in der Zeitschrift »Kulturarbeit«, Stuttgart, erschienen – die typische Entschuldigung der Gedankenlosen und Gleichgültigen. Ihnen zur Seite stehen dieje-
nigen, die meinen, über Geschmack ließe sich nicht streiten und man solle es jedem überlassen, was er für gut und schön halte. Diese Menschen merken oft gar nicht, in welchem Maße gerade sie die Wegbereiter der Unterwertigkeit in allen Bereichen des äußeren und inneren Lebens sind. Manche halten diese Denkweise für besonders demokratisch und beachten nicht, dass gerade die alten Demokratien längst andere Wege gegangen sind. Gerade sie sind es, die in sorgfältiger Erzie-
hung von Produzenten, Händlern und Käufern das Bewusstsein dafür erwecken, dass jedes Pro-
dukt gewerblicher Schöpfung erst dann vollendet ist, wenn es Zweckmäßigkeit und Gebrauchswert mit Materialgüte und innerer Präzision sowie mit Formklarheit und Schönheit des Äußeren verbin-
det. Das alles sind Fragen, mit denen sich jeder von uns auseinanderzusetzen hat, sofern er nicht gewillt ist, sich gedankenlos treiben zu lassen, sondern ehrlich ringt um Qualität und Form, auch in seinem ganz persönlichen Lebensstil. Ihm Helfer und Ratgeber zu sein, ist ein soeben erschienenes Buch bestimmt, das kompromisslos die Folgerungen zieht und praktische Vorschläge macht für die Wiedererringung von Qualität und Form in Wohnung, Hausrat und Kleidung und den vielen ande-
ren Dingen des täglichen Bedarfs: DR. ELSE MEISSNER, Qualität und Form in Wirtschaft und Le-
ben. 152 Seiten, kartoniert DM 8,50. Erschienen im Richard PflaumVerlag, München 2“1

LITERATUR

„Nein, schlaft nicht, / während die / Ordner der / Welt / geschäftig sind! / Seid misstrauisch gegen ihre Macht, / die sie vorgeben / für euch erwerben zu müssen! / Wacht darüber, / dass Eure Her-
zen nicht leer sind, / wenn mit der Leere Eurer Herzen / gerechnet wird! / Tut das Unnütze, singt die Lieder, / die man aus eurem Mund / nicht erwartet! / Seid unbequem, / seid Sand, / nicht das Öl / im Getriebe der Welt!“ Günter Eich – letzter Absatz aus dem Schlussgedicht des Hörspiels „Träume“

MUSIK

Der Hot Club eröffnet nach dem Vorbild des „Hot Club de France“ in Paris im Luitpold-Palais in der Leopoldstraße 15. Ab 1952 ist der Jazz-Club im Besitz von Freddi Brocksieper, 1953 zieht der Club in den Augustiner-Keller in der Arnulfstraße um. 1964 schließt der Club.

THEATER

Angesichts der drohenden Wiederbewaffnung der Bundesrepublik engagieren sich auch viele Intel-
lektuelle und Künstler gegen eine neue deutsche Armee. Am 8. Oktober wollen die Kammerspiele Brechts „Mutter Courage“ mit Therese Giehse in der Hauptrolle aufführen. Der Dichter führt Re-
gie. Die Neue Zeitung beginnt am 3. Oktober eine Kampagne gegen Brecht mit der Frage, ob im Westen auch für ihn die Meinungsfreiheit gelten könne. Der Stadtrat fordert die Absetzung des Stücks; erst in letzter Minute setzen sich die Befürworter durch.


1 Die Kunst und das schöne Heim. Monatsschrift für Malerei, Plastik, Graphik, Architektur und Wohnkultur 4 vom Januar 1951, München, 86.

Überraschung

Jahr: 1950
Bereich: Kunst/Kultur

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