Flusslandschaft 1950

Wiedergutmachung

Obwohl im Zuge des immer mehr zunehmnden Antikommunismus auch die Vereinigung der Ver-
folgten des Nazi-Regimes
(VVN) verfolgt wird, demonstrieren am 9. März zweitausend Mitglieder der VVN, unter ihnen einige in KZ-Kleidung, durch die Briennerstraße zum Platz der Opfer des Na-
tionalsozialismus gegen die Verschleppung von Wiedergutmachungsmaßnahmen. Ministerialdi-
rektor Richard Ringelmann vom Bayerischen Finanzministerium, der mit der Bearbeitung von Wiedergutmachungsforderungen betraut sei, sei unmittelbar nach der Machtübergabe an die Nazis Mitglied der NSDAP geworden. Es sei ein Skandal, heutzutage den Bock zum Gärtner zu machen. Auf Tafeln ist zu lesen: „Wir sind die Verfolgten von gestern und heute“, „3.000 bayr. arbeitslose KZ Kameraden warten auf Arbeit“, „Wo bleibt unser Eigentum? Der Staat hat Millionen Häftlings-
vermögen kassiert“.1 — Nachdem sich nichts zum Besseren geändert hat, kommt es zu einer weite-ren Kundgebung am 23. September.2 „Vor dem Maximilianeum demonstrieren 1.000 Mitglieder der ‚Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes’ (VVN) gegen die ‚Verschleppung der Wiedergut-machung’. 800 Polizisten schirmen das Parlamentsgebäude ab. Eine zehnköpfige Abordnung trägt dem Präsidenten Stang ihre Anliegen vor. Der Wunsch, vor dem Plenum aufzutreten, wird abge-lehnt. Stang gibt anschließend dem Parlament bekannt, dass von den 13.000 Anträgen ehemaliger Verfolgter auf Wiedergutmachung 2.000 bis 3.000 bearbeitet seien. In sechs Monaten sei die Aus-zahlung der Haftentschädigungen abgeschlossen. In einer Entschließung versichert der Landtag, ‚dass es ihm eine ernste Sorge ist, die vorgebrachten Wünsche mit Verständnis und Wohlwollen in dem zuständigen Ausschuss sowie in der Vollversammlung baldigst zu überprüfen’.“3


1 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 10. März 1950; Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen.

2 Siehe „An alle politisch, rassisch u. religiös Verfolgten des Naziregimes!“.

3 Peter Jakob Kock, Der Bayerische Landtag. Eine Chronik, Bamberg 1991, 73.