Flusslandschaft 1951

Frieden

17.000 Delegierte aus allen Teilen der Bundesrepublik fordern am 28. Januar in Essen eine Volks-
befragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands. Drei Monate später lehnt die Bundesregie-
rung diesen Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung ab, die vom Februar 1951 bis März 1952 dauern soll. Bis Juni 1951 beteiligen sich trotzdem 6,2 Millionen BundesbürgerInnen daran. Bei der Volksbefragung werden vor allem Stimmzettel in Städten und vor Fabriken verteilt und ausgefüllt. Auf die Frage „Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Ab-
schluss eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951“ antworten 94,4 Prozent mit Ja. Am Ende haben 9.119.667 BundesbürgerInnen abgestimmt. „In München hatten bis Ende Juni 1951 von 36.115 Befragten 33.373 gegen die Remilitarisierung und nur 987 für die Remilitarisie-
rung gestimmt. 1.755 Befragte enthielten sich der Stimme.“1

„Das ‚Blitzgesetz’ vom 11. Juli 1951 ermöglichte es, Remilitarisierungsgegner als ‚Verfassungsfein-
de’ unter der Strafandrohung der Vorbereitung zum Hochverrat und der Staatsgefährdung anzu-
klagen. Zwischen 1952 und ’54 werden darauf mehr als 8.000 politische Strafverfahren eingeleitet und allein 15.000 Jugendliche inhaftiert.“2 Siehe auch „Bürgerrechte“.

Auf der New Yorker Konferenz haben die westlichen Außenminister der Bundesrepublik eine ka-
sernierte Bereitschaftspolizei in Stärke von 30.000 Mann zugestanden. Ein Drittel sollen Bundes-
grenzschutz, ein Drittel bundeseigene und ein Drittel ländereigene Bereitschaftspolizei sein. Ab Juli ist der Bundesgrenzschutz einsatzfähig. Kritiker befürchten jetzt eine durch die Hintertüre hereinschleichende Militarisierung. An der Spitze des Bundesgrenzschutzes ständen ehemalige Generalstabsoffiziere. Am 10. April kommentiert Erich Kästner im Kabarett Die kleine Freiheit in der Elisabethstraße in Schwabing das Geschehen.3

Am 2. Mai wird die Bundesrepublik vollberechtigtes Mitglied des Europarats. — Angesichts der Koreakrise fordert die US-Militärregierung für ihre im süddeutschen Raum stationierten Verbände der 7. US-Army Übungseinrichtungen. Im März 1951 prüfen Zivilbeamte des Office of Military Go-vernment (OMGUS) die Lage im Hohenfelser Land. Die Amerikaner suchen hier einen Truppen-übungsplatz. Am 7. August einigen sich Vertreter von OMGUS mit Vertretern der Bundesregierung und der bayrischen Staatsregierung auf die Errichtung eines großen Truppenübungsplatzes in Ho-henfels, ohne untergeordnete Behörden davon in Kenntnis zu setzen, dass Dörfer verschwinden werden und Bauern vertrieben. Am 13. August kommt es in München zu einer Demonstration we-gen der Räumung von Hohenfels.4

Siehe auch „Kunst/Kultur“.


1 Weißbuch über die amerikanisch-englische Interventionspolitik in Westdeutschland und das Wiederentstehen des deutschen Imperialismus. Überreicht vom Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, Leipzig 1951. 204.

2 Freidenker-Info, Ortsverband München e.V., Mai – Juli 2006, 4.

3 Siehe Kästners „Die Maulwürfe oder Euer Wille geschehe“.

4 Vgl. Münchner Merkur 194/95 von 1951.