Flusslandschaft 1989

AusländerInnen

„Wie der Journalist Michael Schmidt 1989 in seiner Analyse zur bundesdeutschen ‚Neuen Rechten’ belegt, ist München in den 1980er Jahren Zentrum der neonazistischen Szene Deutschlands.“1

In München befinden sich rund 216.000 Ausländerinnen und Ausländer. Dies entspricht etwa 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. In der Ludwigsvorstadt sind es etwa 40 Prozent, auf der Schwan-
thalerhöh’ 35 Prozent und in der Isarvorstadt-Schlachthofviertel gut 31 Prozent. Die meisten aus-
ländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen regelmäßig, oft jährlich zur Ausländer-
behörde und ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. Hierbei werden ihre Lebensumstän-
de (Wohnung, Arbeitsplatz etc.) überprüft. Ihre Arbeit kann im Vergleich zu deutschen Arbeits-
plätzen als schwerer und zugleich schlechter bezahlt bewertet werden. Auch ihre Wohnungen sind schlechter ausgestattet, dafür zahlen sie im Vergleich höhere Mieten.

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„Rund 1.600 Teilnehmer eines Demonstrationszuges vom Sendlinger-Tor-Platz zum Löwenbräu-
keller am Stiglmaierplatz protestieren gegen eine Verschärfung des Ausländerrechts. Initiator des Demonstrationszuges ist der Kreisjugendring.“3

„13. Juni: Zu einer kurzfristig angemeldeten Demonstration eines Aktionsbündnisses unter dem Motto ‚Für Offenheit und kulturelle Vielfalt in München – gegen Rassismus und Neofaschismus’ an der Münchner Freiheit, bei der gegen eine an diesem Abend stattfindende Wahlversammlung der Republikaner protestiert wurde, finden sich lediglich rund 350 Teilnehmer ein. Dafür versam-
meln sich nach Polizeiangaben mehr als 4.000 Menschen auf dem Milbertshofener Platz, um von dort zur Olympiahalle zu ziehen und die Republikaner-Veranstaltung zu stören.“4

„21. Juni: Rund 1.000 Menschen haben an einer Demonstration des Aktionsbündnisses ‚Für Offen-
heit und kulturelle Vielfalt in München – gegen Rassismus und Neofaschismus’ gegen den Rechts-
radikalismus mit einer Auftaktveranstaltung auf dem Sendlinger-Tor-Platz und einer Schlusskund-
gebung auf dem Marienplatz teilgenommen.“5

„Diskriminierung von ‚Gastarbeitern ‘und ‚Asylanten’ (beiden Gruppen gehört eine Anzahl Roma in Deutschland an) aber auch Diskriminierung von Aussiedlern findet in der BRD (auch im Vergleich   zu anderen westeuropäischen Staaten) in erheblichem Umfang statt – so das Urteil von Experten aus der Soziologie; man führt dies darauf zurück, dass Deutschland seine Einbürgerungsregelun-
gen besonders restriktiv handhabt und dadurch der Ausländerstatus teilweise über Jahrzehnte auf-
rechterhalten und somit eine Integration verzögert wird; unbewusst, so die Fachleute, spielt die Rassenlehre des Dritten Reiches weiterhin eine große Rolle, obwohl man sich äußerlich vom Natio-
nalsozialismus absetzen möchte; Länder wie Frankreich, die Schweiz, Österreich und auch Italien gehen mit der Einbürgerung wesentlich großzügiger um; die Folge ist ein stärker ausgeprägter und tiefer sitzender Fremdenhass als in anderen Ländern Westeuropas ab Mitte der 80er Jahre in der BRD; ein Erklärungsversuch für diese Entwicklung geht vom Konkurrenzkampf um wenig qualifi-
zierte Arbeitsplätze zwischen Migranten und deutscher Unterschicht, der als einziges ‚Privileg’ nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit bleibt, aus … Durch die Öffnung Osteuropas nach Ende der Ära des ‚real existierenden Sozialismus’ setzt eine Wanderungsbewegung aus dem Osten des euro-
päischen Kontinents auch nach Deutschland ein; unter den Immigranten befinden sich Roma aus Rumänien, Serbien, Makedonien und Bulgarien, die in ihrer Heimat unter ganz besonders bedrük-kenden Umständen gelebt hatten und mit hohen Erwartungen auf ein besseres Leben nach Norden aufbrechen; bei dem sich hieraus ergebenden Aufeinanderprallen sehr unterschiedlicher Welten offenbaren sich ganz besonders starke Gegensätze, die alten Ressentiments neuen Auftrieb geben; die Politik reagiert in der Regel mit Ausweisungen, auch unter Zwang, bzw. mit verstärkten Kon-
trollen bei der Einreise.“6

Irrationale Xenophobie breitet sich aus. Nationale Homogenität wird gefordert.7 Unbeirrbar arbei-
tet seit fünfzehn Jahren der Arbeitskreis Ausländerfragen in Haidhausen an ganz konkreten Ver-
besserungen der Lage von Migrantinnen und Migranten.8

Im „Sicherheitsreport“ des Polizeipräsidiums heißt es zu Jahresende: „…5. Maßnahmen gegen Ausländer – Zahl der Tatverdächtigen bei Straftaten gegen das Ausländergesetz 2.654 (2.091) davon Asylverfahrensgesetz 555 (355). Von den ermittelten Tatverdächtigen übten 361 (1988: 287) – überwiegend Jugoslawen und Polen – eine Arbeitnehmertätigkeit aus. Die Betroffenen wurden deshalb wegen Zuwiderhandlungen gegen das Ausländer- und Arbeitsförderungsgesetz angezeigt und dem Ermittlungsrichter im Polizeipräsidium vorgeführt … 6. Maßnahmen gegen Arbeitgeber wegen Zuwiderhandlungen gegen das Ausländer- bzw. Arbeitsförderungsgesetz – Im Jahre 1989 wurden 250 Arbeitgeber angezeigt, die unerlaubt 351 Ausländer beschäftigten. Im Vorjahr waren 278 illegal beschäftigte Ausländer ermittelt worden. Die Arbeitgeber wurden wegen Zuwiderhand-
lungen gegen das Ausländer- bzw. Arbeitsförderungsgesetz angezeigt …“9

Siehe „Rechtsextremismus“.


1 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, http://sintiromabayern.de/chronik.pdf, 156.

2 Plakatsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

3 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Süddeutsche Zeitung 48, 1, 21.

4 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Süddeutsche Zeitung 134, 1.

5 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Süddeutsche Zeitung 141, 1.

6 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, http://sintiromabayern.de/chronik.pdf, 156.

7 Siehe „Paranoia vor dem Fremden“ von Michael Krüger.

8 Siehe „Selbstbewusste Initiative“ von Robby Fishman.

9 Sicherheitsreport 1989. Polizeipräsidium München, München 1990, 18 f.