Materialien 1995

Bei anderen bekämpft, was man selbst falsch macht

Betrifft: Artikel über die ,Stille Hilfe an Herrn Bletschacher’

Es scheint, daß man das bei anderen gerne bekämpft, was man selbst falsch macht. Welch ein Schlag ins Gesicht der Saubermänner (und -frauen) der CSU.

Wir erinnern uns an die Kampagne der CSU im Münchner Rathaus (die in der SZ von liebdieneri-
schen Artikeln begleitet wurde) gegenüber den Selbsthilfegruppen in München, denen schlechter Umgang mit Geldern nachgewiesen werden sollte. Wie groß die moralische Verlogenheit war, die dahinterstand, wird jetzt deutlich, wenn der Vorreiter dieser Kampagne, der CSU-Rathauschef Bletschacher, im diesem Zeitpunkt schon Millionen Spendengelder als ,stille Hilfe’ für sein Unter-
nehmen ,parkte’. Wenn Herr Bletschacher nun meint, daß die Vorstandstätigkeit in 30 Jahren eigentlich 12 Millionen Mark wert sei, stellt er, zwar so nicht beabsichtigt und zur Selbstverteidi-
gung dienend dar, daß das ehrenamtliche Engagement doch etwas wert ist.

Dem Vorstand der ‚Stillen Hilfe für Südtirol‘, vorrangig dem StadtwerkeChef, Herrn Layritz, spen-
diere ich gerne eine Beratung, wie denn ein Verein zu führen ist, damit die Kontrolle gewährleistet ist; eine Sache, die bei Vereinen im Bereich des ,Alternativbereichs’ oder der Selbsthilfe eingebaut ist. Normalerweise gibt es im Verein die Einrichtung der Kassenprüfung, die die Buchführung kon-
trolliert und der Mitgliederversammlung über eine sorgfältige Kassenführung berichtet, bevor der Vorstand entlastet wird. All das, da bin ich sicher, kann auch von etablierten Herrschaften gelernt werden. Voraussetzung dabei ist allerdings, daß man gewillt sein muß, Mein und Dein und Soll und Haben zu unterscheiden.

Heinz Schulze, Margaretenplatz 2, 81373 München


Süddeutsche Zeitung 121 vom 27./28. Mai 1995, 37.

Überraschung

Jahr: 1995
Bereich: CSU