Flusslandschaft 1989

Umwelt

Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zerstören die Ozonschicht. Am 20. April demonstriert David gegen Goliath (DaGG) gegen FCKW auf dem Marienplatz. Auf den Plakaten hinter der Bühne steht „… und wenn Euch Eure Kinder fragen, was habt Ihr dagegen getan, wollt Ihr dann auch sagen: ‚Wir haben nichts gewusst’“ Auf einem T-Shirt ist zu lesen „phantasievoll, gewaltfrei, konsequent“.1

„13. Juli: Anlässlich einer Sitzung des Aufsichtsrates des Münchner Verkehrsverbundes demon-
strieren die Junge Union Bayern und Umweltschutzverbände vor dem Verwaltungsgebäude des MVV gegen die am 28. Mai erfolgte Tarifreform des Verkehrsverbundes.“2

„Große Aufregung in Feldmoching verursachte 1989 – 1991 auch die Absicht der Stadt, zwischen dem Würmkanal und der Regattaanlage westlich des Eishüttenwegs auf 64 ha vorwiegend land-
wirtschaftlich genutztem Grund eine Mülldeponie unterzubringen. Da die bestehende Deponie bei Autobahnkreuz M.-Nord voraussichtlich 1994 erschöpft gewesen wäre, wurden unter 78 möglichen Nachfolge-Standorten nach einer Untersuchung des Ingenieurbüros Schlegel im Juli 1989 neun, darunter Feldmoching, in die engere Wahl gezogen, was Kritik und Proteste von allen Seiten her-
vorrief. Doch die Regierung von Oberbayern stellte im Raumordnungsverfahren im November 1991 u.a. fest, dass die Deponie am Autobahnkreuz in Freimann nach Norden hin erweitert werden kann und der Standort Feldmoching nicht den Erfordernissen der Raumordnung entspricht.“3

„Im bayrischen Linden ist nach intensiver Vorbereitung im Frühsommer eine ökologische Akade-
mie gegründet worden, die sich der ökologischen Bildungsarbeit verschrieben hat. Zum aktiven Kreis der Akademie-Leute, von denen der größte Teil haupt- oder nebenberuflich in Bildungein-
richtungen tätig ist bzw. war, zählen Berufs- und Handelslehrer, Politologen und Soziologen, So-
zialarbeiter und SozialpädagogInnen, Handwerker und Wissenschaftler. Schwerpunkte der Bil-
dungsarbeit sind u.a. neue Lebens-, Wohn- und Arbeitsformen, berufliche und politische Fortbil-
dung im Bereich Ökologie, neue und angepaßte Technologien, umweltfreundliche Energieversor-
gung, Frauenprojekte und feministische Arbeit. Betreiber des Tagungshauses ist der als gemein-
nützig anerkannte Verein »Ökologische Akademie Linden e.V.«. Informationen und Anfragen bei: Ökologische Akademie Linden e.V., Baiernrainer Str. 17, 8157 Linden, Tel.: 08027/1494“4

„23. August: Vor der Regierung von Oberbayern demonstrieren rund 200 Bürger aus Perlesham (Landkreis Mühldorf/Inn) gegen eine geplante Müllkippe in ihrem Dorf und überreichen einen Forderungskatalog mit 1.248 Unterschriften.“5

„5. September: Vertreter der Bürgerinitiative für Lärmschutz aus dem Münchner Osten überrei-
chen OB Kronawitter eine Liste mit 5.204 Unterschriften, die eine Untertunnelung der Bahnstrek-
ke zwischen Zamdorf und der Stadtgrenze in Johanneskirchen fordern, um die durch die Inbe-
triebnahme des Rangierbahnhofes Nord sowie des Containerbahnhofes befürchtete Lärmbelastung für die Anwohner zu vermindern. Der OB sagte den Vertretern der Bürgerinitiative zu, dass der ge-
samte Stadtrat versuchen wird, diese Forderung bei der Deutschen Bundesbahn durchzusetzen.“6

Die Ökologiebewegung hat bei politisch Verantwortlichen ein Umdenken ausgelöst. Nicht mehr die autogerechte Stadt wird gewünscht, sondern eine neue, verkehrsberuhigte City. Dagegen protestie-
ren Lobbyisten, der Einzelhandelsverband, der ADAC und konservative Politiker, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen.7

Das Umweltinstitut München erweitert seine Kompetenzen. In den Landkreisen Dachau, Freising, Erding und Ebersberg misst es Nitrat- und Pestizidbelastung im Wasser. Und die PET-Recycling-
flasche wird als unökologisch qualifiziert. Sie kann für Sprudelgetränke vorläufig verhindert wer-
den.

Ab Herbst beginnt Autogeher Michael Hartmann mit seiner Aktion „Brotzeit machen“. Dazu stellt er sich bei einer Kreuzung der Leopoldstraße auf die Mitte einer mittleren Fahrspur, stellt ein Ge-
tränk auf den Boden und beißt herzhaft in seine Brezen. Die Reaktionen der Autofahrer sind heftig. Die herbeigeeilte Polizei begnügt sich mit einem Bußgeld von 30 Mark.8

Kaum ein Mensch auf diesem wunderbaren Erdenrund, der nicht das berückende Poem „Herr: Es ist Zeit“ von Rainer Maria Rilke kennt. Jutta Bauer illustriert die Verse kongenial.9

„28. Oktober: Mitglieder der Humanistischen Partei radeln ‚für das Fahrrad und billige Bahn – aber, gegen den Krieg auf unseren Straßen’ von der Münchner Freiheit zum Marienplatz. Anlass für die Demonstration ist die Zustimmung von OB Kronawitter zur jüngsten MVV-Tariferhö-
hung.“10

Im Münchner Norden konzentrieren sich Betriebe, die in den reichen Vororten im Münchner Süden undenkbar wären. Manche nördlichen Bewohnerinnen und Bewohner haben sich längst resigniert damit abgefunden. Einige wenige protestieren.11


1 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen.

2 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Süddeutsche Zeitung 160, 1, 11.

3 Volker D. Laturell, Feldmoching – Hasenbergl. Das Stadtteilbuch für den 24. Stadtbezirk mit den Ortsteilen Eggarten, Fasanerie, Feldmoching, Harthof, Hasenbergl, Lerchenau, Siedlung am Lerchenauer See und Ludwigsfeld, München 2000, 60.

4 Forum Wissenschaft 3/1989, Marburg, 91.

5 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Abendzeitung 194, 1.

6 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Münchner Merkur 204, 2, 5.

7 Siehe „Unter die Räder gekommen“ von Karl-Heinz Büschemann sowie „Straßenschlacht“ von Felix Berth und „Entgleist: MVV“.

8 Vgl. Michael Hartmann, Der Autogeher. AutoBiographie eines AutoGegners. März 1988 bis Juli 1997, München 1997, 21 ff.

9 Siehe „Herbst“ von Jutta Bauer.

10 Stadtchronik, Stadtarchiv München; Süddeutsche Zeitung 250, 1.

11 Siehe „Wackersdorf lässt grüßen“ von Elfi Ritschel.