Flusslandschaft 1990
Alternative Szene
Das „Breisacher Straßenfest“ in Haidhausen findet am 2. Juni statt. Eigentlich selbstverständlich, dass die Hälfte der Einnahmen an einen Gefangenen der Bewegung 2. Juni geht, der demnächst freigelassen wird, und die andere Hälfte an das Volxkino in der Landsberger Straße.
Die deutsche Widervereinigung bringt vieles durcheinander. Vor allem für Apologeten des „real existierenden Sozialismus“ stürzt eine Welt zusammen. Wer sich in der alternativen Szene herumtreibt, ist dagegen froh, dass die sogenannte „autoritäre Linke“ ihren Bezugsrahmen verloren hat; endlich ist der Ballast verschwunden, für den man sich regelmäßig verteidigen musste. Die alternative Szene ist ganz optimistisch. Am 3. Oktober gestalten etwa achtzig Menschen, vor allem Schülerinnen und Schüler, eine Spontandemo gegen den „Deutschland-einig-Vaterland“-Hype. Achtundzwanzig von ihnen wandern zur Personalienfeststellung in die Ettstraße, fünf werden länger festgehalten, da ihnen Widerstand und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen wird.1
Am 15. November findet unter dem Motto „Solidarität mit den HausbesetzerInnen in Berlin“ vom Weißenburger Platz in Haidhausen mit siebzig Leuten eine Spontandemo Richtung Orleansplatz statt. Der Weg der Demo ist noch länger zu sehen, da das Büro der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS), Banken und weitere Hauswände besprüht wurden. Die Polizei kommt zu spät.
Die Bundestagswahl am 2. Dezember steht ganz im Zeichen der am 3. Oktober vollzogenen Wiedervereingung. Auf Wahlplakaten der etablierten Parteien in Haidhausen sowie in Moosach und Milbertshofen hängen mit Klebefilm angebrachte, ergänzende Wahlaufrufe:
Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
1 Siehe „Mit Polizeieinsatz gegen Andersdenkende ins Neudeutsche Reich“.