Flusslandschaft 1990
CSU
Mit dem jämmerlichen Zusammenbruch des so genannten „realen Sozialismus“ in den Warschauer-Pakt-Staaten entsteht in konservativen Kreisen das Bedürfnis, dem Zusammenbruch des nicht realen Sozialismus in der Bundesrepublik nachzuhelfen. Dabei verhebt sich allerdings die Münchner CSU.1
„So unverschämt ist die CSU — ‚Dreißig Prozent Steigerung in drei Jahren – das ist eine Unverschämtheit. Laut Gesetz ist das zwar erlaubt, aber die Gehälter steigen ja auch nicht um ein Drittel in drei Jahren.’ Bayerns Innenstaatssekretär Peter Gauweiler über Mieterhöhungen. Gauweiler ist Mitglied der CSU. Die amtierende Bundeswohnungsbauministerin Gerda Hasselfeldt ist Mitglied der CSU. Unter ihrem Vorgänger Oskar Schneider wurde das Mieterhöhungsgesetz verabschiedet. Auch Schneider ist Mitglied der CSU.“2
„Wegen Gedenkstein für Hitler-Attentäter: CSU-Politiker abgewählt – Der Münchner Arthur Förschler (56) ist Journalist mit CSU-Parteibuch und ein Mann mit Ideen. Auf seine Initiative wurde vergangenes Jahr am Gasteig ein Mahnmal errichtet, das an einen vergessenen Helden erinnert: An Hitler-Attentäter Johann Georg Elser. ‘Ich bin Jude und ich wollte diesem deutschen Widerstandskämpfer ein persönliches Dankeschön sagen’, sagt Förschler … ‘Wegen meines Engagements für Elser entzog mir die CSU mein Mandat im Bezirksausschuss.’ … CSU-Mann Rusch wetterte gegen das Elser-Denkmal: ‘Es ist eine Frechheit, in einer von Terroristen bestimmten Zeit, diesem Vordenker des Terrorismus auch noch ein Denkmal zu setzen. Da stehen die Kameraden meiner Fraktion einmütig hinter mir.’“3
„Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Münchner Stadtrat, Gerhard Bletschacher, hatte Spenden in Höhe von 5 Millionen Mark aus dem von ihm geleiteten, als gemeinnützig anerkannten Verein ‚Stille Hilfe für Südtirol’ in seine Käseschachtelfabrik umgeleitet. Schlimm war die Dreistigkeit dieses Politikers, schlimm war aber auch die jahrelange Duldung seiner Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht durch das Finanzamt sowie das Finanzministerium, das seit 1990 davon Kenntnis hatte, aber nichts unternahm. – Gleichwohl wurden die Strafanzeigen (Rechtsanwalt) Spörleins und ebenso die Strafanzeigen des Alt-Oberbürgermeisters Kronawitter von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. – Nach Abschluss des eingesetzten Untersuchungsausschusses forderte die SPD die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen drei Beamte, auch der Rechnungshof hatte massive Pflichtverstöße festgestellt. Finanzminister Erwin Huber aber kam dieser Aufforderung nicht nach. Warum nicht? Lediglich Bletschacher selbst wurde 1996 zu mehr als drei Jahren Gefängnis verurteilt.“4
Siehe auch „Gewerkschaften/Arbeitswelt“.
1 Siehe „„Perlacher Marxzentrum ausradieren!““ von Philipp Reuter.
2 Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 9 vom 4. Mai 1990, 6.
3 Bild vom 21. Juni 1990.
4 Wilhelm Schlötterer, Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauß und seine Nachfolger. Aufzeichnungen eines Ministerialbeamten, Köln 2009, 342 f.