Flusslandschaft 1990
Kunst/Kultur
München sei ein verschnarchtes Provinznest hinter einer glänzenden Fassade und eine lebendige Szene habe sich verabschiedet. Dies ist immer wieder über die Jahre zu hören. Und immer wieder analysieren Initiativen und rufen zu einem neuen Projekt auf.1
BILDENDE KÜNSTE
Am 10. April eröffnet das Valentin-Musäum im Isartor eine Ausstellung mit Lithographien von A. Paul Weber unter dem Titel „Der Staatsfeind“. Die Ausstellung ist bis zum 3. Oktober zu sehen.
Der U-Bahnhof Machtlfinger Straße im Stadtteil Obersendling wird von den Architekten Schnetzer und Großkopf in Zusammenarbeit mit dem städtischen U-Bahn-Referat geplant, die großflächigen Farbtafeln, vier zweiteilige Objekte, Acryl auf Aluminium, entwirft Rupprecht Geiger. Der Volks-
zorn entlädt sich über den Maler: „Ja, was soi denn des! A so a Schmarrn, und was des kost!“
Vom Gasteig her grüßt über die Rosenheimer Straße das „Gerundete Blau“ von Rupprecht Geiger. Im Volksmund heißt es allerdings „Niveadose“. Nun fühlen sich auch andere Mitmenschen zur Kunst berufen. Im Frühsommer schleichen sie sich nächtens heran und bewerfen das Kunstwerk mit Farbbeuteln. „Nicht wenige Besucher sind der Meinung, seitdem sehe diese blaue Plastik eigentlich viel besser aus.“2
FILM
Beim Münchner Filmfest 1991 informiert ein Flugblatt darüber, dass die Staatsanwaltschaft seit Mai 1990 insgesamt acht Filme beschlagnahmt habe „– wegen einzelner inkriminierter Szenen, die aus dem Zusammenhang der Handlungen gerissen und an den Pranger gestellt worden waren. Die Münchner Staatsanwaltschaft, die sich mit solchen Aktionen als äußerst kleinkariert erweist, ließ es bisher in keinem der »Fälle« (der letzte passierte drei Tage vor Beginn des Festivals) zu einem Prozess kommen – vermutlich aus Angst, sich über die Stadtgrenzen hinaus fürchterlich zu blamie-
ren. Im übrigen: Ich-hätte es schon als wichtig empfunden, wenn es über diese Vorgänge auf dem Filmfest zu einer öffentlichen Debatte gekommen wäre …“3
THEATER
… als die Stadt noch in der Lage war, den Unterschied zwischen Institution und Unmittelbarem Theater, dem Aussen zu denken … Im vierten Teil des „Das letzte alte Bier – Vereinskonzerts am VierVideoTurm“ in der Veranstaltungsreihe „proT für die Welt“ von Alexeij Sagerer brilliert Kul-
turreferent Jürgen Kolbe am 27. März im Brum’s in der Dreimühlenstraße 30. Das „Vereinskonzert am VierVideoTurm“ bietet in sieben mal sieben Minuten gemalte Filme, Kamera: Christoph Wir-
sing. Beim „letzten alten Bier“ sind mit dabei: Cornelie Müller, Bruno Jonas, Ottfried Fischer, Andreas Koll, Erwin Rehling, Kurt Feller, Jürgen Hoffmann, Max Hupfer, Fritz Kroher und Hans Lechner.4
Im August stirbt Wolfgang Anraths, 48 Jahre alt. Sein theater k (für kollektiv) in der Kurfürsten-
straße 8 in der Maxvorstadt hat er, schon länger isoliert und von der Münchner Öffentlichkeit ig-
noriert, Anfang des Jahres geschlossen.
(zuletzt geändert am 18.12.2023)
2 Süddeutsche Zeitung 142 vom 23./24. Juni 1990, 19.
3 Die Weltbühne. Wochenschrift für Politik Kunst, Wirtschaft 30 vom 18. Juli 1991, Berlin, 916.
4 Siehe Bruno Jonas und Servus Alexeij Sagerer: https://www.youtube.com/watch?v=rM4LpgU4NwI&gl=DE, Jürgen Kolbe mit Halle-luja: https://www.youtube.com/watch?v=9hPlbhVbKyU und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: https://www.youtube.com/watch?v=K_VsucTPqUQ&gl=DE.