Flusslandschaft 1952

CSU

Mit den wirtschaftspolitischen Weichenstellungen und der beginnenden Westbindung nehmen
die Proteste gegen die kapitalistische Restauration ab, dafür beginnt das Engagement gegen die Wiederaufrüstung. Viele Aktionen sind phantasievoll und überraschend. Künstlerische Aktionen, Theater und Literatur werden populär. Auch in der CSU finden sich immer wieder Mitglieder,
die ein kritische Position beziehen. Mira von Kühlmann, aktiv im Landesvorstand der CSU und Landtagsabgeordnete, schreibt an eine Freundin: „Es war selbstverständlich, dass wir uns nach
der militärischen Zerschlagung alle bereit fanden, überall mitzuarbeiten, wo sich die Möglichkeit ergab, den Frieden zu sichern. Das durfte uns nicht mehr passieren, dass eine Regierung wieder einen neuen Krieg anzettele. Auf politischer Ebene habe ich zunächst in der CSU, der Partei, die diesen Vorstellungen zu entsprechen schien, mitgearbeitet und besonders in deren Frauenorga-
nisation etwas getan. Bis Dr. Adenauer wieder aufzurüsten begann …“1 Nach einem für sie ent-
täuschenden Briefwechsel mit Franz Josef Strauß2 verlässt sie die CSU und schließt sich Gustav Heinemanns Gesamtdeutscher Volkspartei (GVP) an.

Auch Erich Kästner ist enttäuscht. In den „Nachträglichen Vorbemerkungen“ zur Sammlung von Texten für das Kabarett Die kleine Freiheit (ab 25. Januar 1951 im „Atelier-Theater“ in der Elisa-
bethstraße 34/V in Schwabing, ab Ende 1951 in der Maximilianstraße 31 im Lehel) meint er im Herbst 1952: „Während der »Großen Lethargie« hatten wir uns gelegentlich über die skurrilen Bewegungen unserer durch öffentliche Wahlen bestellten Vorturner gewundert. Wir hatten ge-
meint, sie kehrten ihre Gesichter der Zukunft zu. Das war ein fundamentaler Irrtum gewesen.
Was wir für Gesichter gehalten hatten, waren Masken. Die Gesichter selber blickten sehnsüchtig
in die Vergangenheit. Dort leuchteten ihre Ideale, und dort winkten die Geschäfte. Dort leuchten ihre Ideale, und dort winken die Geschäfte. Man sagt »Europa«, und man meint »Kattun«.3


1 Zit. in: Ferdl Miedaner alias Ferdinand Grüneisl, Kein Mensch ist ganz umsonst. Jüngere Zeitgeschichte mit autobiographischen Elementen, München 1995, 123.

2 Siehe Strauß’ „Sehr geehrte Frau von Kühlmann“.

3 Erich Kästner, Wir sind so frei. Chanson, Kabarett, Kleine Prosa. Werke in neun Bänden, Bd. II. Hg. von Hermann Kurzke in Zusammenarbeit mit Lena Kurzke. München/Wien 1998, 192.