Flusslandschaft 1953

SPD

Die SPD-Landtagsabgeordnete Rosl Hillebrand spricht im Festsaal des Hofbräuhauses im März vor zweitausend Menschen gegen die Ratifizierung des General- und EVG-Vertrages. Sie fordert dazu auf, alles dafür zu tun, die dritte Lesung im Bundestag abzusetzen. Am 17. März fordern zweihundertundfünfzig Betriebsräte der IG Metall auf einer Vollversammlung die Abgeordneten dazu auf, gegen den EVG-Vertrag zu stimmen „und sich nicht gegen ihr Gewissen zu einer Ja-Stimme zwingen zu lassen. Wir verlangen soziale Sicherheit und echtes Bestreben einer Wieder-
vereinigung Deutschlands.“ – Die Münchner „McCarthy-Ära“ hat drei prominente Opfer. Rosa Aschenbrenner, Rosl Hillebrand und Edith Höreth-Menge, alle drei in der SPD an herausragender Stelle aktiv, sehen nicht ein, dass sich die Sozialdemokratie im beginnenden Kalten Krieg ohne Wenn und Aber dem Antikommunismus verschreibt. Sie treten öffentlich für Verständigung mit dem kommunistischen Lager ein und favorisieren einen dritten, neutralistischen Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Alle drei Frauen werden aus der SPD ausgeschlossen.1 Auch Martin Löwenberg und viele andere müssen gehen. Rolf Reventlow, der Sohn von Franziska zu Reventlow, organisiert die „Säuberungen“. – Gegen weit über 200.000 Menschen wurde in der Hochzeit des kalten Krieges aus politischen Gründen in der Bundesrepublik ermittelt: mit gravie-
renden strafrechtlichen, sozialen und psychischen Folgen für die Betroffenen und ihre Angehöri-
gen. Eine Rehabilitierung wird ihnen bis heute verweigert. Nach der Vereinigung beider deutscher Staaten ist es Zeit endlich anzuerkennen, dass es in der Zeit des kalten Kriegs auch in der alten Bundesrepublik Opfer politischer Verfolgung gab. Die Aufarbeitung der deutschen Nachkriegs-
geschichte ist ohne die Geschichte der politischen Justiz im Westen nicht vollständig, ist nicht teilbar, auch wenn man sich im Westen noch sosehr bemüht, den Eindruck zu vermitteln, es ginge nur um das in der DDR begangene Unrecht.

Bundestagswahl im September: Bayernweit bekommt die SPD 23,3 Prozent, die CSU 47,8 Prozent.


1 Siehe „Wie aus der Abgeordneten Hillebrand der ‚Fall Hillebrand’ wurde“ von Elisabeth Fleschhut und Gerstenbergs „Einwände politischer Art“.