Flusslandschaft 2009

Gewerkschaften/Arbeitswelt

- Allgemeines
- DGB

- Amper Kliniken
- Dehner Gartencenter
- Infineon
- Kinderbetreuungseinrichtungen
- Münchner Verkehrs-Gesellschaft
- Siemens
- Süddeutsche Zeitung


ALLGEMEINES

»BEWEGUNGSLEHRE // Ich schwimme im / Starnberger See / Bewege mich / mühelos / leicht / entspannt / an der Oberfläche / Wenn ich mich / wie im Betrieb / geduckt hätte / wäre ich / längst / untergegangen« Knut Becker1

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Gewerkschaftsmitglieder empören sich, wenn die Gewerkschaftsführung offenbar nur halbherzig die Grausamkeiten der Regierung kritisiert, weil sie über Parteien und Verbände mit genau dieser Regierung verbandelt ist. Einige erklären wütend ihren Austritt.3

Die neue Regierung aus CDU/CSU und FDP unter der Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel löst am 28. Oktober die große Koalition aus CDU/CSU und SPD ab. Viele bei der SPD organisierte Gewerkschafter sind erleichtert. Jetzt können sie die Grausamkeiten der Bundesregierung wieder rücksichtslos geißeln.

Als Anfang 2004 der damalige EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein den Entwurf seiner Dienstleistungsrichtlinie präsentierte, waren Gewerkschaften und soziale Bewegungen entsetzt und leisteten grenzüberschreitenden Widerstand. Denn der „Bolkestein-Hammer“ zielte auf die Beseitigung zahlreicher sozialer Errungenschaften ab. Doch trotz der Proteste segnete das Europa-
parlament die Richtlinie im November 2006 ab. SozialdemokratInnen, Liberale und Konservative stimmten dafür, Grüne und Linke dagegen. In die Endfassung der Richtlinie wurden einige wenige, aber sehr löchrige Ausnahmen aufgenommen, unter anderem für Gesundheits- und soziale Dienst-
leistungen. Am 28. Dezember 2009 tritt sie schließlich in Kraft.

DGB

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Die Demo in den sonntäglich leeren Straßen macht am Ersten Mai einen absurden Eindruck. Ein Polizist berichtet von „keinerlei besonderen Vorkommnissen“. Im Vordergrund geht Peter Eberlen, der wenige Wochen später stirbt.


AMPER KLINIKEN

Die Arbeitsbedingungen in der Dachauer Filiale der Amper Kliniken AG sind erbärmlich. „Tipps für den rauen Alltag“ machen die Runde: „Du musst in deinem Frei und erst recht nicht in deinem Urlaub erreichbar sein. – Du darfst auch, falls du zu Hause angerufen wirst, einfach auflegen. –
Du musst in deiner Freizeit nicht dienstfähig sein. – Du musst auch selbst niemanden zu Hause anrufen, um Ausfälle auszugleichen. – Du darfst dir einen Befehlston verbitten. – Du darfst nach-
trägliche Änderungen im Dienstplan ablehnen. – Der Dienstplan ist bindend! Jede Änderung muss mit dir abgesprochen sein. – Minusstunden verpflichten nicht zum Einspringen. – Selbst wenn du nach offiziellem Dienstschluss länger bleibst, gilt: Die Höchstarbeitszeit beträgt 10 Std. pro Werk-
tag (§ 3 ArbZG). – Auszubildende müssen keine Überstunden leisten.“5

„’Gesprächskreis’ Pflege gescheitert – Seit Ende Juli 08 traf sich auf Betreiben der Geschäfts-
führung ein ‘Gesprächskreis Pflege’, da laut deren Auffassung ‘die Pflegeleistungen zunehmend öffentlich kritisiert’ wurden. Es nahmen Vorstand Uwe Schmid, Personalchef Claus Dietze, PDL Martin Bieg, der Betriebsrat/JAV, sowie 10 Pflegekräfte aus fast allen Stationen teil. Die Vorwürfe von ‘schlechter Pflege’ wurden bereits im ersten Treffen entkräftet. Fortan bestand die monatliche Runde nur noch aus Betriebsrat/JAV und den Pflegekräften. Dort wurden folgende Vorschläge
zur Verbesserung und Entlastung erarbeitet: Errichtung von Palliativ- und Isolationseinheiten, Errichtung einer Aufnahmestation, Wiedereinstellung von Stationssekretärinnen, Kommunika-
tionstraining für die PDL, Anpassung des Personal- ‘Benchmark’ an den realen Arbeitsaufwand, bessere Einarbeitung der Service-Kräfte, Besetzung der Nothilfe mit Pförtner. Es dauerte nach der Präsentation im November 3 Monate bis sämtliche Vorschläge am 18. März von der Geschäftsfüh-
rung abgelehnt wurden. Vielen Dank für die vergeudete Zeit!!“6

„7 Service Kolleginnen vor die Tür gesetzt! – Anfang Juni kam uns zu Ohren, dass 7 Kolleginnen aus dem Service der Vertrag nicht verlängert wurde. Grund hierfür dürfte das Anrecht sein, beim dritten Mal einen unbefristeten Vertrag zu erhalten. Die 7 wurden postwendend durch 7 neue ersetzt. Die Verträge des Service Personals sind befristet auf ein Jahr (zuletzt auch auf ein halbes Jahr), wovon die ersten 6 Monate Probezeit sind. Um die Untergebenen gefügig zu halten, ist Geldgebern wohl so manches Mittel recht. Dass die Neuen allesamt erst eingearbeitet werden müssen, ist der Preis, den es dafür zu zahlen gilt. Apropos zahlen: Die derzeit an den Amper Kliniken beschäftigten 53 Service Kolleginnen bekommen weder Wochenend- noch Feiertagszu-
schläge bezahlt! Aber das muss und wird nicht so bleiben. Dafür ist uns so manches Mittel recht. Her mit der Kohle – JETZT!“7

Am 17. August streiken und versammeln sich über Hundert Krankenschwestern und Pfleger der Amper Kliniken AG. Am Ende kommt ver.di zu einer Einigung über 2 Prozent mehr Lohn.8

„Vorgesetzte verbietet Service-Personal in ihrer Dienstzeit an Betriebsvollversammlung teilzuneh-
men – Öfter mal was neues und doch alles beim alten! Am heutigen Montag fand eine Betriebsvoll-
versammlung für die über 100 Beschäftigten der KDI Service GmbH statt. Neben Küchenpersonal und anderen stellen die KollegInnen des Patienten-Service fast die Hälfte der KDI MitarbeiterIn-
nen dar. Die Vorgesetzte des Service hat denen, die heute im Spätdienst eingeteilt waren, die Teil-
nahme mündlich verboten. Da die KDI Beschäftigten Wochenend- und Feiertagszuschläge erhalten und die KollegInnen des Service nicht, stellt sich die Frage, weshalb einem Teil von ihnen die Teil-
nahme an der Versammlung untersagt werden sollte, eigentlich nur noch rhetorisch. Allerdings flog die Sache schnell auf. Nachdem KollegInnen aus der Pflege darüber informierten, dass dies völlig unzulässig ist, fanden sich noch einige, wenn auch verspätet, bei der Versammlung ein.“9

DEHNER GARTENCENTER

Gegen Ende des Jahres beginnen die Auseinandersetzungen zwischen den Beschäftigten der Dehner Gartencenter und der Chefetage, die aus der Tarifbindung aussteigt. Die Streikaktionen dauern an bis 2011.

INFINEON

„Metaller bei Infineon trotzen Eis und Schnee — Die etwa 250 Beschäftigten der bayerischen Infineon-Standorte Regensburg, Neubiberg und München-Neuperlach demonstrierten vor der Aktionärsversammlung an der Münchner Messe. Schneesturm und Eis konnten sie nicht davon abhalten, gegen die Tarifpolitik ihres Arbeitgebers zu protestieren. ‚Das Unternehmen hat sich in der aktuellen Situation für ein Krisenmanagement gegen die Beschäftigten entschieden. Infineon verlangt Verzicht der Beschäftigten ohne Gegenleistung. Das machen die Kolleginnen und Kollegen bei Infineon und die IG Metall nicht mit’, so Sibylle Wankel, Verhandlungsführerin der IG Metall Bayern. Infineon hatte die Tarifverhandlungen über eine Rückkehr von Infineon zur Tarifbindung platzen lassen, nachdem sie sich trotz Zugeständnissen der IG Metall nicht einmal darauf einlassen wollten, den Beschäftigten den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für gerade einmal sechs Monate zuzusichern. (siehe auch: „Verhandlungen bei Infineon vorläufig gescheitert“) Martin Kimmich, zuständiger Betriebsbetreuer der IG Metall München: ‚Die Münchner und Regensburger haben zusammen ein Zeichen gesetzt. Wir meinen es ernst, ob die Sonne scheint oder es stürmt und schneit. Wir wollen Tarifbindung und Sicherheit für die Arbeitsplätze bei Infineon.’ 12.2.09.“10

KINDERBETREUUNGSEINRICHTUNGEN

Während des Streiks in den Münchner Kinderbetreuungseinrichtungen beteiligen sich am 23. Juni die Gewerkschaften an der Großkundgebung „München sozial – Wir halten die Stadt zusammen“.

MÜNCHNER VERKEHRSGESELLSCHAFT

„1. Warnstreik in der Tarifrunde Nahverkehr: Am 3. Februar blieben Busse, Tram- und U-Bahnen zu Schichtbeginn um 3.30 Uhr in den Depots. Es folgten 900 Fahrerinnen und Fahrer der Münch-
ner Verkehrs-Gesellschaft
(MVG) in München dem ver.di-Aufruf. 85.000 Überstunden, seit 2004 keine Lohnerhöhung mehr, Fahrpreiserhöhungen ohne das bei den Beschäftigten was ankommt, ständig steigender Arbeitsdruck das sind die Fakten. Die Fahrerinnen und Fahrer hoffen damit dem Arbeitgeber das Signal gegeben zu haben ‚Wir sind mehr wert’ … Danke an die Münchner ÖPNV-Fahrgäste.

Verkehrsbetriebe müssen Angebot deutlich verbessern – 1.3.09. Die Gewerkschaft ver.di bedankt sich bei den Münchner Fahrgästen für das Verständnis, das sie an den beiden Streiktagen im Februar den Bus-, U-Bahn- und Trambahnfahrern gegenüber zum Ausdruck gebracht haben. Heinrich Birner, ver.di-Geschäftsführer in München: ‘Ganz besonders danke ich auch dem Sprecher der Aktion Münchner Fahrgäste, Herrn Andreas Nagel, der auf der Kundgebung am Freitag für den Streik Verständnis zeigte.’ Gleichzeitig warb er aber auch dafür, dass sich die Fahrgäste und die Fahrer der öffentlichen Verkehrsmittel nicht auseinander dividieren lassen.

ver.di hofft, dass den Fahrgästen weitere Unannehmlichkeiten durch Arbeitsniederlegungen er-
spart bleiben. ‘Dazu müssen aber die kommunalen Verkehrsbetriebe bei den Verhandlungen am Montag, 2.3.2009, ihr bisheriges Angebot deutlich erhöhen,’ so Birner. ‘Die Gegenforderung nach einer unbezahlten Arbeitszeitverlängerung muss vollständig vom Tisch.’ Birner verweist darauf, dass die letzte Erhöhung der Monatsentgelttabelle im Jahr 2004 erfolgte. Seitdem gab es nur Einmalzahlungen, die nicht zu einer Erhöhung der Entgelttabelle geführt haben. Im Jahr 2007 wurden die Zuschläge für Nacht, Sonn- und Feiertagsarbeit verringert. Statt der von der Geschäfts-
führung der Stadtwerke München GmbH prognostizierten Verluste von rund 50 Euro mussten manche Fahrer monatliche Verluste in doppelter und sogar vierfacher Höhe hinnehmen. Die hohen Einkommenseinbußen kamen dadurch zustande, dass seit Mitte 2007 die zuschlagspflich-
tigen Nacht-, Sonntags- und Feiertagsstunden überwiegend an die billige Fremdfirmen übergeben werden.“11

SIEMENS

Siemens plant die Ausgliederung der IT-Dienstleistungssparte Siemens IT-Solutions and Services SIS mit 3.200 Beschäftigten in München und mit 9.700 bundesweit. Achthundert Beschäftigte de-
monstrieren auf dem Werksgelände in Perlach.12

„STRAFAKTION UND PROMPT FOLGENDE ENTLASSUNGEN BEI SIEMENS // Nach den / Korruptions- und / Bestechungsaffären / bei Siemens / werden jetzt endlich die / schuldigen / siebzehntausend / Siemens-Beschäftigten / entlassen“ Knut Becker13

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

Die Stuttgarter Zeitung hat vor etwa einem Jahr für 700 Millionen Euro den Süddeutschen Verlag und damit die Süddeutsche Zeitung übernommen. Die neue Geschäftsführung fährt einen harten Sparkurs. Geht ein Mitarbeiter, wird seine Stelle nicht mehr besetzt. Wer bleibt, muss die Mehr-
arbeit übernehmen. Ernst Antoni: „Eigentum verpflichtet. Süddeutsche Zeitung. Verlags- und Druckereibeschäftigte gegen Personalabbau.

Gegen den zunehmenden Personalabbau und die damit verbundene Qualitätsminderung der Ver-
lagsprodukte haben am 15. Oktober Redakteurinnen und Redakteure, Verlagsangestellte und Be-
schäftigte aus dem benachbarten SV-Druckzentrum vor dem neuen Hochhaus des Süddeutschen Verlages (SV) an der Hultschiner Straße protestiert. Hier befindet sich unter anderem die Redak-
tion der Süddeutschen Zeitung. Aufgerufen zu der Aktion hatten die Konzernbetriebsräte der zur Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH) in Stuttgart gehörenden Medienbetriebe SV und Medienholding Süd (MHS). An zahlreichen Konzernstandorten der SWMH fanden an diesem Tag ebenfalls Protestaktionen statt.

In München stand die mittägliche Kundgebung unter dem Motto ‚5 vor 12’. Harald Pürzel, SV-Konzernbetriebsratsvorsitzender und Vorsitzender von ver.di München, prangerte die ‚überzo-
genen Renditeerwartungen’ des Konzerns an und betonte: ‚Bei Verlagen und anderen Medienun-
ternehmen bedeutet Personalabbau auch, dass Vielfalt und Güte der Berichterstattung leiden wer-
den. Es besteht die Gefahr, dass die „Vierte Gewalt“ ihren Beitrag zur Meinungsbildung in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft nur mehr eingeschränkt wird leisten können.’

Schluss mit anspruchsvollem Journalismus: Ein ‚Qualitätsjournalismus’, wie man ihn bei der Süddeutschen Zeitung kenne, sei mit reduziertem Personal nicht mehr möglich. In der Werbung für die SZ heiße es: ‚Seien Sie anspruchsvoll’, in Wirklichkeit aber spare man auf Kosten der Beschäftigten und auf Kosten der Güte und der Vielfalt der Berichterstattung. ‚Das passt nicht zusammen und das wird von uns nicht hingenommen werden.’ Pürzel verwies auf Artikel 14, Grundgesetz: ,Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.’ Dieser Satz müsse ‚das Mantra der SWMH-Geschäftführer, Mir gäbet nix, mir nähmet nur!’ ersetzen.“14

(zuletzt geändert am 14.4.2019)


1 Knut Becker, Der Schein bestimmt das Bewusstsein, Rothenbuch 2009, 89.

2 Grafik: Bernd Bücking. In: Garnreiter/Mayer/Schmid/Schuhler, Krise. Rezension. Absturz – Wege aus der Krise, isw-Report Nr. 76, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., April 2009, 9.

3 Siehe „Offener Brief an den Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di Frank Bsirske“ und „Entscheidend sind die ‚domestizierten’ Werktätigen …“ von Wolf Dieter Krämer.

4 Foto: Franz Gans

5 Antigen. Betriebszeitung für die Amperkliniken. Von KollegInnen für KollegInnen 2 vom März 2009, 3.

6 Antigen. Betriebszeitung für die Amperkliniken – Newsletter vom 22. Mai 2009, www.betriebsgruppen.de/bgak

7 Antigen. Betriebszeitung für die Amperkliniken – Newsletter vom 10. Juni 2009, www.betriebsgruppen.de/bgak

8 Siehe „Streikrecht für Unorganisierte“ und „Warnstreik an den Amper Kliniken Dachau“.

9 Antigen. Betriebszeitung für die Amperkliniken – Newsletter vom 21. September 2009,

10 www.igmetall-muenchen.de/Archiv.146.0.html

11 Hrg. von ver.di-München, heinrich.birner@verdi.de.

12 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 17. Dezember 2009.

13 Knut Becker, Der Schein bestimmt das Bewusstsein, Rothenbuch 2009, 81.

14 Ver.Di Publik 11 vom November 2009, 6 (Regional).