Materialien 1967

Hitler erregt Anstoß

Schützenhilfe von Politikern für das Kampfblatt der Rechtsradikalen

Der braune Spuk hatte sich 1945 keineswegs verflüchtigt. Vielmehr tauchten gerade in München, der einstigen „Hauptstadt der Bewegung“, und im übrigen Bayern, wo so viele der früheren Bonzen wohnhaft oder bei Kriegsende hängen geblieben waren, alte und neue Nazis scharenweise auf. Viele konnten sich organisieren, sogar in Parteien, einigen gelang der Marsch in demokratische Gremien. Auch in der Publizistik gewannen die zunächst abgetauchten Ultrarechten wieder Oberwasser. Ihr Zentralorgan war die von München aus in der ganzen Bundesrepublik verbreitete „Deutsche Nationalzeitung“. Sechzehn Jahre lang konnte sie ihr braunes Süppchen kochen, nicht ohne Wohlwollen oder gar Mitwirken demokratischer Politiker. Ein Skandal, der plötzlich, wenn auch nur vorübergehend, zur Intervention führte.

Warum der Kopf Hitlers plötzlich ein „verbotenes Kennzeichen“ und seine Abbildung strafbar sein sollte, wollte dem Dr. Gerhard Frey gar nicht einleuchten. Denn der Chefredakteur und Alleininhaber der „Deutschen National-Zeitung und Soldaten-Zeitung“ (DNZ), der 1933 in Cham in einer wohlhabenden Familie geboren worden war, hatte schon immer gern Boulevard-Geschäfte gemacht mit dem Konterfei des „Führers“, ohne dass die Justiz gleich mit Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen geantwortet hätte wie am 19. Juli 1967.

Die Blitzaktion des Münchner Gerichtsassessors Hopfenberger hatte der forsche Frey denn auch flugs in Verbindung gebracht mit der „Spiegel-Affäre“ unseligen Angedenkens. Er fühlte sich zwar „terrorisiert“, erhoffte sich aber zugleich auch einen geschäftlichen Vorteil, nämlich eine Auflagensteigerung. Immer schon hatte er den erklärten Ehrgeiz, nicht nur eine der am weitesten verbreiteten, sondern auch „die beste politische Wochenzeitung in Deutschland“ zu machen.

Mit einer Druckauflage um die 100.000 und einem geschmalzenen Preis konnte das rechtsradikale Blatt aber auch ohne Beschlagnahme-Publicity ganz gut existieren. Und die paar Kleinanzeigen, in denen alte Orden oder „Qualitätswein mit Sonderpreisen für Soldaten und Kameraden“ angeboten wurden, machten das Kraut des Dr. Frey nicht extra fett. Mehr versprach er sich von der Solidarität so mancher „Kameraden“, die im In- und Ausland, in diversen Parteien und sogar in demokratischen Parlamenten dem Reiter an der Rechtsfront die Steigbügel hielten.

Schon die Geschichte des Skandalblatts enthüllt, dass hier nicht nur ein paar unverbesserliche Querköpfe am Werk waren. Im US-Internierungslager Garmisch von gefangenen NS- und SS-Männern geboren, erhielt das „antikommunistische Kampforgan“ der heimatlosen Rechten zeitweilig finanzielle Schützenhilfe von amerikanischer Seite und sogar vom Bundespresseamt. Zwar waren diese offiziösen Fäden längst gerissen (auf „Unabhängigkeit“ legte man in der DNZ-Redaktion besonderen Wert). Zwar hatten Regierungssprecher und Abgeordnete aller Fraktionen oftmals gegen dieses periodische Pamphlet Stellung genommen. Doch immer wieder fanden die Sirenentöne aus München-Pasing Widerhall, Zustimmung, ja Bekräftigung auch bei verantwortlichen Politikern.

„Mörder von morgen“ – So betonte der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Jakob Diel nach dem in Bonn allgemein beifällig aufgenommenen Warnruf des SPD-Abgeordneten Adolf Arndt („das ist die Sprache der potentiellen Mörder von morgen“) in einem Leserbrief an die „DNZ“ seine persönliche „Verbundenheit“ und „Identifizierung“. Auch ein FDP-Landesvorsitzender bekannte sich zur „Moral“ der Münchner Nationalisten. Deren latenter Antisemitismus sprach etwa aus Beiträgen des Studienrats Frank L. Huber, eines Bruders des bayerischen Kultusministers, der einmal Chef vom Dienst bei Frey war. Verlagsleiter war der CSU-Funktionär Emmerich G. „Schriftleiter“ Wilhelm G. war Redner in NPD-Versammlungen, während sich Frey selbst erst dann in den Bundestag wählen lassen wollte, „wenn eine nationale Partei echte Chancen hat“.

Nachdem 37 Persönlichkeiten, in der Mehrzahl Professoren, Theologen und Künstler, in einem Aufruf Schritte gegen den „Missbrauch der Meinungsfreiheit“ in dieser Zeitung gefordert hatten, sammelte der fixe Frey die Sympathie-Unterschriften von 103 anderen Zeitgenossen. Für die Meinungsfreiheit des rechtsextremen Wochenblattes setzten sich ein: 28 teils namhafte Rechtsanwälte, mehrere Professoren (darunter Weltraumpionier Oberth), 15 pensionierte Generäle, mehr oder weniger bekannte Künstler sowie ein CSU-Studentenfunktionär.

Sechzehn Jahre blieben die fortwährenden Hetz- und Hasstiraden ohne juristische Folgen. Erst ein „Führer“-Bild brachte 1967 – nachdem die Staatsanwaltschaft München schon seit Monaten wegen Verdachts der Völkerhetze gegen Frey ermittelte – das Fass zum Überlaufen. Dabei hatte ein freundlich lächelnder Adolf Hitler schon im Oktober 1965 die Frontseite geziert. Unter jener letzten Aufnahme des Diktators fand sich eine heftige Attacke gegen eine jüdische Wochenzeitung, die sich erlaubt hatte, den Verfassungsschutz auf die „Heckenschützen der jungen deutschen Demokratie“ aufmerksam zu machen. Damals hatte keine zuständige Stelle reagiert.

Man ist mit einem Mal sensibel geworden in Bayern, nachdem im November 1967 neben CSU und SPD erstmals die NPD mit 15 Abgeordneten in den Landtag eingerückt war und im Frühjahr 1967 erste Protestmärsche von Studenten und Gewerkschaften in München zu verzeichnen waren. Im bayerischen Finanzministerium zogen die Nachlassverwalter des NS-Erbes, soweit rechtlich überhaupt möglich, die Zügel an, weil im Ausland immer öfter Hitlers „Mein Kampf“ in Neuauflage gedruckt wird. Allein in den USA wurde die Nazi-Bibel über 400.000 Mal verkauft, wobei der Staat fleißig Tantiemen kassierte. Nun will man ausländischen Verlagen derlei Geschäfte „vergällen“, weiß aber nicht recht wie.

Was weiter geschah

Wie sich später herausstellte, waren mit Dr. Frey auch die bayerischen CSU-Politiker Alfred Seidl (Innenminister) und Theodor Maunz (Justizminister) eng verbunden. Juristisch war dem reichen Verleger schwer beizukommen. Der Versuch des Bundesinnenministers Ernst Benda (CDU), ihm Missbrauch der Pressefreiheit anzulasten, scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Und noch 2008 wurde der vom Freistaat Bayern geforderte Entzug des Waffenscheins gerichtlich verhindert. Politisch spielte der Mann auf verschiedenen Bühnen: Anfang der Siebzigerjahre gründete er die „Deutsche Volksunion“, die in mehrere Landesparlamente einrückte, sowie einen „Freiheitlichen Buch- und Zeitschriftenverlag“, der hauptsächlich NS-Devotionalien anbietet. Zeitweilig gehörte Frey der NPD an, mit der er sich immer wieder überwarf oder auch paktierte.

Karl Stankiewitz


Karl Stankiewitz, Weißblaues Schwarzbuch. Skandale, Schandtaten und Affären, die Bayern erregten, München 2009, 173 ff.