Materialien 1969
Polizeiaktion
Im Morgengrauen:
16 Wohnungen und AStA-Räume durchsucht
Mit etwa 250 Polizisten rückten in der Nacht vom 23. auf den 24. Manfred Schreiber, Staatsanwalt Emmrich und Staatsanwalt Nappenbach bei 16 „Objekten", wie es im korrekten Amtsdeutsch heißt, an. Ausgerüstet waren die Ordnungshüter mit Durchsuchungsbefehlen, denen § 86 JWG (Jugendwohlfahrtsgesetz) zugrunde lag: Beherbergung entwichener Fürsorgezöglinge.
Gemeint waren die Lehrlinge, mit denen die Südfront zusammenarbeitete, um eine Resozialisierung der meist aus dem Glonner Piusheim (ein Ghetto für schwer an die spätkapitalistische Gesellschaft anpassbare Jugendliche) entwichene Zöglinge zu erreichen.
14 linke Wohnungen, der Trikontverlag und der AStA der Universität München waren das Ziel jener Notstandsstreitmacht, die den Vorstoß in das verheißungsvolle Dunkel der Münchner APO antrat. Verheißen war den tapferen Verfechtern bundesdeutscher Sicherheit durch Recht und Ordnung viel.
So erhoffte man sich, neben Molotow-Cocktails, (so Manfred Schreiber auf einer Pressekonferenz vor 2 Monaten) Schusswaffen, Haschisch, verfaulte Foeti und vieles andere zu finden.
Den ahnungsvollen Scharfmachern verging die Freude am Durchsuchen, als sie sich mit Lumpen, Plastikhelmen und alten „Pillenlisten“ begnügen mussten. So konfiszierte man diesen Kram und funktionierte mathematische Manuskripte kurzweg in strategische Aufmarschpläne um, um wenigstens etwas in der Hand zu haben. Noch immer gehalten, einen Schein der Legalität zu wahren, brauchte man einen Grund, um diesen Gewaltakt zu vollziehen. So nahm man den, der schon seit 2 Monaten vorhanden war: die Südfront. Dort wo § 86 JWG nicht ausreichte, um auch in Räume, die auf dem Durchsuchungsbefehl nicht eingetragen waren, einzudringen, meldeten die Hüter des Gesetzes schlicht „Gefahr im Verzug“ an und verschafften sich mit Brecheisen Zutritt. Von welcher Gefahr die Rede war, vermochte kein Staatsanwalt oder Polizeichef zu sagen, auch der nicht, der sich noch so bedenkenlose über das Recht, das zu verteidigen es galt, hinwegsetzte.
Der Kanzler half der Polizei beim Suchen
Doch waren es nicht nur Handlungen des Justizministeriums, die die StPO zur Farce machten. Den Vogel schoss einer ab, von dem man schon viel gewohnt ist, der jedoch immer wieder mit neuen Überraschungen aufzuwarten vermag: Der CSU-hörige Huber-Lakai und Kanzler der Universität: Friedberger. Er beteiligte sich mit Hingabe am kleinen Eiersuchen in den AStA-Räumen ohne auch nur auf die Idee zu kommen, ein AStA-Mitglied zu verständigen. Obwohl er schon am Abend vor dem großen Schlag ins Wasser durch seine Parteifreunde in den Ministerien von der bevorstehenden Aktion erfahren hat, zog der Kanzler es vor, in Ruhe mit der Polizei zu mauscheln, anstatt sich von einem AStA-Mitglied dabei stören zu lassen, auch mal einen Blick in die Geschäfte der Studentenschaft zu werfen.
Nach so misslungener Aktion zogen sich die Frühaufsteher von Amts wegen auf ihre Dienststuben zurück, um aus dem erhofften Wolf wenigstens noch ein Wölfchen machen zu können.
Doch nicht einmal das konnte man den sonst so bereitwilligen Journalisten präsentieren. Diesmal, und das hat sogar die Presse erkannt, wars ein Rohrkrepierer.
MSZ. Münchner unabhängige Studentenzeitung. Sondernummer Oktober 1969, 1.