Materialien 1969

Verschiedene Reinhard Falk nahestehende Personen ...

von denen im einzelnen nicht feststeht, wie viele tatsächlich Studierende sind, hatten den Plan gefasst, in den Baracken in der Nähe der Akademie der Künste einen Kindergarten in eigener Regie aufzuziehen. Da ihnen das von dem zuständigen Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus nicht genehmigt wurde, veranstalteten sie am 13. März 1969 gegen 14.45 Uhr eine Demonstration vor dem Kultusministerium am Salvatorplatz.

Die Demonstranten zählten über 100 Personen. Unter ihnen befand sich außer einer Anzahl von Kleinkindern auch Reinhard Falk. Die Veranstaltung verlief zunächst so, dass die Kinder aus zwei mitgebrachten Säcken Papierschnitzel auf zwei Polizeibeamte warfen, die vor dem Eingang zum Ministerium postiert waren, um ein unbefugtes Eindringen zu verhindern. Die Polizeibeamten waren bald über und über mit Papierschnitzeln bedeckt, die sich um sie herum am Boden auftürmten. Während dieses Vorganges wurden ihnen zwei Kleinkinder in die Arme gedrückt, die sie wohl oder übel tragen mussten. Nach zwei bis drei Minuten allerdings begannen die Kinder zu weinen, weil sie durch die nun auch auf sie fallenden Papierschnitzel erschreckt wurden. Die Polizeibeamten stellten die Kinder daraufhin wieder auf den Boden.

Die Demonstranten riefen zeitweise in Sprechchören einen Text etwa folgender Formulierung: „Wir wollen einen Kindergarten! Ist der Kindergarten da, sind wir alle Omama!“

Zwischenzeitlich bewarfen nicht mehr nur die Kinder die Polizeibeamten mit Papierschnitzeln, sondern auch andere Teilnehmer an der Demonstration. Die Polizeibeamten wurden dadurch im Gesicht und an der Kleidung beschmutzt. Die Papierschnitzel aus den Säcken waren nämlich längst verbraucht. Um trotzdem Wurfmaterial zu haben, wurden die auf der Straße liegenden Papierschnitzel wieder verwendet. Da es vorher geregnet hatte, waren sie bald stark verschmutzt.

Dieser Vorgang hat sich etwa zehn bis fünfzehn Minuten hingezogen. Inzwischen waren weitere Polizeibeamte zum Salvatorplatz beordert worden, die dort für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Als die Polizeibeamten einen Demonstranten namens Rhein vorläufig festnahmen, sah Reinhard Falk das und beschloss, Rhein, wenn möglich, aus den Händen der Polizei zu befreien. Er stürzte zu Rhein und versuchte ihn in der entgegengesetzten Richtung zu ziehen. Dabei bekam er Rhein schließlich am Fuß fest zu fassen. Mehrere Polizeibeamte versuchten den Griff Falks um den Fuß von Rhein zu lösen.

Das gelang ihnen erst unter großer Anstrengung. Falk setzte sich dabei heftig zur Wehr, indem er mit Händen und Füßen um sich schlug. Als die Beamten aus dem durch diesen Vorfall entstandenen Tumult etwas heraus waren, wurde Falk die vorläufige Festnahme erklärt. Von diesem Zeitpunkt an setzte er sich nicht mehr zur Wehr und ließ sich zu einem Polizeifahrzeug führen …


Urteil des Amtsgerichts München gegen Reinhard Falk1 vom 22. Oktober 1969, 6 ff. In: Birgit Rauscher: Die Münchner Kunstakademie 1968 bis 1970, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

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1 Der am 25. April 1951 geborene Lehrling Reinhard Falk wurde dafür, dass er an der Besetzung der Kunstakademie am 20. Februar 1969 teilnahm, zu zehn Monaten Jugendstrafe verurteilt. Wegen der selben Tat (Hausfriedensbruch) erhielten die Studenten je 200,- DM Geldstrafe und wurden später amnestiert.

Überraschung

Jahr: 1969
Bereich: Kinder

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