Materialien 1969
Repressionsfreie Kindererziehung
UNI-KINDERTAGESSTÄTTE e.V.
Seit Adam und Eva gibt es Kinder. Seit Adam und Eva wird die Kindererziehung in der Familie geleistet oder auch nicht. Die Zeiten der patriarchalischen Großfamilie sind vorbei, in denen liebe Omas und Tanten der überforderten „Gehilfin“ des Mannes „selbstlos“ zur Seite standen. Die Wirklichkeit in der heutigen Kleinfamilie sieht anders aus, als sich das die Familienideologie von CDU/SPD träumen lässt. Für nur ein Drittel der Kinder über drei Jahren stehen Kindergärten zur Verfügung. Bei Kinderkrippen sieht es noch wesentlich schlimmer aus, alle sind zudem hoffnungslos überbelegt. Soziologische, psychologische und pädagogische Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte sind zumeist spurlos an ihnen vorübergegangen. Übereinstimmend wird von Wissenschaftlern festgestellt, dass die heutige Situation in Kleinfamilien und Kindergärten, sprich: Kinderverwahrungsanstalten, einen großen Teil der Kinder neurotisiert. Die Kinder sind wehrlose Opfer gesellschaftlicher Zustände.
Dass Studenten Kinder haben können, wird von Universität und Kultusbürokratie bis jetzt ignoriert. Diese Kinder sind durch die schwierige Situation ihrer Eltern in erhöhtem Maße den repressiven Einwirkungen der Gesellschaft ausgesetzt. Stipendien werden weiterhin nach den (groß)elterlichen Einkommen vergeben, die Situation der Studentenehepaare wird nicht berücksichtigt. Wohnungen stehen kaum ausreichend zur Verfügung, von Krippen und Kindergärten gar nicht zu reden. In den meisten Fällen gibt die Frau das Studium auf, jobbt oder wird Hausfrau und Mutter, jede Möglichkeit der Emanzipation geht verloren, die autoritäre Kleinfamilie reproduziert ihre Charakterstruktur in den Kindern. Wenn sie weiterstudiert, ist sie unter dem Druck ihrer von der Gesellschaft als naturgegeben und zur Privatangelegenheit erklärten Doppelbelastung unfähig, sich kritisch zu ihrem Studienfach zu verhalten. Der für das wirtschaftliche Wachstum bzw. die Reproduktion erforderliche output an angepassten Akademikerinnen (besonders Lehrerinnen) ist gesichert. Der im Huber-Plan vorgesehene reglementierte Studienablauf verschärft die Situation noch erheblich.
Die Erziehung der Kinder ist nicht Privatsache ihrer Eltern, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir müssen unsere Bedürfnisse selbst organisieren, auch wenn das den Bürokraten nicht passt. Mit dieser Überlegung gründeten wir, d.h. Studenten mit und ohne Kinder, Psychologen, Kindergärtnerinnen und Architekten, die Basisgruppe Kindergarten.
Das Konzept einer antiautoritären Erziehung, an dem wir arbeiten, lässt sich nicht in einem Flugblatt vermitteln. Wir gehen aus von der Erkenntnis der Psychoanalyse, dass die Ursache für die Entstehung des autoritären Charakters in der Unterdrückung der kindlichen Sexualität und aller damit zusammenhängenden Bedürfnisse (z.B. Bewegungsdrang) zu sehen ist. Daher: Größtmögliche Triebbefriedigung, repressionsfreie Anpassung an die Realität, aber keine kritiklose Anpassung an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, vielmehr die Schaffung einer jeweils spezifischen Widerstandskraft gegen die Zwänge der Gesellschaft.
Für eine solche Erziehung ist die praktische und theoretische Mitarbeit der Eltern nötig. Damit kommen nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern aus der repressiven Kleinfamilie heraus, analysieren sich und die Gesellschaft, deren Kinderfeindlichkeit sie nicht mehr vereinzelt ausgeliefert sind, lernen kollektiv zu arbeiten und kollektiv Verantwortung für eine Gruppe von Kindern zu tragen.
Hier wird der Huber-Plan unterlaufen. Die Anpassungsmechanismen funktionieren nicht. Wir fangen schon immer an, den neuen Menschen für die neue Gesellschaft zu erziehen (vorausgesetzt, Kumi, Uni-Verwaltung, Stadtverwaltung etc. finden keine neuen Tricks, um das Kindergartenprojekt zu vereiteln).
Erika Völker, Ursula Born, Basisgruppe Kindergarten
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KINDERGARTEN IM LICHTHOF DER UNI
Räume und Geldzusagen für den Uni-Kindergarten sind seit langem „gesichert“: Seit dem Auszug der obersten Baubehörde stehen im Leopoldpark geeignete Baracken, die von der Uni nicht beansprucht werden, leer. Für die Zusprechung an den Kindergarten existiert vom Kultusministerium eine mündliche Zusage, vom OB Vogel eine Zusage über DM 10.000, vom Konvent (der Uni) ein Beschluss über DM 120.000 und die Caritas hat eine Ausfallbürgschaft von DM 30.000 in Aussicht gestellt.
Die Einlösung der Versprechungen ließ auf sich warten, nach monatelangem Kampf mit Kumi, Uni und Stadt, nach immer neuen Vertagungen, Zuständigkeitsfragen, Vertröstungen und Aufschiebungen und anderen bürokratischen Verzögerungstaktiken ist die Basisgruppe Kindergarten nicht länger gewillt, diesen Zustand hinzunehmen und hat ihr Projekt demonstrativ, wenn auch provisorisch in die Tat umgesetzt: seit Dienstag, den 10.6. dient der Lichthof der Universität als weiträumiger Spielplatz, sogar mit Sandkiste und Wasserplanschbecken, nachdem die Kinder spielend die Uni besetzt hatten.
Damit ist der Mangel eines Kindergartens augenfällig geworden, und zugleich können endlich einige Studentinnen wieder ihre Vorlesungen besuchen. In die Vorlesungen mitgenommen, erregten die Kinder zwar meist mitleidiges Interesse, aber die Schwierigkeiten ihrer Mütter wurden als Einzelfälle bald wieder vergessen. (Studentinnen haben keine Kinder in die Welt zu setzen oder sie sollen das Studium abbrechen!) Der Uni-Kindergarten will nicht nur individualistisch die Probleme der Studentinnen mit Kindern lösen, „der anti-autoritäre Uni-Kindergarten soll nicht nur ein paar Studentenkinder etwas freier, als es sonst üblich ist, erziehen und damit einer privilegierten Gruppe – was trotz aller Schwierigkeiten auch Studenten mit Kindern noch sind – ein weiteres Privileg zukommen lassen, sondern er soll mit seiner Praxis die issstände in den bestehenden Einrichtungen zur Kinderaufbewahrung aufzeigen. Er soll die Kindererziehung als ein soziales Problem erkennbar machen, das bisher weitgehend verdeckt war und nur einige engagierte Einzelkämpfer zum hoffnungslosen Kampf gegen starre Institutionen verurteilte.
(aus einem Flugblatt der Basisgruppe Kindergarten)
Unsere LICHTHOF-AKTIONEN mit den Kindern haben Erfolg gehabt: die Uni-Administration gibt die Baracken im Leopoldpark frei!!!!!!!!
Aber nicht für uns, nicht für die Basisgruppe „Universitätskindertagesstätte e.V.“, die seit Monaten mit der Universität, dem Kumi, der Stadt etc. diskutiert, verhandelt und alle notwendigen Vorarbeiten (praktische & theoretische) geleistet hat.
Freigegeben dagegen werden die Baracken für Herrn Hellbrügge, Prof. für soziale Pädiatrie, wissenschaftlicher Beirat des ehemaligen Springer-Magazins „ELTERN“ und Leiter eines Kindergartens, der mit den sanft-repressiv-leistungsorientierten Methoden von Maria Montessori geführt wird.
EIN Gespräch zwischen einer sog. „anerkannten Autorität auf dem Gebiet der Kindererziehung“ und Rektor SCHEUERMANN hat genügt, Zugeständnisse zu ermöglichen, um die wir, die Basisgruppe KINDERGARTEN, seit Monaten kämpfen!
Plötzlich gibt es keine Probleme mehr: freigegeben werden Baracken, Gelder usw., und alles das vom Rektor der UNI, der sich bislang in keiner Weise um unser Projekt gekümmert hat.
Wir lernen:
1. Eigeninitiative gilt nicht.
2. Selbsttätigkeit führt zu nichts.
3. Eltern, Studenten, Psychologen, Soziologen, Erzieher sind nicht geeignet, mit Kindern zu leben und zu arbeiten.
Mit unseren Kindern arbeiten soll und kann ausschließlich (im Sinne der UNI) Prof. Hellbrügge, dessen Erziehungskonzept die Mitarbeit der Eltern „theoretisch begründet“ ausschließt, der es aber schon zulässt, dass „Anregungen mit nach Hause genommen werden können“… usw. usw.
Wir wehren uns dagegen, dass unsere Gruppenarbeit diskreditiert wird (z.B. durch Uni-Flugblätter wie „Wer verzögert den Kindergarten“, wo ziemlich schamlos mit halben Wahrheiten argumentiert wird).
Wir wehren uns dagegen, dass unsere theoretischen und wissenschaftlichen Vorstellungen über KINDER-ERZIEHUNG (anti-autoritär) diffamiert werden zugunsten von denen eines Professors, der wohl ausschließlich wegen seines Titels das ganz große Ohr der Administration gefunden hat (und schon früher auch das des Axel Caesar Springer).
WIR werden auf die Baracken nicht verzichten!!!!!!!!!!!!!!
Wir werden unsere Kinder in diesen Baracken nach unseren Vorstellungen erziehen.
Flugblatt der Basisgruppe „Universitätskindertagesstätte e.V.“
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SCHAFFT EINS, ZWEI, DREI, VIELE SPIELPLÄTZE!
I. Flugblatt der Basisgruppe Neuhausen
Die Basisgruppe Neuhausen hat als erstes Projekt ihrer Arbeit die Schaffung von Kinderspielplätzen vorgesehen. Im Wohngebiet Neuhausen besteht ein großer Mangel an solchen Plätzen. Geeigneter städtischer Grund ist vorhanden:
1. der vorhandene Spielplatz in der Blutenburgstraße, der aber völlig ungenügend ausgestattet ist,
2. ein Rasen beim Finanzamt Deroystraße.
Wir sind der Auffassung, dass durch gemeinsame Aktionen im Wege der Selbsthilfe erreicht werden kann, Kinderspielplätze zu schaffen.
Unsere Aktion würde auch die zuständigen Stellen der Stadtverwaltung, die bisher nur durch Untätigkeit geglänzt hat, in eine unangenehme Lage bringen. Dieser Fall ist insofern politisch, als die Münchner Stadtplanung nicht an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert ist, sondern den Stadtgrund den Profitinteressen einzelner Firmen ausliefert.
Unser Anliegen an Sie:
1. Wenn Sie Kinder haben, unterschreiben Sie bitte beiliegende Liste,
2. sammeln Sie möglichst weiter Unterschriften in Ihrer Gegend und schicken Sie ausgefüllte Listen an obenstehende Adresse,
3. wenn Sie an der Vorbereitung und Durchführung unserer Aktion Interesse haben, dann kommen Sie bitte zum wöchentlichen Treffen der Basisgruppen. Treffpunkt Gaststätte „Dammhirsch“ Ecke Blutenburg-/Birkenstraße, Mittwoch, 20.00 Uhr
II. Wie wir einen Spielplatz einrichten möchten
Nicht nur in Neuhausen, in ganz München besteht ein akuter Mangel an Spielplätzen, die meisten Kinder müssen auf der Straße, auf Baustellen oder im Hof spielen, ständig bedroht vom Verkehr. Solange nicht für jeden Straßenzug oder größeren Baukomplex ein Spielplatz zur Verfügung steht, solange muss der Bedarf als ungedeckt betrachtet werden und doch bleiben manche Spielplätze ungenutzt. Der Grund ist ihre Verwahrlosung oder ihre phantasielose und kümmerliche Ausstattung, die sie für Kinder uninteressant macht. Der obligate Sandkasten ist nur für die Kleinsten von Bedeutung (etwa bis zum 5. Lebensjahr), den Größeren bleiben einige sterile Klettergeräte, die jede Eigeninitiative der Kinder verhindern. Sie bieten höchstens die Möglichkeit körperlicher Bewegung, die aber dennoch kein Austoben ermöglichen, den Bewegungsdrang nicht ausreichend befriedigen und den aufgestauten Aggressionen kein Ventil bieten. Meist sitzt zudem eine ganze Mütterschar um den Spielplatz herum, die beständig ins Spiel eingreifen kann und bereits durch ihre passive Beaufsichtigung auf das Spiel der Älteren hemmend wirkt. Diese Spielplätze fördern weder Forschungsdrang und Phantasiekraft, noch bieten sie die Möglichkeit für die Kinder, ihre Fähigkeiten zu sammeln, da sind Straßen und Baustellen interessanter!
Wenn wir neue Spielplätze fordern, dann denken wir an andere, wie z.B. an den „Abenteuerspielplatz“ im Märkischen Viertel in Berlin, der ein Spielen ermöglicht, wie es notwendig für eine natürliche und befriedigende Entwicklung des Kindes ist. Im Spiel setzt sich das Kind mit der Umwelt auseinander, sowohl der dringlichen als auch der psychischen, im Spiel entfaltet es sexuelle wie aggressive Triebe, reagiert sie ab, befreit sich von ihnen, lernt mit ihnen umzugehen und sie zu beherrschen (nicht zu unterdrücken). Im Spiel werden manuelle Fähigkeiten erprobt, durch Erfolg oder Misserfolg die Einschätzung des eigenen Könnens gelernt und Austragung von Konflikten geübt – es ist also entscheidend für die Realitätsbewältigung des Kindes, für seine Auseinandersetzung mit materieller und gesellschaftlicher Umwelt.
Das Beschäftigungsmaterial auf dem Kinderspielplatz darf deshalb nicht (nur) typisches Kinderspielzeug. Sein, es soll aus der Welt der Erwachsenen stammen, die das Kind nachzuahmen sucht, die ihm unentwegt Anlass zu Fragen und Problemen gibt. Geräte wie Schreibmaschinen, Telefon, Haushaltsgeräte, die sonst nur den Erwachsenen vorbehalten bleiben, die zumeist nicht berührt werden dürfen, können auf ihre Funktion und die Art des Funktionierens untersucht werden, zerlegt und in Einzelteilen neu verwendet werden. Wichtiger aber ist noch das Material, das nicht schon fertig, sondern noch formbar ist, das erst zusammengebaut werden muss und deshalb die Phantasie anregt, so dass z.B. Holz, Säge, Hammer und Nägel und andere Werkzeuge, (Back)Steine, Pappe, Papier und verschiedenes Bastelmaterial ausreichend vorhanden sein müsste. Wenn ängstliche Eltern nun entsetzt an die Gefahren denken, die ihren Kindern dabei drohen könnten, sei ihnen gesagt, dass die Unfallquote keinesfalls höher als auf anderen Spielplätzen ist (wie auf dem Berliner „Abenteuerspielplatz“ nach einem Jahr festgestellt werden konnte), entscheidender aber ist, dass man Kinder nicht nur schützen darf, wenn ihre Persönlichkeitsentwicklung voranschreiten soll. Die Kinder lernen nämlich beim Ungang mit Werkzeugen oder beim Feuermachen die Folgen ihrer Handlungen abzuschätzen – lernen sie das nicht, so werden sie später unterschätzt oder überfordert werden, auch von sich selbst. Bei richtig dosierten Gefahren werden sie körperlich und geistig unabhängig, lernen ihre eigenen Möglichkeiten zu erkennen und richtig einzuschätzen.
Eine andere Funktion als diese Experimentierspiele haben die Spiele, in denen die Rollen der Erwachsenen nachgeahmt werden. Höhlenartige Unterschlüpfe, Zelte oder Verschläge sollen Raum für Familien-, Schul- oder sonstige Gruppenspiele bieten, in denen das Kind unangenehme, ängstigende, weil unverstandene Situationen darstellt und sie damit begreift und überwindet, Konflikte noch einmal nachvollzieht und dadurch bewältigt. Indem die starke Gefühlsregung durch das nochmalige Erleben abreagiert wird (was dadurch geschieht, dass das passive Erleben aktiv gestaltet wird), kann das Kind sie beherrschen lernen. Das Spiel wird auch oft von dem Wunsch geleitet, groß und erwachsen zu sein, die Kinder ahmen die Erwachsenen nach und üben im Gruppenspiel soziales Verhalten, beim Bauen und Graben, beim Kochen auf einer offenen Feuerstelle und beim Basteln wird das Herstellen von Produkten verbunden mit neuen, aufregenden Erfahrungen, ohne in den Produktionszwang von Arbeit umzuschlagen, es kann noch Selbstverwirklichung ohne Entfremdung sein. Dadurch ist das körperliche Austoben keineswegs überflüssig geworden. Möglichkeiten zum Klettern (aber eher auf Bäumen und unübersichtlichen Labyrinthen als auf den langweiligen Turngeräten) und Fußballspielen werden weiterhin gebraucht, da sie auch aggressionslösend sind, während beim Raufen und Ringen, wie Freud entdeckte, sexuelle Regungen zum Ausdruck kommen. Der Platz muss also groß genug sein, um dem allem Rechnung zu tragen.
Was aber passiert mit den Kleinen auf so einem Platz, wie können sie sich zwischen den wilden Spielen der über das Kindergartenalter Hinausgewachsenen behaupten? Im Märkischen Viertel waren die mitgebrachten kleinen Geschwister anfangs tatsächlich ein Problem und gaben auch Anlass zu Streit. Das hat sich inzwischen geändert: Sie werden jetzt nicht mehr als hemmend empfunden, sondern akzeptiert und geschützt, ja teilweise sogar ins Spiel integriert und von den Größeren angeleitet, die auf diese Weise soziales Verhalten gelernt haben: Schutz und Verantwortung für Schwächere, nicht anbefohlen von den Eltern, sondern im Umgang mit den Kleineren. Ein Abenteuerspielplatz braucht natürlich Aufsicht, aber bestimmt nicht vom ängstlichen Mütterkollektiv, das allzu gern eingreift. Denn bis auf Ausnahmefälle, wo ein Kind geschützt oder aber, wenn es neurotisch bedingte Spielhemmungen hat, zum Spielen angeleitet werden muss) bis auf diese Ausnahme soll das Prinzip des Nichteinmischens praktiziert werden. Erwachsenenaktivität darf nur beratende, nie anordnende oder verbietende Funktion haben, entweder, wenn sich ein praktisches Problem, etwa beim Bauen, ergibt, oder aber wenn es den Kindern nicht gelingt. Einen Konflikt zu lösen, und sie von selbst kommen, kann man ihnen Vorschläge unterbreiten.
Bei der Realisierung eines solchen Spielplatzes werden vor allem zwei Schwierigkeiten auftauchen. Die erste ist, dass die in der Nähe wohnenden Leute sich über den Lärm und den Rauch beschweren werden. Da in Berlin, als Grund von Klagen die Phonstärke gemessen wurde, festgestellt wurde, dass der Straßenlärm durchaus noch stärker sei als der Krach der Kinder (über 70 gegenüber maximal 60), kann man daraus schließen, dass dies vor allem ein psychologisches Phänomen ist, das der nicht repressiven Erziehung insgesamt Schwierigkeiten macht. Die Erwachsenen, deren Spieltrieb und sexuelle Aktivität in ihrer Kindheit oft beschränkt oder gar unterdrückt wurden, empfinden oft einfach Neid, den sie dann rationalisieren, indem sie sich über den Lärm beschweren. Helfen könnte da höchstens, dass man ihnen die wahre Ursache ihres Unmuts erklärt.
Ein zweites Problem ist natürlich das Geld, da außer für die erstmalige Einrichtung laufend neue Materialien besorgt werden müssen. Die Berliner Lösung, die Gründung eines „Elternvereins zur Förderung des Abenteuerspielplatzes Märkische Heide“ scheint nicht ganz geglückt, da sich dort bald Vereinshierarchie und bürokratische Positionen, die mit Intrigen erkämpft und verteidigt werden, einschlichen. Prinzipiell ist aber die Aktivierung der Eltern durchaus politisch richtig, da hier der Bewusstseinsprozess in Gang gesetzt werden kann, dass das kollektive Vertreten von Interessen wichtig und allein erfolgreich ist. Der Bürokratisierung kann entgegengewirkt werden, wenn es sich, wie es in München der Fall ist, nicht um die Erhaltung eines schon von der Stadt eingerichteten, sondern erst um den Kampf eines solchen geht. In der Überwindung der Hemmnisse bei der Realisierung des Plans kann politisches Bewusstsein geweckt werden und gemeinsam die Organisationsform erarbeitet werden, die auch die Verwaltung von Geld ohne Vorstand möglich macht und bereits Ausdruck weitgehender Basisarbeit ist.
Renate Meisenheimer
apo press. Informationsdienst für die Außerparlamentarische Opposition 21/II vom 10. Juni 1969, 11 ff.