Materialien 1969
Schwierigkeiten bei der Praktizierung antiautoritärer Erziehung
am Beispiel „Aktion antiautoritäre Erziehung München-Ost“
Seit Septemberbeginn hat die Kindergartengruppe Ost mit der praktischen Arbeit begonnen: Fünfzehn Kinder, ein Sozialpädagoge als ständige Bezugsperson und jede Woche wechselnd ein Elternteil versuchen gemeinsam repressionsfrei miteinander umzugehen. Theoretische Vorbereitung von einigen Monaten war jedoch vorangegangen, auch gruppendynamisch von erheblicher Bedeutung.
Denn antiautoritäre Erziehung im Kindergarten erfordert eine möglichst homogene Elterngruppe, die sachlich und persönlich zusammengefunden haben muss – ein Anspruch, der übrigens bisher in keiner der Münchner Gruppen erfüllt wird. Ein antiautoritäres Erziehungsmodell scheint nämlich für viele Linke, die sich zwar antiautoritär dünken, schwer realisierbar zu sein .Sie schrecken spätestens zurück, wenn sie begreifen, dass die Mitarbeit der Eltern nicht nur praktische Forderungen stellt, sondern dass
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die Haltung ihrer Kinder zu ihnen selbst verändert wird (da den Kindern die Ablösung leichter fällt), dass
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die Forderung ihres sich befreienden Kindes unterdrückte Triebansprüche bei ihnen selbst zum Vorschein und ins Bewusstsein bringt, so dass die Verdrängung ihnen zumindest schwerer fallen dürfte, und dass sie dadurch
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ihr eigenes Verhalten zueinander und zu dem Kind ändern müssen. Denn das Kind kann nicht in zwei Normwelten leben, das ist schon für Erwachsene nicht zu bewältigen. Es darf nicht erleben, dass ihm zu Hause verboten wird, was es im Kindergarten darf. Im Interesse der Kinder dürfen Eltern, die den Willen zur Selbständerung nicht mitbringen, nicht aufgenommen werden. Ein antiautoritärer Kindergarten ist keine Verwahranstalt. Die Entwicklung von Aufnahmekriterien ist deshalb eine wichtige Aufgabe. Im Ost-Kindergarten sind bisher zwei Elternpaare von selbst zurück – bzw. ausgetreten; im Kindergarten Königinstraße wurde die Möglichkeit des Ausschlusses diskutiert und erwogen. Eine längere Beteiligung von Eltern, die daran interessiert sind, dass ihr Kind aufgenommen wird, an den wöchentlichen Gruppenabenden wurde in beiden Kindergärten als nötig und als die günstigste Art des gegenseitigen Kennenlernens erachtet (zumindest bis der zu gründende Zentralrat Informationsabende dafür durchführen kann).
Die Schwierigkeit der Probleme erfordert aber nicht nur ein sachliches Vorverständnis und gewisse Übereinstimmung in Ziel und Methode (die natürlich immer erst allmählich erarbeitet werden müssen), sondern auch gegenseitiges Vertrauen und Verständnis. Man muss kritisieren können, ohne dass sich jemand angegriffen fühlt, man muss protestieren können, ohne dass dies als Verteidigung aufgefasst wird. Allmählich müssen sich Verhaltensregeln ergeben, die die Erörterung „persönlicher“ Schwierigkeiten möglich machen. Denn das Hauptproblem für die Praktizierung antiautoritärer Erziehung sind die Eltern: bei ihnen haben sich die Reaktionen, Verhaltensweisen und Fixierungen aus ihrer Kindheit bereits so verfestigt, dass für sie die Übertragung intellektueller Einsichten auf ihr Leben sehr mühsam ist.
Im Ost-Kindergarten ist der Gruppenprozess bisher recht dynamisch verlaufen. Aggressionen zeigten sich häufig dabei förderlich, weil die echten Reaktionen dabei zum Vorschein kamen. Beschreibung kindlichen Verhaltens wird von den betreffenden Eltern nicht mehr nur als Tadel an ihnen verstanden, wobei jetzt allerdings die umgekehrte Gefahr auftaucht, dass Kritik geschluckt wird, ohne zu weiterführender Diskussion anzuregen, ohne Energie für einen Neuansatz freizumachen. Gerade unbewusste Gegeneinstellung zum Kindergarten äußert sich in übertriebener Neutralität. Diese Verhaltensweisen können jedoch alle nur Zwischenstadien sein, früher oder später müssen sich die Eltern dem Problem der persönlichen Konfrontation stellen, d.h. entweder die Konsequenzen für sich selbst ziehen oder die Gruppe verlassen.
Hinderlich stehen der Lösung dieser Aufgabe die zahllosen technischen Schwierigkeiten im Weg, die eine autoritär strukturierte Umwelt einem ihr feindlichen Erziehungsmodell entgegensetzt. Sie kosten viel Zeit und Energie und eignen sich somit vorzüglich für die Verdrängung psychischer und gruppendynamischer Probleme.
Finanzielle Probleme
Die meisten städtischen und kirchlichen Kindergärten werden durch öffentliche Gelder unterstützt. Um diese Chance auch zu haben, konstituierten sich alle vier bisher bestehenden antiautoritären Kindergärten Münchens als eingetragene Vereine (Königinstraße, Ost, Akademie und Uni). Der Akademie-Kindergarten erhielt daraufhin DM 16.000,- Einrichtungskosten ersetzt und außerdem einen laufenden Zuschuss pro Kind, er wird jetzt auch unter Oberaufsicht der Stadt geführt. Die Entscheidung über den Kindergarten Königinstraße wird vermutlich von der Stadt noch lange hinausgezögert. Auch im Osten müssen die Kosten bisher von den Mitgliedern allein getragen werden.
Die Einrichtung kann, auch wenn möglichst viele Arbeiten von der Gruppe selbst übernommen werden, nicht beliebig einfach gehalten werden, da z.B. die Art der Analkabinen (sanitäre Anlagen) vorgeschrieben ist. Aber auch die laufenden Kosten für Miete, Gehalt der Kindergärtnerin, Essen, Strom, Reparaturen, Spielzeug etc. können etwa nur zur Hälfte von den monatlichen Beiträgen gedeckt werden (90 bis 105 DM pro Kind, bei Geschwistern weniger), selbst wenn manche Eltern freiwillig mehr bezahlen. Denn mehr als fünfzehn Kinder’ werden nicht aufgenommen, auch das ist schon die oberste Grenze (zum Vergleich: städtische Kindergärten haben oft vierzig bis fünfzig Kinder).
Wenn er sich nicht, wie der Kindergarten Königinstraße, hoch verschulden will, ist der Ost-Kindergarten darauf angewiesen, einen mietfreien Raum zu finden, da der bisherige bei der Arbeiterwohlfahrt zu klein und auch sonst unzureichend ist. Der Akademie-Kindergarten hat eine Baracke im Akademiebereich, über die aber die Stadt verfügt, mit Hilfe von Spenden in eigener Arbeit aufgebaut, und der Uni-Kindergarten kann, weil ihm das Rektorat die in Aussicht gestellten Räume verweigert hat, nicht eröffnet werden. (Vgl. „apo press“ 2/II)
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Kiga–Universität
Nachdem der Rektor der Universität München, Prof. Scheuermann, die Baracken im Leopoldpark der „Aktion Sonnenschein“, Prof. Hellbrügge vermietet hat, hat die Basisgruppe einen provisorischen Kindergarten in den Räumen des ASTA-Hauses in Betrieb genommen. (Mitarbeit von Medizinern, Psychologen usw. gesucht!) Die Forderung an die Universitätsbürokratie lautet, weiter Freigabe der Baracken für die Basisgruppe, die sich seit Urzeiten mit der Einrichtung des Kindergartens beschäftigt und alle juristischen und technischen Bedingungen erfüllt hat, die vom Ku-Mi gefordert wurden.
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Raum Erfordernisse
Der Raum muss eine Reihe von Bedingungen erfüllen, auf die andere Kindergärten nicht zu achten brauchen. Eine bestimmte Größe von mindestens 60 qm ist erforderlich, am besten sind mehrere Zimmer, damit ein Matchraum eingerichtet werden kann und damit die verschiedenen Gruppen, die im Lauf des Spiels entstehen, sich nicht gegenseitig stören. So braucht man zum Bauen, Vorlesen und Erklären (insbesondere für die vorschulische Erziehung der Fünfjährigen) und nicht zuletzt zum Schlafen einen extra Raum.
Eine Kochplatte muss vorhanden sein, so placiert, dass die Kinder mitkochen können. Der Waschraum muss Überschwemmungen gewachsen sein. Die Wände müssen bemalt werden können.
Außerdem erfordert ein antiautoritärer Kindergarten eine besondere soziale Umgebung – auch wenn die Konfrontation mit der Umwelt im Rahmen der kompensatorischen Erziehung wichtig und erstrebenswert ist, so dürfen die Repressionen doch nicht so groß sein, dass der tägliche Ablauf bedroht wird. So rotten sich die Mütter auf dem Spielplatz im Englischen Garten, wohin der Kindergarten Königinstraße zu gehen pflegt, gegen die Kindergärtnerin zusammen und hetzen ihre Kinder gegen die des Kindergartens auf. Den Kindern im Osten rannten die Putzfrauen der Arbeiterwohlfahrt mit dem Besenstil nach, um sie zu schlagen, häufige Beschwerden der Umgebung oder Kontrollen des Gesundheitsamtes erfordern gute Nerven für die mitarbeitenden Erwachsenen.
Erst wenn die technischen. Vorbedingungen erfüllt sind, kann man zu dem kommen, was als das Eigentliche der antiautoritären Erziehung betrachtet wird, dem Gruppenprozess bei den Kindern. Bis jetzt ist es nur möglich, Kinder zwischen drei und sechs Jahren aufzunehmen, jüngere Kinder, die noch Windeln und mehr Schlaf brauchen und deren Bedürfnisse noch sehr verschieden sind von denen der Älteren (insbesondere brauchen sie viel intensiveren und häufigeren Kontakt mit der Bezugsperson), können wegen der entstehenden Mehrkosten nicht aufgenommen werden. Es müssten zwei Gruppen gebildet werden und man bräuchte erheblich mehr mitarbeitende Erwachsene.
Auch mit Drei- bis Sechsjährigen ist der Gruppenprozess kompliziert genug, da im Elternhaus unterschiedlich erlernte Verhaltensweisen die Beziehungen der Kinder zueinander erschweren. Die Aggressions- und die prinzipielle Affektbereitschaft variiert von völliger Unterdrückung bis zum Ausleben mit allen Zwischenstufen. Damit die einen nicht überfordert werden, muss man ihnen Sublimierungsmöglichkeiten anbieten, den andern hingegen, denen zu Hause bei Konflikten meist Rationalisierungswege gezeigt wurden, muss gelehrt werden, affektiven Reaktionen zu begegnen und auch die körperlichen Fähigkeiten auszubilden, um mit fremden Aggressionen fertig zu werden. Ihr Selbstgefühl wäre sonst in hohem Maße in Frage gestellt: da sie bisher Aggression stets mit Schuldgefühlen verbanden, ließen sich einige Kinder im Ost-Kindergarten sogar ohne Gegenwehr schlagen. Den Kleinsten schließlich müssen Auswege gezeigt werden, um ihr stetes Unterliegen zu bewältigen.
Die Identifikation mit der Bezugsperson ist anfangs durchaus erstrebenswert, damit Solidaritäts- und Wirgefühl entwickelt wird. Sobald als möglich sollte die Fixierung jedoch wieder abgebaut werden. Zunächst wird damit nicht nur der Zusammenschluss gegen die fremde Umwelt intensiviert, sondern auch die Ablösung von den Eltern. Damit die Identifikation mit einem Erwachsenen aber nicht nur übertragen wird, muss sie dann einem Kollektivgefühl der Kinder untereinander weichen.
Politische Erziehung
Neben antiautoritär strukturierten „Linken“ taucht in den Kindergärten noch eine andere Gruppe auf – meist sogar die stärkste – sogenannte „liberale“ Eltern, die ihre Kinder zwar antiautoritär, aber nicht sozialistisch erziehen wollen. Für die Basisgruppe entsteht das Problem, ob ein kleiner Teil von Aktiven zur Politisierung dieser Eltern ausreicht. Fest steht, dass die Gründung von neuen Kindergärten, die leicht zu forcieren wäre, problematisch ist, wenn nicht die Mitarbeit wenigstens einiger Genossen gewährleistet ist. Im Zusammenhang mit den politischen Auseinandersetzungen an der Akademie wurde die latente Gefahr zum Syndikalismus im dortigen Kindergarten akut, die guten Beziehungen zur Stadt hat bezeichnenderweise nur dieser Kindergarten. Im Ost-Kindergarten und in der Königinstraße hat es sich gezeigt, dass drei bis vier Genossen die Politisierung vorantreiben können. Von erheblicher Bedeutung ist natürlich die Position des Sozialarbeiters, da ohne kompensatorische Erziehung der Kinder die Arbeit mit den Eltern bloß abstrakt bleibt. Die Elterngruppe sollte konkrete Vorschläge darum selbst erarbeiten. Den Stellenwert antiautoritärer Erziehung für die sozialistische Bewegung zu bestimmen, ist dagegen eine der wichtigsten Aufgaben der Kiga-Projektgruppe der Basisgruppen.
Aggression & Erziehung
Der Grundsatz „der Wille des Kindes muss gebrochen werden“ ist zum Glück nicht mehr sehr verbreitet, doch immer noch reagieren die Erwachsenen auf kindliche Äußerungen des Zorns, der Wut und Enttäuschung meist ebenfalls mit Ärger und Gereiztheit – das Kind lernt früh begreifen, Aggression ist etwas Unerwünschtes, etwas Böses, etwas, das man unterdrücken muss. Eltern empfinden häufig schon das laute, wilde Spielen und Herumtoben der Kinder als lästig, oder sie begegnen ihm mit Unverständnis, schimpfen, schreien und schlagen als Antwort, wollen das Drängen des Kindes mit den verschiedensten Strafen verhindern und suchen es einzuschüchtern.
Warum empfinden sie aber diese Äußerungen kindlicher Aktivität als gerade gegen sich gerichtet, warum unterstellen sie dem Kind Feindseligkeit, von diesem beabsichtigt oder nicht? Als Kinder mussten sie die gleichen Erfahrungen machen, sie begriffen die Eingriffe der Erwachsenen als gewaltsam und sie stellten sich auf diese Kampfmethoden ein: sie ahmten sie nach, sie lernten ebenso zu reagieren, so dass sie später ihren Kindern auf die gleiche Weise begegneten. Die Tradition der Gewalt reißt nicht ab.
Wenn dem so ist, dann gälte es also, diesen Zirkel von Gewalt und Gegengewalt aufzubrechen, dann wäre die Aggression zu beseitigen? Hinter dieser Frage steht immer noch die Auffassung, dass Aggression etwas Zerstörerisches, etwas Feindseliges – für manche prinzipiell „das Böse“ sei. Ob sie abzuschaffen ist oder nicht, ob sie allgemeiner menschlicher Trieb oder sie gesellschaftlich, durch Enttäuschung und zugefügtes Leid, bedingt ist, das ist erst die zweite Frage, die erste muss sich mit dem Wesen der Aggression beschäftigen.
Man kann schon bei kleinen Kindern beobachten, dass sie manchmal ihr geliebtes Spielzeug mit großem Vergnügen aus dem Stall werfen, und dass sie die Dinge nur wiederhaben wollen, um sie erneut wegzuwerfen. Andere Kinder laufen von zu Hause fort oder sie möchten bei Freunden übernachten. Die Eltern verstehen das ganz richtig so, dass die Kinder sie verlassen wollen, und sei es auch nur für kurze Zeit. Sie sind gekränkt, aber sie verstehen nicht den Grund des Strebens ihrer Kinder. Dabei ist die Lösung vom geliebten Gegenstand, von den geliebten Eltern ein ganz wichtiger Punkt für die kindliche Entwicklung. Zunächst identifiziert es sich nämlich mit seiner Umgebung, es ist fast noch ein Teil der Mutter. Um im Laufe der Kindheit zu einer eigenen Persönlichkeit werden zu können, muss es sich notwendigerweise von der Mutter lösen, es muss Distanz von ihr gewinnen. Anstelle der Mutter kann auch eine andere Bezugsperson treten, eben diejenige Person, die am meisten auf das Kind eingeht. Wenn die Mutter oder die Bezugsperson nur die Äußerungen der allmählichen Lösung des Kindes von ihr – die erst in der Pubertät abgeschlossen wird – als bösartige Kränkung auffasst, fälschlicherweise versteht, dass das Kind sie nicht mehr liebt, dann wird sie sie zu verhindern suchen. Die Folge kann sein, dass das Kind sein ganzes Leben lang nie selbständig wird und zwanghaft bei jeder Entscheidung denkt: „Was würde die Mutter sagen?“
Aggression ist also vermutlich wie die Verhaltensforscher, vor allem Konrad Lorenz, festgestellt haben, ein Trieb, der entscheidend ist für die Selbsterhaltung und die Fortentwicklung der Lebewesen. Ohne Aggression gäbe es auch keine Wissenschaft, keine Forschung, wo man sich mit einem Objekt auseinandersetzt, oder keine Diskussion, wo man sich mit Menschen auseinandersetzt.
Aber, so muss man nun fragen, es gibt doch auch Formen der Aggression, die tatsächlich zerstörerisch sind, es gibt doch auch die Trotz- und Wutanfälle der Kinder, es gibt die Quälereien und Intrigen der Erwachsenen, Menschen, die sich gegenseitig vernichten wollen, die sich oder andere umbringen, und es gibt doch auch immer wieder Krieg … Sind das keine Äußerungen der Aggression? Und ist dann das Schicksal der Menschheit nicht ganz hoffnungslos, wenn die Aggression ein nicht zu beseitigender Trieb ist? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auf den Anfang unserer Überlegungen zurückkommen, auf den Zirkel der Gewalt. Nur wenn die Eltern versuchen, die Aggressivität ihrer Kinder zu unterdrücken, wird diese zerstörerisch, denn der Unterdrückte antwortet mit Hass. Wenn die Erwachsenen keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder nehmen, wenn sie ihren Bewegungs- und Spieldrang ignorieren, wenn sie Äußerungen kindlicher Sexualität unterbinden, wenn sie zu früh die Sauberkeit erzwingen wollen und anderes mehr, dann entsteht jene Aggression, die zerstörerisch und feindselig ist. Auch Angst und Enttäuschung können zur Aggression führen. Das ist schon beim Baby zu beobachten, das, lange allein gelassen, die Mutter vermisst und zu schreien beginnt. Reagieren die Erwachsenen darauf mit Unmut, entsteht wieder ein Zirkel von Aggression und Gegenaggression, der so schwer zu durchbrechen ist, weil frühkindliche Erfahrungen sich für das ganze Leben festsetzen, die späteren Emotionen bestimmen und auch mit Rationalität sehr schwer zu durchbrechen sind. Diejenigen Theoretiker, die Aggression auf gesellschaftliche Gründe ableiten, haben teilweise also Recht; die Art der Aggression, die wir die zerstörerische nannten, entsteht durch die Formen des Umgangs der Menschen untereinander, und sie kann und muss beseitigt werden.
Es kommt also darauf an, in welche Bahnen die Aggression in der kindlichen Entwicklung gelenkt wird. Wenn man Aggression als etwas Nötiges und Berechtigtes, ja sogar als etwas, das Spaß macht, anerkennt und zulässt, wenn Aggression nicht unterdrückt werden muss, dann wird sie auch nicht zu etwas Zerstörerischem pervertieren, dann kann sie sich als Aktivität entladen und für den Einzelnen wie für die Gesellschaft fruchtbar werden.
Apo press. Forum der Arbeiterbasisgruppen und der Lehrlinge, der sozialistischen Studenten & Schüler in München 29/II vom 4. November 1969, München, 7 ff.