Flusslandschaft 1959

CSU

„Hund samma und an Hund hamma.“ (Volksmund)


Minister Dr. Dr. Alois Hundhammer prozessierte gegen den Simplicissimus, von dessen Nr. 29/ 1957 er sich verunglimpft sah. Daraufhin kam es zu einem Streit zwischen Schriftleiter Herbert Hofner, der einen Vergleich anstrebte, und Verleger Olaf Iversen und Zeichner Josef Sauer, die es auf einen Prozess anlegten. Am 13. November 1958 verließ Hofner die Redaktion. Gerichtlich wer-
den Olav Iversen und Josef Sauer am 19. Januar 1959 dazu verurteilt, das Urteil des bayrischen Amtsgerichts auf dem Titel des Simplicissimus zu veröffentlichen. Dies geschieht, zugleich be-
schäftigt sich Iversen erneut mit Hundhammer.1 Fünf Monate nach seinem Ausscheiden schließt Hofner am 8. April 1959 einen Vergleich mit Hundhammer: „1. Herr Herbert Hofner, Schriftsteller in München, erklärt, dass er die unter seiner verantwortlichen Schriftleitung in Nr. 29/57 der Zeit-
schrift ‘Simplicissimus’ erschienene Veröffentlichung gegen Herrn Dr. Dr. Hundhammer bedauert. 2. Herr Hofner übernimmt die Kosten, die in dieser Sache in einer gegen ihn anhängig gemachten Klage erwachsen sind, einschließlich der Anwaltskosten. 3. Herr Hofner lässt diesen Vergleich auf seine Kosten in der üblichen Form in der Zeitschrift ,Simplicissimus’ veröffentlichen. 4. Dr. Dr. Hundhammer nimmt nach Erfüllung dieser Voraussetzungen den gegen Herrn Hofner gestellten Strafantrag zurück.“ Herausgeber und Redaktion empfinden Hofners Einknicken als peinlich, ver-
öffentlichen aber den Vergleich als Anzeige im Blatt.2

1955 billigte der bayrische Landtag die Konzessionsvergabe an Privatleute zum Betrieb von Spiel-
banken. Kasinos eröffneten in Bad Kissingen, Bad Reichenhall, Garmisch-Partenkirchen und Bad Wiessee. Bayern wurde zu dieser Zeit von einer Viererkoalition regiert, zu der die Bayernpartei (BP) gehörte. Diese war die größte Konkurrentin der CSU, und die CSU saß auf der Oppositions-
bank. Es brodelte von Gerüchten, dass bei der Vergabe von Lizenzen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Unter Beschuss stand vor allem der stellvertretende Ministerpräsident Josef Baumgartner – einstmals von der CSU zur BP gesprungen – der im Wolferstetter Keller zu Vilsho-
fen in den Saal zu rufen pflegte: „Wo is no a CSUler, dass i’n auf’m Kraut friß?“ 1959 münden die Beschuldigungen des Spielbank-Interessenten Karl Freisehner, der eine Selbstanzeige im heimli-
chen Einvernehmen mit der CSU erstattet, in Gerichtsverhandlungen. Im „Spielbankenprozess“ werden am 10. August die Urteile verkündet. Wegen Meineids erhalten der ehemalige BP-Land-
tagsabgeordnete Max Klotz zwei Jahre neun Monate Zuchthaus, Baumgartner und der ehemalige CSU-Abgeordnete Franz Michel je zwei Jahre Zuchthaus, der Kaufmann Freisehner ein Jabr zehn Monate und der ehemalige Innenminister August Geislhöringer (BP) 15 Monate Gefängnis. Die Urteile werden natürlich von Protesten der verschiedenen Protagonisten begleitet. Entscheidend aber ist, dass die BP in der Bedeutungslosigkeit versinkt und gleichzeitig die CSU sich anschickt, mehr als ein halbes Jahrhundert bayrische Regierungspartei zu werden.3 Der CSU-Politiker Frie-
drich Zimmermann („Old Schwurhand“, ab 1982 Bundesminister des Innern) ist ebenfalls in den Spielbanken-Skandal verwickelt, schwört einen Meineid und wird 1960 rechtskräftig verurteilt. Er wandert aber deshalb keineswegs ins Gefängnis. 1961 wird er rückwirkend auf Grund eines medizi-
nischen Gutachtens (am Tag des Meineids herrschte Föhn und Zimmermann hatte Tabletten ge-
schluckt) freigesprochen.4


1 Siehe „Betrachtungen über einen Bart“ von Olav Iversen.

2 Simplicissimus 27 vom 4. Juli 1959, 431.

3 Nicht nur bei der Mafia gibt es den „regolamento die conti“, den „Kontenausgleich“. Dieses Gesetz der Straße, welches auch in Bayern Gültigkeit besitzt, hat Carl Amery behutsam in der causa Baumgartner beschrieben. Vgl. Carl Amery, Leb wohl geliebtes Volk der Bayern, München/Leipzig 1996, 217 ff.

4 Siehe „In München: Rien ne va plus!“. Vgl. Otto Gritschneder, Der Spielbankprozess und seine Kritiker in: Ders., Rand-
bemerkungen, München 1984 (3. Auflage), 165 ff. und Heinrich Senfft, Glück ist machbar, Der bayerische Spielbanken-
prozeß, die CSU und der unaufhaltsame Aufstieg des Doktor Friedrich Zimmermann. Ein politisches Lehrstück, Köln 1988.

Überraschung

Jahr: 1959
Bereich: CSU

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