Flusslandschaft 1961

Internationales

Allgemeines

- Iran
- UdSSR
- USA, Kuba und Guatemala
- Mexiko
- Nicaragua
- Brasilien
- Frankreich und Algerien
- Griechenland und BRD


Allgemeines

Im September ist der Libanese Edmond Khayat mit seinem „Kreuzweg für Frieden auf Erden“ in München. Auf seinem 40 kg schweren und fünf Meter langen Kreuz, das er von der Schillerstraße kommend über den Stachus und über den Marienplatz trägt, befinden sich arabische Buchstaben und die Aufschrift „Humanity“. Auf seinem Schild ist zu lesen „Nach 2000 Jahren jammert noch immer die Menschheit unter der Unterdrückung und Krieg. Sie tragen immer noch ihr Kreuz. Wann wird endlich Frieden auf die Erde kommen? Wann wird Frieden kommen? WANN?“1

IRAN

Im Iran herrscht das Schreckensregiment des Schah. Am 7. Februar demonstrieren persische Stu-
denten vor der Münchner Universität gegen die Schließung der Uni in Teheran. Außerdem verlan-
gen sie die Freilassung aller inhaftierten iranischen Studenten. Die Kriminalpolizei beschlagnahmt ein Transparent, auf dem zu lesen ist „Freiheit für Persien! Weg mit dem Diktator!“.2 Siehe „Inter-
nationales
“ 1953.

UdSSR

Das sowjet-russische Weltraumprogramm scheint dem US-amerikanischen überlegen zu sein. Sein erster erfolgreicher Raumflug löste weltweit den so genannten „Sputnikschock“ aus. Im Rahmen der „Mission Sputnik 2“ wurde die Hündin Laika am 3. November 1957 an Bord des sowjetischen Raumflugkörpers ins All geschickt. Das letztlich letale Experiment diente als wichtiger Schritt zur Vorbereitung der bemannten Raumfahrt. Allerdings machten überall auf der Welt Tierschützer mobil und demonstrierten vor sowjet-russischen Botschaften; die Sowjetunion erlitt einen Image-
schaden. – Die UdSSR startet „Sputnik 10“ am 25. März 1961 als Test für den Flug Juri Gagarins im April 1961. An Bord befindet sich der Hund Swesdotschka. – Konrad Kittl sieht in die Zukunft. Für ihn ist der Wettlauf in den Weltraum Bestandteil des Kalten Kriegs. Am Ende droht dieser eine verhängnissvolle Ereigniskette auszulösen.3

USA, KUBA und GUATEMALA


In seiner Abschiedsrede warnt US-Präsident Eisenhower — während des 2. Weltkriegs war er als General ein Supreme Commander für Europa — am 17. Januar eindringlich vor dem „military in-dustrial complex“, vor dem „verhängnisvollen Aufstieg einer fehlgeleiteten Macht“, die dabei sei, in die USA eine neue, von der Gesellschaft unkontrollierbare Gewalt zu implementieren. Eisenhower weiter: „Wir dürfen niemals zulassen, dass der Einfluss dieses Komplexes unsere Freiheiten oder demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als selbstverständlich ansehen. Nur eine aufmerksame und sachkundige Bürgerschaft kann die riesige industrielle und militärische Maschi-nerie zwingen, uns so zu verteidigen, dass die Sicherheit und die Freiheit gemeinsam gedeihen können.“ Tatsächlich aber hat sich das Prinzip, der Zweck heiligt die Mittel, durchgesetzt. Ein mili-tärischer Einsatz wird in den USA inzwischen nicht mehr politisch begründet sondern aus der Ver-fügbarkeit der Mittel, für die die US-amerikanische Gesellschaft gerade steht. Universitäten sind Rüstungszentren geworden, die geistigen Kapazitäten des Landes sind dem militärisch-industriel-len Komplex dienstbar geworden. Dieser treibt nicht in den Krieg, übt aber einen beständigen Druck auf den politischen Entscheidungsapparat aus. Er ist erfolgreich, weil er in der öffentlichen Meinung Angst und Misstrauen erzeugt und damit die Bereitschaft der Öffentlichkeit provoziert, dem Militär für seine robuste Kampfbereitschaft alle gewünschten Mittel zu genehmigen. Diese Meinungsführerschaft des „military industrial complex“ generiert so auch die berühmte Raketen-lücke zu Beginn der Ära Kennedy.

„Als die Revolution ihr Versprechen wahrmachen und den Grundbesitz reduzieren will, wird Kuba von den USA mit einem Embargo und vielfältigen Sabotageaktionen überzogen. In Guatemala trai-
niert die CIA eine Söldnerarmee, die im April 1961 die Invasion in der Schweinebucht im Osten Kubas unternimmt. Zwei Wochen zuvor haben US-Flieger die Abwehrstellungen der Kubaner bombardiert. Die Schiffe zum Transport von Söldnern und Waffen werden vom US-Großkapital, vor allem von der United Fruit Company finanziert, die größter Grundbesitzer im vorrevolutionä-
ren Kuba gewesen war. Als die Invasion scheitert, gehen die USA zu einer scharfen Blockadepolitik über, die Kuba nach dem Wegfall der sozialistischen Länder in akute Versorgungsnot bringt.“4

Die Invasoren der Schweinebucht agierten im Namen der „Demokratie“. Die „Freiheitsboten“ wa-
ren früher eng mit dem korrupten Batista-Regime verbandelt oder damit motiviert, ihre alten öko-
nomische Privilegien wieder zu erlangen. Noch während der Schweinebucht-Aktion betonte US-Präsident Kennedy, die USA würden sich in innercubanische Angelegenheiten nicht einmischen und hätten keinesfalls ein Interesse, Cuba in die Zeit des Batista-Regimes zurückzuversetzen.5

MEXIKO

Redaktion und Mitarbeiter der Zeitschrift tendenzen protestieren gegen die Inhaftierung des mexi-
kanischen Malers David Alvaro Siqueiros.6

NICARAGUA

Am 23. Juli wird die Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) gegründet. Als Guerilla kämpft sie gegen die Diktatur und stürzt 1979 nach Jahren des Bürgerkriegs den despotischen Machthaber Anastasio Somoza Debayle.

BRASILIEN

Im September wird João Goulart Präsident. Mit einer Landreform (Enteignung und Verteilung ungenügend genutzter Agrarflächen) will er die seit der Sklaverei bestehende ungleiche Landver-
teilung aufheben. Eine höhere Besteuerung der einkommensstärksten Schichten soll die große so-
ziale Ungleichheit reduzieren und finanzielle Mittel für Bildung und soziale Vorhaben bereitstellen. Schließlich kündigt er eine Reform des Wahlrechts an, in deren Folge auch die 40 Prozent Anal-
phabeten des Landes ein Stimmrecht erhalten sollen. Bei Landbesitzem, Militärs, der oberen Mit-
telschicht, Teilen des katholischen Klerus und vor allem in Washington löst das Alarm aus.

FRANKREICH und ALGERIEN

Im Oktober protestieren Tausende Algerierinnen und Algerier in Paris gegen die Brutalitäten der französischen Soldateska in ihrem Land. Die Polizei wirft kurzerhand Dutzende der Demonstrie-
renden in die Seine. Etwa 200 der Demonstranten sind am Ende tot. Keine einzige Anzeige führt zu einer Anklage. Deutsche Zeitgenossen stellen fest, eine demokratische Staatsform ist überall auf der Welt keine Garantie gegen Polizeigewalt.

GRIECHENLAND und BRD

1952 verbanden die Westalliierten die Souveränitätsübergabe an die BRD mit der Bedingung einer angemessenen Entschädigungsgesetzgebung. Im gleichzeitig abgeschlossenen Londoner Abkom-
men wurde vereinbart, dass Verhandlungen über Zahlungen an die vom Deutschen Reich im Zweiten Weltkrieg geschädigte Staaten auf den Zeitpunkt des Abschlusses eines Friedensvertrags verschoben werden. Im Juni 1956 forderten acht westeuropäische Regierungen, darunter auch die griechische, Entschädigungen. „Der damalige Außenminister Clemens von Brentano versuchte daraufhin, den Konflikt durch eine »caritative Lösung« zu entschärfen. Als auf dieser Basis keine Übereinkunft erzielt wurde, sah sich die Regierung angesichts »der Möglichkeiten von Störungen der bilateralen Beziehungen« gezwungen, in Verhandlungen einzutreten. Das Ergebnis war für sie sehr zufriedenstellend. Mit elf westeuropäischen Staaten traf sie »Globalabkommen«, die sie zu Zahlungen von insgesamt 876 Millionen Mark verpflichteten. Griechenland erhielt nach dem 1961 ratifizierten Vertrag 115 Millionen Mark. Noch in einer anderen Hinsicht war sie hartnäckig. Nach ihrem Verständnis kam nur denjenigen NS-Opfern ein Anspruch auf Zahlungen zu, die nach den Kriterien des BEG entschädigungsberechtigt waren. Zwangsarbeiter, Widerstandskämpfer, aber auch Opfer von Wehrmachtsverbrechen waren nach ihren Vorstellungen damit explizit von Lei-
stungen ausgeschlossen. Auf diesen Vertrag beriefen sich seither alle Bundesregierungen, um wei-
tergehende Forderungen mit der Behauptung abzuwehren, hiermit seien Ansprüche von griechi-
scher Seite erledigt. Doch in fachspezifischen Darstellungen räumen selbst Beamte des zuständigen Bundesfinanzministeriums ein, dass die griechischen Forderungen durch das Vertragswerk nicht erfüllt seien und die griechische Regierung diesen Dissens explizit zum Ausdruck gebracht habe.
Er kommt in der sogenannten Erledigungsklausel zum Ausdruck. In ihr wird der Vorbehalt formu-
liert, dass mit diesen Verträgen nicht alle Forderungen erfüllt seien, sondern sie zu gegebener Zeit neu verhandelt werden müssten. Griechenland wählte hierbei die selbe Formulierung wie Norwe-
gen und Dänemark: »Mit der Zahlung sind alle den Gegenstand des Vertrags … bildenden Fragen abschließend geregelt, unbeschadet etwaiger Ansprüche norwegischer Staatsbürger.« Die Be-
hauptung, mit diesen Verträgen seien alle Entschädigungsfragen geregelt, ist damit offenkundig falsch.“7 Mit dem 1990 abgeschlossenen 2+4-Vertrag zwischen den ehemaligen Alliierten, der BRD und der DDR ist es nach Meinung der Bundesregierung NICHT zu einem Friedensvertrag gekom-
men. Hatte die Bundesregierung „bis zum Abschluss dieses Vertrags mit Berufung auf das Londo-
ner Abkommen Verhandlungen mit der Begründung verweigert, die Forderungen seien »zu früh« gestellt, so argumentierte sie nach diesem »Erfolg«, nun sei es »zu spät«.“8 Die griechische Regie-
rung stellt trotzdem auch nach 1990 Entschädigungsansprüche — vergeblich.

(zuletzt geändert am 22.7.2021)


1 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen.

2 Fotos: Stadtarchiv Standort Rudi Dix-Archiv. Mappe 076 B.

3 Siehe „Seid gut zu den Tieren!“ von Konrad Kittl.

4 Conrad Schuhler, Return to sender? In: konkret 11 vom November 2001, 17.

5 „Die ‚Idee‘ blamierte sich immer, soweit sie von dem ‚Interesse‘ unterschieden war.“ Friedrich Engels/Karl Marx, Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer & Consorten, MEW 2, Berlin 1957, 85.

6 Siehe „Protest!“.

7 Rolf Surmann: „Grenzen der Aufklärung. Das Wehrmachtsmassaker von Distomo und seine Aufarbeitung nach 1945“, in: Antifaschistisches Info Blatt vom Mai 2005, 34.

8 A.a.O.

Überraschung

Jahr: 1961
Bereich: Internationales

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