Materialien 1980
Brecht statt Strauß
„Frühling wurd’s in deutschem Land … / Als von Süden aus den Tälern / Herbewegte sich von Wählern / Pomphaft ein zerlumpter Zug / Der zwei alte Tafeln trug. / Mürbe war das Holz von Stichen / Und die Inschrift sehr verblichen / Und es war so etwas wie / Freiheit und Democracy.“
Die Reise durch die Republik wurde vom bayrischen Innenministerium massiv behindert; es entschied, der Zug sei kein „Kunstwerk“, sondern eine „Demonstration“. Das angerufene Verwal-
tungsgericht erklärte sich nicht für zuständig, diese Fragen zu klären.
Ulrich Klug schrieb auf Bitten des Ortsvorstands München, der sich an der Aufführung beteiligt, an Innenminister Tandler.
Eine Woche vor Start des Zuges ist die Frage „Kunst“ oder „Demonstration“ noch immer nicht ent-
schieden; den Veranstaltern liegen inzwischen 27 Auflagen vor, die einer schwerwiegenden politi-
schen Zensur gleichkommen und die geplante Gestaltung des Zuges und dessen Zeitplan in Frage stellen würde.
Gegen die Auflagen haben die Anwälte des Sekretariats vor allen vier bayrischen Verwaltungsge-
richten Einspruch erhoben; mit fristgerechten und verbindlichen Entscheidungen ist bis zum Start wohl nicht mehr zu rechnen.
Aus einer Presseerklärung des Sekretariats:
„Je schärfer die Zensur, desto schärfer wird die zensierte Wirklichkeit dieser Republik und ihrer Zensoren dargestellt werden. Je weniger von Brecht übrigbleibt, nach der Zensur, um so mehr wird von der Zensurwirklichkeit in Sicht kommen.“
Dem kann die HU nur zustimmen
Mitteilungen der Humanistischen Union 3 vom September 1980, 71.