Materialien 1983

Dorn im Auge der Staatsschützer

Aktiver Gewerkschafter soll abgeschoben werden

Seit 22 Jahren lebt der Kollege Magdi Gohary in der Bundesrepublik. Er arbeitet – seit 18 Jahren – als Chemotechniker in der Forschungsabteilung eines Münchner Chemiekonzerns und ist dort Vorsitzender des gewerkschaftlichen Vertrauensleutekörpers. Jetzt, so ein Bescheid des Kreisver-
waltungsreferats der Stadt, soll er am 31. Oktober die Bundesrepublik für immer verlassen, an-
dernfalls würde er abgeschoben.

Es ist nicht die erste schlimme Erfahrung, die Gohary, Vater eines in München geborenen 19jähri-
gen Sohnes, der gerade sein Abitur gemacht hat, mit den ortsansässigen Behörden machen musste. Seit über zehn Jahren ist der 41jährige Chemotechniker bayerischen Staatsschutzbehörden ein Dorn im Auge. Vor allem wegen seines politischen Engagements für die Völker der Dritten Welt, aus dem er nie ein Hehl gemacht hat.

Es begann 1972, nach dem Münchner Olympia-Attentat. Weil er sich für die Rechte des palästinen-
sischen Volkes eingesetzt hatte, wurde er bei Nacht und Nebel aus der Bundesrepublik abgescho-
ben. Selbst das Bonner Auswärtige Amt intervenierte gegen diese Abschiebung – hatte der Ägypter doch dem Krisenstab am Tage des Attentats als Übersetzer und Vermittler geholfen. Bayerns „Staatsschützer“ waren von solchen Fakten nicht zu beeindrucken.

Magdi Gohary, der so von seiner in München lebenden Familie getrennt wurde, legte von Kairo aus Klage gegen die Abschiebung ein, seine Gewerkschaft, die IG Chemie, gewährte Rechtsschutz. Er-
ster Erfolg: Nach zweieinhalb Jahren durfte er wieder zurückkehren, ein halbes Jahr später hob das Münchner Verwaltungsgericht die Ausweisung auf. Aber damit noch lange kein Ende. Auf Wei-
sung des Bayerischen Innenministeriums erhob die Stadt München Einspruch. Acht Jahre dauerte es dann, bis es endlich zu einer Verhandlung kam, der Kollege Gohary lebte hier „mit Duldung“ der Behörden in einem Zustand ständiger Unsicherheit.

Im Januar dieses Jahres schien der Spuk vorbei: „Nach zehn Jahren Ungewissheit darf der 41jähri-
ge Ägypter in der Bundesrepublik bleiben. Kein Sicherheitsrisiko“, meldete die SZ. Der Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schlug einen Vergleich vor. Er legte den Vertretern der Stadt nahe, Magdi Gohary unverzüglich die Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.

Den bayerischen Behörden war das wiederum zuviel. Prompt kramten sie neue „Erkenntnisse“ aus ihrem Geheimkistchen. Der Gewerkschafter war – man höre und staune – Mitglied des Vorstands der „Anti-Apartheid-Bewegung“ für die Solidarität mit Südafrika, er beteilige sich an Veranstaltun-
gen der „Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung“ und sei von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ einmal als Veranstaltungsredner angekündigt worden. Dass das alles ein wenig dünn ist, fiel den Herrschaften wohl selbst auf, weshalb sie in ihrem neuen Bescheid auf eine „Begründung“ kamen, die ihresgleichen sucht: „Nach den bisherigen Erfahrungen ist nicht auszuschließen; dass im Falle der krisenhaften Verschärfung von Konflikten in irgendeinem Teil der Welt, von denen sich der Betroffene angesprochen fühlt, er im Rahmen seiner vielfältigen Kon-
takte zu Aktionen greift oder solche unterstützt, die krisenverschärfend wirken oder zumindest nicht mit der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland konform gehen.“

Aus dem Amtsdeutschen übersetzt: Egal, was einer tut, entscheidend ist, was er vielleicht irgend-
wann mal tun könnte. Das richtet sich gegen alle ausländischen Kollegen und letztlich auch gegen die deutschen, von denen viele mit der Außen- und Innenpolitik des „Wende“-Kanzlers nicht mehr „konform gehen“ wollen. Auch deshalb ist gewerkschaftliche Solidarität mit dem IG-Chemie-Kolle-
gen Gohary dringend gefordert. Die Mitgliederversammlung der Münchner IG Druck und Papier hat hier bereits einstimmig einen Beschluss gefasst, ebenso die Vorstände der dju München und des VS Bayern. Sorgen wir dafür, dass die zuständigen Behörden an den Protesten aus den Ge-
werkschaften und der demokratischen Öffentlichkeit nicht mehr vorbeikönnen!

EA


wir. Information für Münchner Gewerkschafter, hg. vom DGB-Kreis München 3/1983, 15.

Überraschung

Jahr: 1983
Bereich: AusländerInnen

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