Materialien 1985

„Sauberes München“

Mehr als 200.000 DM geben die Stadtwerke 1985 für die Beseitigung von Graffitis aus. Bei neuen Fußgängerunterführungen und U-Bahn-Stationen wird bewusst Material verwendet, dass leicht zu reinigen ist. Spitze: Keramik, Mittel: Edelstahl. Kaum wieder sauberzukriegen: Naturstein und Betonflächen. Gut zu wissen.

Sauberes Mynchen, Teil zwei: Vor einem Jahr lasen wir in einer speziellen Zeitung ein Inserat, einer bekannte Chemiefirma, das sogenannte „Plakatabweiser“ anbot. Inzwischen sind sie offenbar auch in Mynchen im Einsatz. Bei Post-, Licht- und Stromkästen, die normalerweise x Plakatschichten tragen, erkennt sie der Laie daran, dass kein einziges Ding mehr dran klebt. Wenn man dann dran fasst, fühlt sich die Plastikoberfläche irgendwie schleimig und schmierig an.

Für viele Künstler, Kleinkunstleute, andere Kleinstgewerbler und auch den Spion ist das „wilde“ Plakatieren auf solche grauen Kästen die billigste Art der Werbung, Städtereklame – Plakatwände etc. sind unfinanzierbar. Die Stadtmacker sehen statt der plakativen Vielfalt dagegen lieber das Einheitsgrau. Kultur gehört in den Gasteig, Kaufen ins Kaufhaus, Arbeit in den Konzern, Wohnen ins Betonklo und Leben ins Squashcenter.

Sauberes München – Am liebsten wäre IHNEN wohl ein Beton- und Plastiküberzug über allem und ein paar Schickis und Beamte, die mit ihren Cabrios und Dienstwagen dazwischen rum fahren. Unser „sauberes“ München wäre eher eines, das die ganzen Bürokraten und Saubermänner auf den Mond – oder zum Plakatieren – schickt.


Spion. Zeitung für München 35 vom September 1985, 5,