Materialien 1985

Kommentar zum Hass

Wohl fällt es schwer, angesichts einer prügelnden anonymen Bullenfront noch den einzelnen Menschen hinter seiner Funktion zu erkennen. In einer solchen Situation ist der Bulle der Gegner. Auf keinen Fall dürfen wir aber vergessen, dass die Polizei nicht unser wirklicher Feind ist. Die „Staatswürger in Uniform“ sind nichts weiter als ausführende Organe und verdienen unsere Beachtung kaum. Persönlich sind es Menschen wie die meisten anderen in unserem Lande auch, auf Gehorsam, Ordnung, Ruhe aus. und gehören daher zu den Menschen, die noch viel vom Leben lernen müssen. Dieser Lernprozess wird, glaube ich, empfindlich gestört, wenn den Polizisten so deutlich und hart der Hass gezeigt wird, den viele von uns gegen sie haben.

Die Spontandemo mit Kundgebung war zu einem Tribunal gegen die Polizei geworden, und das war gut so, denn das Vorgehen der Polizei zeigt deutlich die Gewalt, die von unserem Staate ausgeht, und die Tatsache, dass die Polizei immer für die Interessen der Mächtigen eingesetzt wird. Aber dass im Rahmen einer solchen Demo einzelne Büffel verbal total fertiggemacht, verarscht wurden, ihnen Auge in Auge in Auge nur noch „Hass, Hass, Hass“ entgegengeschrieen wurde und „Bullen verpisst euch, keiner vermisst euch“ und „SS, SA, SEK“ und „Ich bin nichts, ich kann nicht, gebt mir eine Uniform“ und „Erst der Hass und dann der Krieg“, das wird diese Polizisten verhärten in ihrem Hass gegen uns und in ihrer Überzeugung, dass wir ausgerottet werden müssen.

Ich jedenfalls, das mag komisch klingen, konnte nichts anderes als Mitleid mit den Büffeln haben. Mitleid mit ihrer Rolle als Befehlsempfänger, als Ordnungshüter, mit ihrem Eingemauert sein in Hierarchie und Kameradschaft. Mitleid mit ihrer ganzen Dummheit, mit ihrer Phantasielosigkeit, mit ihrer Situation, wo sie ihre Köpfe hinhalten für einen Gewalt- und Macht- und Geldstaat.

Wütend bin ich dafür über die, die meinen, sie müssten die Polizisten für die Unterdrückung und Gewalt in diesem Land verantwortlich machen und gegen sie kämpfen. Sie verlieren damit die wahren Gegner aus dem Auge und verschlimmern mit ihren Aktionen die Situation noch mehr.

2. Kommentar zum 1. Kommentar

Zwar sind wir mit den obigen Artikeln über WAAckersdorf größtenteils einverstanden, wollen jedoch nicht verschweigen, dass es auch Campteilnehmer mit anderen Eindrücken gibt. Insofern ist obiger Kommentar nur als eine Meinung von vielen zu verstehen.

Die Spannungen im Camp herrschten nur während der ersten drei Tage.

Die entscheidendste Erfahrung, die auf dem Camp gemacht wurde, war die Erkenntnis der Notwendigkeit, dass die WAAgegner aus allen Lagern „an einem Strang ziehen müssen“. Außerdem ist eine genauere, wenn auch sachliche Beschreibung des Vorgehens der Büffel erforderlich. Ein Beispiel:

Ein siebzehnjähriger Gymnasiast aus München zeigte noch fünf Stunden nach der Räumung die exakt gezeichneten Abdrücke der Sohlennoppen eines Springerstiefels über der rechten Niere. Der Schüler stand untergehakt in der Kette um das Freundschaftshaus und leistete auch, als der Büffel zutrat, keine Gegenwehr. Nach solchen und ähnlichen „Eindrücken“ während der Räumung sind Parolen wie „Hass, Hass, Hass“ verständlich. Zu überlegen ist, ob sie die, die bei der Räumung nicht dabei waren, nachvollziehen können?

Wir sind der Ansicht, dass die Polizei auch nur aus Menschen besteht. Auf einzelne Polizisten, die zur „selben Hundertschaft gehören, die fünf Stunden vorher im Wald wütete, verbale Rücksicht zu üben, halten wir für zu viel verlangt. Man bedenke, dass unsere Parole vor der Räumung noch ganz anders lautete: „Wir sind friedlich“.

Überall ist Widerstand/Mchn.

Am 26. Juli fand eine angemeldete Demo gegen die WAA statt. Ungefähr dreißig Teilnehmer wurden gezählt. Vorne weg marschierten Leute in Strahlenschutzanzügen. Der Rest verteilte Flugblätter oder redete mit Passanten. Die Büffelei nahm mit ungefähr 100 Personen (incl. Zivis) teil. Irgendwo in Haidhausen umzingelte uns die Büffelei und verlangte die Personalien von ca. 10 Leuten. Die Büffel warfen den Leuten vor, Flugblätter verteilt zu haben, in denen bei Rodungsbeginn zur Bauplatzbesetzung in WAAckersdorf aufgerufen wird. Das, so die Büffel. beinhaltet einen Aufruf zu Straftaten. Das Flugblatt wird schon seit Monaten von der Regensburger Bürgerini in ganz Germoney verteilt. Wir schalteten die PePPeRonI-Rechtsabteilung ein:

Das Besetzen eines nicht umzäunten Geländes ist nach StgB (Strafgesetzbuch) eine Ordnungswidrigkeit. Der Strafbestand eines Aufrufes zu Ordnungswidrigkeiten existiert im StgB jedoch nicht. Wir folgern aus dem Verhalten der Büffelei: WAA-Gegner zu Kriminellen stempeln und mögliche Unterstützer abschrecken.


Spion. Zeitung für München 35 vom September 1985, 2 ff.

Überraschung

Jahr: 1985
Bereich: Atomkraft

Referenzen