Materialien 1992

6 Fragen an Claus Biegert

Der 44jährige Münchner Indianerbuchautor und Journalist organisiert das erste „World Uranium Hearing“, das vom 13. bis 18. September in Salzburg stattfinden soll. Jetzt sucht er noch nach privaten Patenschaften, um die rund 300.000 Mark für die Flugtickets der Betroffenen bezahlen zu können.

Was wollen Sie mit dem Hearing erreichen? Wir wollen die Opfer des Atomzeitalters zu Wort kommen lassen. Drei Viertel der vom Uranabbau Geschädigten gehören zu kleinen Völkern, die abhängig sind von der Natur, die beim Abbau zerstört und verstrahlt wird. Im Hinterland haben weder australische Aborigines noch amerikanische Indianer eine Lobby.

Wer wird ihnen zuhören? Die ganze Welt. Denn im Plenum, dem „Board of Listeners“, werden dreihundert Künstler und Wissenschaftler aus allen Kontinenten sitzen. Kurt Vonnegut, Johannes Mario Simmel, Isabel Allende, Tschingis Aitmatow, Willy Brandt, Robert Redford, der Dalai Lama, Julie Christie und Petra Kelly wollen kommen. Auch Costa Gavras wird da sein; vielleicht entsteht ein Film.

Was ist Ihre Botschaft? Wir wollen die Frage stellen, ob wir weiter eine Energiepolitik propagieren können, die Menschenopfer einkalkuliert. Es gibt keine friedliche Nutzung der Kernenergie. Schon vor der Nutzung hat das Uran einen langen Weg der Zerstörung hinter sich.

Können Sie Beispiele nennen? Das geht schon los beim Abbau. Es werden Navajo-Frauen kommen, deren Männer an Lungenkrebs gestorben sind, nachdem sie jahrelang ungeschützt in den Gruben gearbeitet haben. Es werden indische Kinder sprechen, die acht Zehen oder acht Finger haben. Eine Frau mit verkrüppelten Armen aus Wismut in Ostdeutschland wird die Folgen des Uranexports für den sowjetischen Atombombenbau verdeutlichen.

Das Beispiel Wismut zeigt ja, dass es sich nicht um ein exotisches Problem handelt – der Uranabbau ist also nicht nur ein Problem für die kleinen Völker der Erde? Nein, denn Radioaktivität macht nicht Halt an politischen oder kulturellen Grenzen.

Wird die Veranstaltung ein Feuerwerk, das am 18. September verglüht und vergessen sein wird? Sicherlich nicht, denn wir wollen einen Fond schaffen, der den Betroffenen ermöglichen soll, sich zu treffen und Informationen auszutauschen. Die gewonnenen Ergebnisse unserer Arbeit sollen in ein Archiv für eine nuklearfreie Zukunft übergehen. Darüber wollen wir noch mit der Stadt München verhandeln. Jedenfalls wird nach dem 18. September niemand mehr sagen können: Ich habe davon nichts gewußt.


Münchner Stadtmagazin 7 vom 18. März 1992, 12.