Materialien 1999

Die christlich-soziale Waffenmafia

Zu Lebzeiten genoss die CSU-Größe Franz Josef Strauß (FJS) einen zweifelhaften Ruf, schließlich war dieser ehemalige Atom- und Verteidigungsminister, Ministerpräsident Bayerns und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Airbus GmbH in zahlreiche Affären und Skandale involviert: Schützenpanzer HS 30, Starfighter, Spiegel-Affäre. Nun ist Strauß schon elf Jahre tot, aber sein Geist wandelt immer noch im Bayernlande umher. Diesen Eindruck hat auch die bayerische Grünen-Vorsitzende Margarete Bause: „Die Amigo-Leichen im CSU-Keller werden täglich etwas lebendiger und erfreuen sich inzwischen bester Gesundheit.“1 Der Grund für diese schauderliche Bedrohung aus Deutschlands Süden: In einem neuen Skandal um internationalen Waffenhandel standen fast alle Verdächtigen früher in irgendeiner Beziehung zu Franz Josef Strauß. Hauptakteure waren u.a. der frühere Büroleiter von Strauß und Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Ludwig-Holger Pfahls und der BND-Agent und Strauß-Intimus Karlheinz Schreiber. Auch die leibliche Nachkommenschaft des FJS (zwei Söhne und eine Tochter) soll kräftig abkassiert haben. Von einem blau-weißen „Schmiergeld-Kartell“ ist die Rede. Schlummert unter der Spitze des Eisbergs eine Staatsaffäre?

I. Die Geschäfte

Große Skandale verbergen sich manchmal hinter nüchternen, fast belanglosen Zahlen, die scheinbar in keiner Verbindung zueinander stehen. Wer vermutet schon einen Zusammenhang zwischen der Tatsache, dass das saudi-arabische Heer über 36 Transportpanzer Fuchs verfügt und dem Umstand, dass u.a. eine kanadische, eine thailändische und die frühere DDR-Fluglinie Interflug mit ein Paar Airbus-Flugzeugen ausgestattet waren? Aber Fuchs und Airbus stammen aus der BRD, wurden teilweise in Bayern produziert, das Zivilflugzeug auch gelegentlich als militärische VIP-Transportmaschine genutzt. Und es gibt noch eine weitere Verbindung: Die genannten Transportpanzer und Flugzeuge wurden vom selben Personenkreis vermittelt; dabei flossen Schmiergelder, bzw. Provisionen und Beraterhonorare in Millionenhöhe.

Wüstenfüchse

Die jetzt erst aufgedeckte Affäre begann bereits vor rund zehn Jahren. Im Golfkrieg hatten die irakischen Streitkräfte Kuwait überrollt und eine internationale Truppe unter Führung der USA marschierte auf der arabischen Halbinsel auf. Die Kriegsgefahr am Golf bescherte den Rüstungsproduzenten unerwartete Geschäfte. Schon am 22. November 1990, also ein Jahr vor dem irakischen Angriff auf Kuwait, hatten sich die Saudis um eine Lieferung von Fuchs-Panzern vergeblich bemüht. Ausgerechnet durch den Krieg änderte die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung.2 Die saudischen, ebenso wie die israelischen Streitkräfte wurden ad hoc mit Transport- bzw. ABC-Spürpanzern vom Typ Fuchs ausgestattet. Da die Rüstungsfabrik vom Hersteller Thyssen Henschel in Kassel kurzfristig nicht die georderte Zahl an Fahrzeugen ausstoßen konnten, wurden die benötigten Waffensysteme einfach dem Bestand der Bundeswehr entnommen und erst später durch Neufahrzeuge ersetzt.

Eine solch schnelle Waffenlieferung war nur dadurch möglich, dass das Genehmigungsverfahren für die Rüstungsexporte entsprechend verkürzt wurde. Die amtliche Behauptung, die Bundesrepublik würde gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz keine Waffensysteme in Krisengebiete liefern, musste vollständig ignoriert werden. Dies änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass auch bei diesem Waffengeschäft eine Genehmigung durch den Bundessicherheitsrat eingeholt werden musste. Diese wurde am 27. Februar 1991 erteilt, so dass sich die Frage stellt, in welchem Umfang der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und dessen Kanzleramtsminister Horst Teltschik in diesen Waffenhandel verwickelt waren.3 Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Ludwig-Holger Pfahls, der die offiziellen deutschen Rüstungsexportrestriktionen immer als „Komödie“ kritisiert hatte4, vor, den Verkauf der Transportpanzer initiiert zu haben, „obwohl er wusste, dass es von Seiten des Heeres erhebliche Widerstände gegen die Lieferung dieser Panzer aus Bundeswehrbeständen gab und das Heer die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland durch die Abgabe der Panzer als gefährdet ansah“.5 Im damaligen Exportverfahren wurden nicht nur Mitwirkungs- und Haushaltsrechte des Bundestages übergangen, erst Schmiergeldzahlungen im Millionenhöhe brachten den sonst so schwerfälligen staatlichen Behördenapparat richtig auf Trapp. Der Rüstungsexport wurde damit zur Waffenhandelsaffäre. Bei einem Gesamtvolumen von 446,4 Mio. DM war fast die Hälfte, nämlich 219,7 Mio. DM, als sogenannte „Provisionen oder nützliche Aufwendungen“ von vornherein fest eingeplant. Die zuständigen Finanzbeamten in Düsseldorf gaben dazu gegenüber dem Verkäufer Thyssen ihr OK.6

Teilweise noch länger als der Fuchs-Deal liegen die Airbus-Verkäufe zurück. Bereits 1988 wurden drei Airbus-Flugzeuge für 220 Mio. US$ an die staatliche DDR-Fluglinie „Interflug“ verkauft. Dabei sollen Provisionen in Höhe von 16 Mio. DM geflossen sein.7 Im gleichen Jahr wurden 34 weitere Airbus A 320 an die kanadische Luftfahrtgesellschaft „Air Canada“ geliefert; später gingen weitere Maschinen an die thailändische „Thai Airways International“.8 Auch bei diesen Geschäften wurden Provisionszahlungen getätigt.

II. Die Akteure

BNDler Karlheinz Schreiber

Schreiber stammt aus Landsberg, besitzt neben der deutschen aber auch noch die kanadische Staatsbürgerschaft. Ursprünglich ein Teppichhändler, wurde er später als „Berater“ für mehrere deutsche Rüstungskonzerne aktiv, darunter Thyssen Industrie und Messerschmidt-Bölkow-Blohm. Durch seine „Beratertätigkeit“ bei fünf verschiedenen Rüstungs- und Flugzeuggeschäften soll er insgesamt über 46 Mio. DM verdient haben. Allein bei den drei Airbus-Geschäften soll Schreiber Provisionen in Höhe von rund 13 Mio. DM eingesackt haben.9 Im Partykeller seiner Villa „wird alles beschlossen, was gut ist für Deutschland und unsere Brieftaschen“, pflegte Schreiber zu sagen.10

Geheimdienstler Ludwig-Holger Pfahls

Eine wichtige Sprosse auf der Karriereleiter war für Ludwig-Holger Pfahls (Deckname HOLGERT) seine Tätigkeit als persönlicher Referent von Franz Josef Strauß.11 Mit diesem Protege im Nacken standen Pfahls später weitere Türen offen: Von 1985 bis 1987 war er Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in Köln, anschließend wurde er als Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium in engste Regierungskreise aufgenommen. Nach seiner Karriere im schnöden Staatsdienst wartete 1992 in der freien Wirtschaft ein lukrativer Posten. Bei Daimler-Benz wurde er in die Vorstandszirkel berufen, wo er   von Singapur aus bei einem Jahressalär von 600.000 DM für das Südostasiengeschäft verantwortlich zeichnete.12 Beim Fuchs-Deal soll er weitere 3,8 Mio. DM steuerfrei von Schreiber kassiert haben.

Die ehrenwerte Familie Strauß

Zwei Söhne und eine Tochter gingen aus der Ehe von Franz Josef und Marianne Strauß hervor. Nach Angaben von Schreiber, soll Franz Josef Strauß bzw. seine „Erbengemeinschaft“ bei den Airbus-Geschäften eine Provision in Höhe von 5,2 Mio. DM eingestrichen haben13, die zum Teil in Form von kanadischen Immobilien gezahlt wurden.14 Schreiber kennt sich aus, als früherer Strauß-Freund leitet er für die Familie Strauß in Kanada ein Geflecht aus verschiedenen Unternehmen, wie z.B. die Firma „FMS“ („Franz und Marianne Strauß“).15 Zwar hatte die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier bereits 1997 eine baldige Auflösung der kanadischen Unternehmen in Aussicht gestellt, aber dies ist bis heute nicht passiert, weil angeblich „Änderungen in den Gesellschafterverhältnissen erst im Rahmen der jährlichen Meldungen bekannt gegeben werden“.16

Von den drei Geschwistern scheint insbesondere Max Josef Strauß (Deckname MAXWELL) als Rechtsanwalt schon berufsbedingt eine Vorliebe für Straftaten zu haben. Er soll auch beim Fuchs-Deal 500.000 DM steuerfrei kassiert haben.17 Bereits 1989 hatte Max Josef Strauß jedem mit einer Verleumdungsklage gedroht, der seinen gerade verstorbenen Vater Franz Josef Strauß beschuldigt, dieser hätte bei den Airbus-Deals abkassiert.18 Nun steht der Jurist in der Affäre selber unter Tatverdacht.

Seine beiden Geschwister, Franz Georg und Monika, bestreiten jegliche Verwicklung in die Korruptionsaffäre, was von der Augsburger Staatsanwaltschaft bestätigt wird.19 Strauß-Tochter Monika Hohlmeier ist zur Zeit bayerische Kultusministerin.

Bayerische Sizilianer

Zu den Tatbeteiligten gehören auch mehrere Spitzenpolitiker der CDU/CSU, die zum Teil schon auf kriminelle Erfahrungen aus anderen Affären zurückblicken können. Erich Riedl (CSU) war früher Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB, jetzt Teil der Daimler-Benz-Tochter DASA). Er bestreitet nun, beim Fuchs-Geschäft 500.000 DM erhalten zu haben, gleichzeitig beschuldigt dessen Ehefrau aber den Mitverdächtigen Max Josef Strauß: „Beseitigen Sie alles. Das muss alles weg, alle Telefonnummern, Visitenkarten vernichten“, habe dieser zur Spurenbeseitigung empfohlen.20

Der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep (Deckname WALDHERR) war schon in die Flick-Affäre verwickelt und soll beim Fuchs-Geschäft 1 Mio. DM von Schreiber erhalten haben. Im Zusammenhang mit den Schmiergeldzahlungen wurden auch der bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) genannt, der noch 1998 mit dem flüchtigen Schreiber Kontakte unterhalten haben soll,21 und der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel.22 Beide bestätigten, von Schreiber Geld angenommen zu haben, aber es habe sich dabei nur um Parteispenden an die CSU gehandelt.23

Der amtierende bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber bestritt zunächst jegliche Beteiligung am Airbus-Geschäft mit der DDR. Mittlerweile musste er zugeben, damals als Staatskanzlei-Minister den Verkauf erst angeleiert zu haben. Er habe jedoch weder eine Provision erhalten noch von irgendwelchen Zahlungen gewusst, behauptet nun Stoiber, der sich zur Zeit gleich mit mehreren Affären in seinem Verantwortungsbereich herumplagen muss.24 Auch die frühere Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium Agnes Hürland-Büning wurde von der Staatsanwaltschaft vernommen.25

Darüber hinaus wird gegen zwei damalige Rüstungsmanager des Thyssenkonzerns ermittelt: Jürgen Maßmann (Deckname JÜRGLUND) soll sich beim Fuchs-Geschäft mit Saudi-Arabien einen Spitzenbetrag von 4,125 Mio. DM von Schreiber eingesteckt haben. Er ist inzwischen Geschäftsführer der Henschel Wehrtechnik GmbH. Winfried Haastert (Deckname WINTER), mittlerweile Personalvorstand der ThyssenKrupp Automotive AG, soll hingegen schon für 1,2 Mio. DM käuflich gewesen sein.26

III. Strafverfolgungsversuche

Leiter der Ermittlungen ist Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz, Chef der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität Augsburg. Entgegen allen Hindernissen ist er um eine Aufklärung der Affäre bemüht. Die offiziellen Anklagen lauten auf Steuerhinterziehung, Bestechung oder Untreue. Am längsten wird gegen Karlheinz Schreiber ermittelt. Gleich zwei Verfahren (Aktenzeichen 505 Js 145386/95 und 502 Js 116775/96) sind gegen ihn seit Jahren anhängig. Bei den Nachforschungen gegen Schreiber ließ die Staatsanwaltschaft im Winter 1995/96 zahlreiche Wohnungen durchsuchen, u.a. auch die Domizile von Ludwig-Holger Pfahls und Max Josef Strauß.27 Ein Haftbefehl datiert vom 7. Mai 1997.28 Ihm wird eine Steuerhinterziehung in Höhe von rund 25,7 Mio. DM aus. der Zeit von 1988 bis 1993 zur Last gelegt.29 Am 31. August 1999 wurde Schreiber in Kanada festgenommen, jedoch am 8. September 1999 gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 1,5 Mio. DM vorrübergehend freigelassen. Die Summe zahlten zwei einflussreiche kanadische Geschäftsleute, darunter ein ehemaliger Minister.30 Die deutsche Staatsanwaltschaft bereitet zur Zeit einen Auslieferungsantrag vor.

Gegen Ludwig-Holger Pfahls wird unter dem Aktenzeichen 502 Js 127135/95 wegen Steuerhinterziehung ermittelt. In einem Brief vom Januar 1996 klagte der ehemalige Verfassungsschutzchef dem damaligen Bundeskanzler Kohl sein Leid: Die Staatsanwälte hätten „die Anständigkeit eines ehemaligen Beamten in einer Spitzenstellung ohne Rücksicht auf die Konsequenzen leichtfertig in Zweifel gezogen“.31 Nachdem schließlich im April 1999 ein Haftbefehl gegen ihn ergangen war, kündigte er an, sich „freiwillig“ stellen zu wollen. Allerdings harrten die Justizbediensteten am 6. Juli 1999 vergeblich auf dem Franz Josef Strauß-Flughafen in München der Ankunft des Flüchtigen aus Taiwan. Der Gesuchte ist untergetaucht und hält sich vermutlich weiterhin in Fernost auf. Möglicherweise nimmt ein Zielfahndungskommando des Bundeskriminalamtes, das auf einschlägige Erfahrungen aus der Terroristenfahndung zurückblicken kann, die Jagd nach dem Daimler-Manager auf. Gegen Erich Riedl wird ebenfalls wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Auch gegen die beiden ehemaligen Thyssenmanager ergingen im April 1999 Haftbefehle. Obwohl das Oberlandesgericht München im Juli 1999 weiterhin vom „dringenden Tatverdacht“ der Untreue und Steuerhinterziehung ausgeht, ließ es dennoch die beiden feinen Herren gegen Zahlung einer Kaution von jeweils 1 Mio. DM auf freien Fuß.32

Gleichzeitig ist in Kanada die dortige Staatsanwaltschaft aktiv geworden: Gegen zwei Freunde von Schreiber, den ehemaligen Regierungschef Brian Mulroney und den Ex-Premier der Provinz Neufundland wurden Ermittlungsverfahren angestrengt. Sie stehen im Verdacht, im Zusammenhang mit den Airbus-Verkäufen an die „Air Canada“ Schmiergelder kassiert zu haben.33 Auch an den Vorsitzenden der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Wolfgang Schüssel, sollen Schmiergelder geflossen sein.34

IV. Aufklärung?

Die Lieferungen der Transportpanzer an Saudi-Arabien waren durch die Bundesregierung gebilligt, die Exporte der Airbus-Flugzeuge waren genehmigungsfrei. Schmiergeldzahlungen galten bis 1996 in der Bundesrepublik als legal und waren vom Geldgeber von der Steuer absetzbar.35 Im Rahmen ihrer Amtsgewalt ist für die Staatsanwaltschaft damit die Affäre auf die Anklagepunkte Steuerhinterziehung und Untreue der Geldempfänger beschränkt. Mit Hinweis darauf, dass das Steuergeheimnis auch für diejenigen gelte, die diese Steuern nicht bezahlt hätten, müsse man sich mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhalten. Damit ist aber die politische Dimension des Skandals keineswegs erschöpft. Vielmehr widersetzen sich sogar die Sozialdemokraten der Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, da sie Unruhe in der Ministerialbürokratie fürchten, wenn die neue Bundesregierung nach den „Sünden“ der alten fahndet.36 Lediglich Staatssekretär Walter Kolbow ist im Bundesverteidigungsministerium mit der Überprüfung des Fuchs-Deals beschäftigt.

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass auch ein SPD-Politiker von der Staatsanwaltschaft vernommen wurde. Helmut Wieczorek (Deckname WI) ist heute Vorsitzender des Verteidigungsausschusses und war seinerzeit Manager bei Thyssen. Er habe zwar 1995 mit Schreiber über die Lieferung einer Rauchgas-Entschwefelungsanlage nach Kanada verhandelt, in die Rüstungsaffäre bestreitet er aber jegliche Verwicklung: „Da ist nichts geflossen.“37

Auch der amtierende BND-Präsident August Hanning ordnete eine dienstinterne Untersuchung an.38 Schließlich maßt sich ja ausgerechnet der BND Kompetenzen bei der Bekämpfung staatlicher Schwerstkriminalität an, wie BND-Chef Hanning kürzlich erklärte: „Wir arbeiten nicht als Hilfsorgan der Polizei. Wir interessieren uns vor allem für die Strukturen der organisierten Kriminalität und ihrer Verbindung zu staatlichen Institutionen.“39 Der BND könnte durchaus zur Aufklärung der Affäre beitragen, z.B. indem er bei der taiwanesischen Regierung auf eine Überstellung von Pfahls drängt, da zwischen Taiwan und der BRD bisher kein Auslieferungsabkommen besteht. Schließlich verfügt der deutsche Auslandsgeheimdienst seit den sechziger Jahren über beste Beziehungen zum militärischen Partnerdienst der Inselrepublik. So lieferte der BND 1992 diesem eine Computerauswertungszentrale für die taiwanesische Fernmeldeüberwachung.40

Nicht zuletzt ist Karlheinz Schreiber aufgefordert, zur Aufklärung beizutragen. Damit sollte er nicht erst dann beginnen, wenn er an die Bundesrepublik ausgeliefert wird. Bereits im Jahre 1998 hatte er seinem Arbeitgeber BND damit gedroht, über Waffenlieferungen an die nicaraguanischen Contra-Terroristen auszupacken. Diese waren 1983 im Einvernehmen mit der amerikanischen Reagan-Regierung über die CSU-Organisation „Hanns-Seidel-Stiftung“, die vom BND wiederholt als Frontorganisation genutzt wurde, abgewickelt worden.41

Eine wesentliche Frage zur Aufklärung der Affäre ist noch völlig offen: Warum zahlten die Saudis für die (teilweise gebrauchten) Fuchs-Panzer ein Mehrfaches des marktüblichen Preises? Selbst für die reichen Öl-Scheichs ist solch ein Geschäftsgebaren ungewöhnlich. Floß der Differenzbetrag nur in private Taschen, wie die Staatsanwaltschaft suggeriert, oder wurden hier schwarze Gelder für besondere Aufgaben „erwirtschaftet“? Dass das traditionelle Zusammenspiel aus CSU-Amigos und BND-Geheimdienst in diesem Fall reiner Zufall war, glaubt nur die Staatsanwaltschaft, denn die ist schließlich immer auch ein Anwalt des Staates. Den Hauptverdächtigen Karlheinz Schreiber treibt unterdessen nicht die Sorge um, die Affäre könnte eines Tages doch noch aufgeklärt werden: „Die bayerische Staatskanzlei ist dem Alzheimer zum Opfer gefallen. Da kennt mich keiner mehr.“42

gp

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1 AFP, 17. September 1999, 16:08.

2 Klaus Wirtgen, Keine Spur van Ludwig-Holger Pfahls, Berliner Zeitung vom 26. August 1999.

3 Dietmar Hawranek, Operation Fuchs, Spiegel vom 19. Juli 1999, 24.

4 Berliner Zeitung vom 26. August 1999.

5 Zitiert nach Wolfgang Krach, „Ganz schön Bewegung“, Spiegel vom 6. September 1999, 112.

6 Hans Leyendecker, Spürpanzer mit Steuervorteil, Süddeutsche Zeitung vom 22. September 1999.

7 Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 1.

8 Spiegel vom 6. September 1999, 113.

9 Reuters, 8. September 1999, 16:24.

10 Karl-Heinz Steinkühler, Ein Roter unter Schwarzen, Focus 37/1999, 40.

11 Die Decknamen entstammen den konspirativen Aufzeichnungen, die bei Karlheinz Schreiber sichergestellt werden konnten. Süddeutsche Zeitung vom 2. September 1999, 40.

12 www.manager-magazin.de/prtversion/O,1119,443,00.html.

13 AFP, 21. September 1999, 10:54.

14 Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 1.

15 Markus Dettmer, Das Netz der Amigos, Spiegel vom 4. Oktober 1999, 36.

16 Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 1.

17 Spiegel vom 19. Juli 1999, 23.

18 Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 1.

19 AFP, 21. September 1999,10:54.

20 Spiegel vom 19. Juli 1999, 24.

21 Reuters, 8. September 1999, 16:24.

22 AFP, 17. September 1999, 16:08.

23 dpa, 8. September 1999,18:03.

24 Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 1.

25 Spiegel vom 4. Oktober 1999, 36.

26 Spiegel vom 19. Juli 1999, 23. Nach anderen Angaben wurden 11 bzw. 1,5 Millionen DM gezahlt: dpa, 2. September 1999, 12:16.

27 Reuters, 1. September 1999, 18:43.

28 taz vom 2. September 1999.

29 Reuters, 1. September 1999, 18:43.

30 Reuters, 8. September 1999,16:24.

31 Berliner Zeitung vom 26. August 1999.

32 Spiegel vom 4. Oktober 1999, 38.

33 Spiegel vom 6. September 1999, 113.

34 dpa, 8. September 1999, 18:03.

35 Süddeutsche Zeitung vom 22. September 1999.

36 Spiegel vom 4. Oktober 1999, 38.

37 Focus 37/1999, 40.

38 ADN, 30. September 1999, 05:33.

39 Berliner Zeitung vom 2. Oktober 1999, 6.

40 Erich Schmidt-Eenboom/Jo Angerer, Die schmutzigen Geschäfte der Wirtschaftsspione, Düsseldorf 1994, 264.

41 Hans Leyendecker, „Ich selbst bin Zeuge hierfür“, Süddeutsche Zeitung vom 24. September 1999, 11.

42 dpa, 6. Oktober 1999.


antimilitarismusinformation 10 vom Oktober 1999, 35 ff.

Überraschung

Jahr: 1999
Bereich: CSU

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