Materialien 2005
Terror und Sozialraub
Die Politik der NPD in Wurzen und München
von Max Brym 03/05
In der sächsischen Kleinstadt Wurzen sitzt die NPD mit drei Mandaten im Stadtrat. Anlässlich der Kommunalwahlen im April 2004 hatte die NPD mit 11,8 Prozent ihr Ergebnis von 1999 glatt verdoppelt. Mit den Mitteln altbekannter Nazidemagogie spielt sich die NPD und die mit ihr verbundenen freien Kameradschaften als Rächer der Enterbten auf. Angeblich sind die Nazis gegen Hartz IV. Mit flotten Sprüchen gegen „soziale Ungerechtigkeiten“ und antikapitalistischen Phrasen will die NPD vom sozialen Unmut profitieren.
Kaum jedoch saßen die honorigen braunen Kleinbürger in den weichen Sesseln des Stadtrates in Wurzen, ließen sie ihre Maske fallen. Mit den Stimmen der NPD setzte die CDU im Oktober ein „Haushaltssicherungsgesetz“ durch. Nach dem Konzept werden 23 Stellen nicht wieder besetzt. Es gibt höhere Gebühren für Bibliotheksbenutzer. Auf die Kleingärtner kommt ein höherer Pachtzins zu. Im Standesamt und Einwohnermeldeamt steigen die Kosten. Die Klassenzimmerreinigung wurde auf die Schüler abgewälzt. Die örtliche CDU gibt den Sozialraub als „Erfolg“ aus, ohne zu erwähnen, dass nur mit den Stimmen der NPD die Vorlage im Stadtrat umgesetzt werden konnte.
In der Stadt Wurzen steht die NPD bereits praktisch für Sozialraub in Koalition mit der CDU. Die soziale Demagogie der Nazis ist nur der Leim um eine bestimmte Klientel einzufangen. In Wahrheit steht die NPD für Sozialraub, Rassismus und Terror. Das kann in Wurzen praktisch beobachtet werden.
Auf das Büro des „Netzwerkes für demokratische Kultur“, wurde im November 2004 ein Anschlag mit einer Rohrbombe verübt. Daraufhin gab es eine Plakataktion der „Standortinitiative Wurzen“ (Vereinigung der örtlichen Unternehmer) unter dem Motto „Die Rechten schaffen keine Arbeitsplätze – Arbeitsplätze schaffen wir“. Diese Aktion ist bezeichnend, denn sie stellt sich nicht gegen das rassistische Konzept der „National Befreiten Zonen“, die mittels Rohrbomben und Totschlag durchgesetzt werden sollen. Nein, das örtliche Gewerbe vermittelt den Eindruck, besser für Arbeitsplätze sorgen zu können. Verurteilt wird von der Vereinigung nur die Kameradschaftsszene und nicht deren honorige Anführer im Wurzener Stadtrat.
Das „Haushaltssicherungskonzept“ lag im Interesse der örtlichen Industrie, man ist genauso wie die CDU mit der NPD im Geschäft. Dezent wird die offen terroristische Seite der NPD Politik ausgeblendet. Obwohl der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, über die militante Neonazi Szene sagte: „Ich kenne in Sachsen keine Kameradschaften, die nicht mit uns zusammenarbeiten.“ Ergo jeder rassistische Mord, jede Terroraktion gegen Links, jede Grabschändung auf einem jüdischen Friedhof ist politisch mit der NPD verbunden. Die NPD steht in Wurzen beispielhaft für Terror und Sozialraub, aber auch für billige soziale Demagogie. Dafür steht die NPD bundesweit und dafür will sie am 2. April in Zusammenarbeit mit den „Kameradschaften in München demonstrieren.
„Dem System Feuer machen“
wollen verschiedene Kameradschaften und die NPD mit einer Großkundgebung und Demonstration am 2. April 2005 in München. Unter Parolen wie „Keine Agenda 2010“ wollen die Nazis ab 11.30 Uhr vom Münchner Stachus zur Theresienwiese ziehen. Der Aufruf der braunen Banditen ist voller sozialer Demagogie, er landet aber letztendlich bei seinem rassistisch antisemitischen Kern.
Die Hauptlosung der Nazis „Nur ein Esel glaubt noch an den Sozialstaat in der BRD“, knüpft bewusst an die Aktion der ANS in den siebziger Jahren an. Damals traten die Nazis um Michael Kühnen und dem aktuellen Kundgebungsredner Christian Worch mit Plakaten auf, auf denen geschrieben stand: „Ich Esel glaube noch, dass in deutschen Konzentrationslagern Juden vergaßt wurden“. Die sogenannte Kapitalismuskritik der Nazis ist glatter Antisemitismus. Ihre Parolen gegen den „Raubtierkapitalismus“ und die „Finanzoligarchie“ ist keine Kritik an kapitalistischen Produktionsverhältnissen, sondern krude Weltverschwörungstheorie mit dem altbekannten Trick, das Kapitalverhältnis in gut und böse aufzuteilen. Das angeblich „schaffende deutsche Kapital“ wird dem „raffenden Kapital“ entgegengestellt.
Worum es den Nazis geht
Die Nazis schreiben in ihrem Aufruf: „Kaum mehr ein Deutscher wohnt in den sozialen Brennpunkten wie Hasenbergl oder Neuperlach, denn hier funktioniert bereits das System der Unterdrückung gegen uns Deutsche.“ Der Schuldige an der sozialen Misere ist für die Nazis „der Ausländer“, der zusätzlich „Deutsche unterdrückt“. Damit wird zum Kampf gegen Menschen ohne deutschen Pass geblasen. Der Text ist nur als Aufforderung zu Mord und Totschlag zu verstehen. An den sozialen Brennpunkten soll der Kampf „Rasse gegen Rasse“ ausgetragen werden.
Es liegt auf der Hand, wem dieser mörderische Rassismus dient. Die Banken, Konzerne und Großimmobilienbesitzer lachen sich ins Fäustchen, wenn die armen Leute im Hasenbergl und Neuperlach gegeneinander aufgebracht werden. Die Politik der NPD ist barbarisch und asozial. Dennoch genehmigte das Kreisverwaltungsreferat der NPD am 2. April in München diese Demonstration und Kundgebung.
Anmelder ist Hayo Klettenhofer, ein Typ der sich krampfhaft bemüht, wie ein SS-Mörder auszusehen. Der ursprüngliche Anmelder Norman Bordin, wurde vom KVR nicht akzeptiert, da er längere Zeit in Haft war. Der Nazi Bordin ist wieder Führer der „Kameradschaft Süd“, dessen zwischenzeitlicher Führer Martin Wiese gegenwärtig vor Gericht steht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie dem geplanten Bombenanschlag auf das neue jüdische Kulturzentrum. Bordin war im Knast wegen gefährlicher Körperverletzung gegen einen griechischen Mitbürger anlässlich der Geburtstagsfeier Martin Wieses im Januar 2001. Bordin ist zwischenzeitlich Mitglied der NPD geworden und gehört der obskuren Sekte KDS (Kampfbund deutscher Sozialisten) an.
Die Herren Klettenhofer, Bordin, Axel Reitz und Worch wollen am 2. April in München auf ihrer Abschlusskundgebung an der Theresienwiese reden. Anschließend soll es neonazistische Musik geben. Was die Herrschaften zu sagen gedenken, liegt auf der Hand; diese Typen werden es wagen sich antikapitalistisch zu verkaufen. Doch hinter der Sozialabbaukritik von Rechtsteht die immer gleiche völkisch rassistische Ideologie von Volksgemeinschaft, Nationalismus und Antisemitismus.
Am 2. April – Die Nazis stoppen
In München hat sich ein breites Bündnis gegen den Neonaziaufmarsch gebildet. Das Kreisverwaltungsreferat legt es darauf an, dass braune Banden durch München marschieren dürfen. Den Nazis wurde der Karlsplatz zwecks Auftaktkundgebung genehmigt. Das ist unter formal rechtlichen Gesichtspunkten äußerst fragwürdig, denn der Erstanmelder für den Stachus war der AStA der Uni München. Zwischenzeitlich hat auch der DGB eine Kundgebung am Marienplatz angemeldet.
Gemeinsam ist den verschiedenen Organisationen und Gruppen aus dem „antifaschistischen Lager“, dass es keinen ungestörten Naziaufmarsch durch München geben darf. Der Naziaufmarsch muss verhindert werden. Die Nazis knüpfen in ihrer Werbung bewusst an den Mythos von der „Hauptstadt der Bewegung“ an. Es geht am 2. April darum die Nazistrategie scheitern zu lassen.
Editorische Anmerkungen:
Max Brym stellte uns diesen Artikel am 12.03.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.