Materialien 2005
Nazis in Dorfen und in München
Bayern
von Max Brym 06/05
Wer es sich gegenwärtig antut, nazistische Zeitungen zu lesen, dem wird schlecht bezüglich ihrer Jubelarien. Am 4. Juni traten die Nazis neuerlich in der südostoberbayerischen Kleinstadt Dorfen zu einer Demonstration an. Das Motto der Naziprovokation lautete: „Schöner leben in Dorfen – Jugendzentrum schließen“.
Etwa 130 Faschisten unter dem Kommando des NPD-Bezirksvorsitzenden Roland Wuttke und des wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraften Norman Bordin, stellten sich dazu hinter Absperrgittern am Bahnhof in Dorfen auf. Viele Jugendliche aus Dorfen bekundeten lautstark ihre Ablehnung der nazistischen Provokation. Die Jugend in Dorfen und Umgebung will ihr selbstverwaltetes Jugendzentrum (eines der letzten der Region) behalten. Ein Dorfener Bürgerbündnis stellte sich zur gleichen Zeit mittels einer Menschenkette in der Dorfener Innenstadt auf.
Am Bahnhof hingegen begann die Situation zu eskalieren. Rund 300 meist Jugendliche wollten den Naziaufmarsch in der Bahnhofstraße blockieren. Trotz dreimaliger Aufforderung durch den Polizeisprecher entfernten sich die jugendlichen Antifaschisten nicht von der Straße. Daraufhin kam es zu einem ziemlich brutalen Polizeieinsatz gegen die antifaschistischen Jugendlichen vor dem Bahnhof in Dorfen, die USK-Einheiten prügelten den Nazis den Weg frei. Die polizeiliche Aktion führte zu mehreren Verletzten und zu mehreren Festnahmen. Jubelnd zogen die Nazis unter Rufen wie „Die Straße frei der deutschen Jugend“ weiter in die Dorfener Innenstadt, dort hielten sie umringt von ca. 500 – 600 Gegnern ihre provokatorische Kundgebung ab.
Der Nazispuk bewegte sich von 12.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr durch Dorfen. Unter Dorfener Jugendlichen und Bürgern hat der Nazismus momentan keine Chance, dass belegen auch die gutbesuchten antifaschistischen Veranstaltungen in Dorfen. Die Verhältnisse in Dorfen sind zu stabil und es gibt eine linke Jugendszene, in die die NPD nicht einzubrechen vermag. Jedoch kündigten alle Naziredner an wiederzukommen, denn sie hatten ihre Demonstration durchgesetzt und strategisch planen sie, dass ihnen die örtlich CSU mit der Forderung, „Weg mit dem Jugendzentrum“ entgegenkommt.
In der Tat gibt es in der Dorfener konservativen Politszene das Argument: „Machen wir doch das Jugendzentrum dicht, dann haben wir keine Probleme mehr mit den Linken und den Rechten.“ Kurzfristig kann sich die CSU diese Reaktion nicht erlauben, dennoch spekulieren die NPD und die „freien Kameradschaften“ darauf, dass ihnen die Konservativen unter diesem Motto mittelfristig entgegenkommen. Dies würde der braune Sumpf bundesweit als seinen Erfolg verkaufen. Vorläufig feiern sie nur ihre „gelungene Demonstration“ ab.
München – Norman Bordin als Stichwortgeber der Polizei
Am Donnerstag den 2. Juni versuchte die neonazistische Szene in München, sich in zwei Lokalen in Haidhausen und Giesing ungestört zu treffen. Der Plan ging in die Hose, da Antifaschisten zugegen waren und die Nazis in einem Lokal attackiert wurden. Die örtlichen Polizeistationen hatten an diesem Abend zu tun.
Allerdings wirft die Vorgehensweise der Polizei an diesem Abend mehrere Fragen auf. Vor allen Dingen die Frage, inwieweit sich die Polizei zum Handlanger des Nachfolgers von Martin Wiese (verurteilt wegen eines versuchten Bombenanschlages auf das neue jüdische Kulturzentrum in München), Norman Bordin, machte. In einem der Lokale weilte der Journalist Dr. Nikolaus Brauns, der für das „Neue Deutschland“ und die „Junge Welt“ schreibt. Am Abend des 2. Juni stellte Bordin einen Text auf die Seite des „Freien Widerstandes“, in dem er den „Trotzkisten Brauns“ zum Anführer „der rotfaschistischen Schlägerbande“ ernannte. Bordin behauptete in dem Text zudem, dass Brauns mittels seines Handys die Aktion gesteuert hätte.
Gegen 3 Uhr nachts drang daraufhin die Polizei ohne haft- und richterlichen Durchsuchungsbefehl in die Wohnung von Nick Brauns ein. Mit der Begründung „Gefahr in Verzug“ wurde Brauns festgenommen und die Polizisten rechtfertigten ihre Maßnahme exakt mit den Worten, wie sie der gemeingefährliche Nazischläger Norman Bordin vorgab. In der Wohnung des freien Journalisten wurde der Computer, das Notebook und wichtige Unterlagen beschlagnahmt. Die Gegenstände und Dokumente wird der freie Journalist Brauns längere Zeit nicht zurückerhalten. Damit wurde durch die Hintertür ein reales Berufsverbot für den freien Journalisten durchgesetzt. Denn ohne Unterlagen und Arbeitsmaterialien ist eine reguläre Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit nicht möglich.
Die Begründung für diese Maßnahme liefern die haltlosen Behauptungen des Neonazis Norman Bordin. Auf den Internetseiten des „Freien Widerstandes Süd“ wird die Sache als großer Erfolg für den „Nationalen Widerstand“ dargestellt. In den Diskussionsrubriken dieser braunen Hetzseite wird über weitere Aktionen gegen den Journalisten Brauns offen nachgedacht.
Die Anhänger von Bordin geben sich legalistisch und setzen weiter auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Polizei, während die Anhänger von Hajo Klettenhofer eher auf direkte Gewalt gegen den Journalisten Brauns setzen. Die zuletzt genannten stellen auf den Diskussionsseiten des „Freien Widerstandes“ folgende Aktionsformen zur Debatte. Klettenhofer schrieb: „Wir können uns den Wahnsinn nicht weiter gefallen lassen.“ Andere meinten: „Der Brauns hat vielleicht eine Freundin, geht Zigaretten holen und er muss auch einen Wohnsitz haben.“ Diese direkte Aufforderung zur Gewalt gegen Nick Brauns wird ergänzt mit Vorschlägen wie beispielsweise, „nationale Kameraden könnten ihn in Gespräche verwickeln, ohne das er weiß, mit wem er redet“, dass Ende des Gesprächs benennen die Nazis nicht, ist aber vorstellbar. Andere nennen Termine von DKP-Gruppentreffen „auf denen man Brauns treffen könnte“.
Bis dato ist nicht bekannt, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft gegen solche Aufrufe zur direkten Gewalt gegen einen freien Journalisten etwas zu unternehmen gedenkt. Es ist nicht ganz abwegig, der Vorstellung eines Bordin Anhängers auf den Diskussionsseiten zu folgen, auf denen er diagnostizierte: „In Bayern geht die Polizei und der Staat eher auf die Linke, als auf die Rechte los.“ Faschistische Internetzeitungen wie „Altermedia“ und das „Störtebeker-Netz“ veröffentlichen Hetzartikel gegen Brauns mit großformatigen Bildern des Journalisten.
Nick Brauns ist durch die polizeiliche Aktion in seiner beruflichen Existenz bedroht und er sieht sich einer realen physischen Bedrohung durch die braune Szene ausgesetzt. Es gilt alles zu tun, um dem Journalisten Brauns politisch und publizistisch solidarisch beizustehen. Herr Brauns hat diverse juristische Klagen gegen die polizeilichen Maßnahmen und die nazistische Hetze eingeleitet. Über die Entwicklung muss die Öffentlichkeit auf dem laufenden gehalten werden.
Editorische Anmerkungen:
Max Brym stellte uns diesen Artikel am 9.06.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.