Materialien 2006
Rede am 19. August 2006
bei der Protestkundgebung gegen den Nazi-Aufmarsch
Liebe KundgebungsteilnehmerInnen, liebe Freundinnen und Freunde,
Wenn es nach den Münchnerinnen und Münchnern ginge, dann hätten die Neonazis keinerlei Chance, ihre faschistischen Propagandamärsche in dieser Stadt durchzuführen. Seit Jahren gehen wir zu Tausenden dagegen auf die Straße.
Der eigentliche Skandal ist: Polizei und Sicherheitsbehörden lassen jeden Neonazi-Aufmarsch gegen Massenproteste der Bevölkerung durchprügeln und machen sich so zu Komplizen der Nazis.
Geradezu empörend ist die Entscheidung des Münchner Kreisverwaltungsreferats, das die Nazifeiern zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zulässt und auch noch verharmlost.
Was in Wunsiedel und anderen Städten zu Recht verboten ist, wird in München erlaubt, obwohl der Zweck der Nazi-Versammlung völlig eindeutig ist, nämlich: die Verherrlichung der NS-Herrschaft und die Huldigung für den verurteilten Kriegsverbrecher Rudolf Heß als „Märtyrer des Friedens“.
Das ist – das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden – das ist Begünstigung faschistischer Propaganda und Begünstigung von Straftaten. Zumindest den § 130 Strafgesetzbuch sollte auch in München bekannt sein: Danach ist die Rechtfertigung und die Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein Straftatbestand!
Der Münchner Oberbürgermeister hätte eigentlich einschreiten müssen. Doch nichts war zu hören. Gebetsmühlenartig wird bei jedem Nazi-Aufmarsch behauptet, es gäbe keine rechtlichen Handhaben, um dagegen vorzugehen. Aber immer noch existiert der Artikel 139 des Grundgesetzes. Und danach sind Naziorganisationen egal unter welchem Namen, verboten. Ebenso verboten ist jede Propaganda, die dazu dient, den Geist des Nationalsozialismus wieder zu beleben oder zu fördern.
Das sollte eigentlich genügen – wenn nicht, warum ist dann keine Bundesregierung und warum ist keine der staatstragenden Parteien bereit, eindeutige gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, um Nazipropaganda und Rassismus zu verbieten und faschistische Organisationen aufzulösen.
Immer mehr Menschen stellen sich die Frage: Warum gibt es bis zum heutigen Tag kein eindeutiges Faschismusverbot im Grundgesetz? Sind etwa die Nazis nützliche Hilfstruppen? Werden die Nazis gebraucht zur Durchsetzung der rassistischen Ausländerpolitik des Staates?
Liebe Freundinnen und Freunde!
Wir sind nicht hier zusammen gekommen, um uns gegenseitig unsere antifaschistische Haltung zu bestätigen oder um Schaufensterreden zu halten, sondern um den Neonazis entgegen zu treten und um die Verherrlichung des Faschismus nicht zuzulassen. Denn wir bleiben dabei: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Deshalb macht Euch nach dieser Kundgebung auf zum Stachus, demonstriert dort, wo sich die Neonazis versammeln. Stoppt die Nazis! Wir können uns nur auf uns selbst verlassen. Nur gemeinsames Handeln, Nur unsere Ausdauer und unsere Entschlossenheit kann verhindern, dass sich das braune Gift weiter ausbreitet.
Zum Schluss noch ein Appell an alle Polizeibeamten, die heute wieder zum Schutz der Nazis eingesetzt werden: Lassen Sie sich dafür nicht missbrauchen. Wenn die Polizeiführung behauptet, der Schutz der Nazis diene dem Schutz der Demokratie, dann ist das eine Lüge, denn: Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda. Und wenn Ihnen die Polizeiführer befehlen, Sie sollen die Straßen für die Nazis freikämpfen, dann weigert Euch und sagt NEIN! Und wenn sie Ihnen befehlen, Jagd auf Antifaschisten zu machen, auch dann gibt es nur eins: Sagt NEIN!
Wir jedenfalls lassen uns von niemandem das Recht nehmen, gegen die Nazis aufzustehen und zu demonstrieren. Heute nicht und morgen nicht.
Claus Schreer