Flusslandschaft 1946

StudentInnen

Noch findet an der Universität kein geregelter Lehrbetrieb statt. Unter den Studierenden finden sich viele Sympathisanten des Nationalsozialismus.1 Im Frühjahr kursieren Einzeichnungslisten, in denen Kommilitonen eine Sympathie-Erklärung für Universitäts-Rektor Geheimrat Dr. Rehm und gegen den bayrischen Ministerpräsidenten unterzeichnen. Staatskommissar Otto Graf soll die Ent-
nazifizierung an der Universität durchführen. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Persilscheine für Professoren und Dozenten sowie Einwände gegen die Entlassung aus dem Universitäts-Dienst-
verhältnis.2 Von der US-amerikanischen Administration befragt, meint er, dass „die Möglichkeit der Umbildung und Umschulung der Studentenschaft – auch der nazibelasteten – bei einiger Klug-
heit und Konsequenz durchaus gegeben“ ist. „Dagegen sind die Schwierigkeiten der Entnazifizie-
rung des Lehrkörpers der Universität außerordentlich groß. Die älteren Professoren und Dozenten, soweit sie heute noch tätig sind, waren zwar in ihrer Mehrzahl niemals Mitglieder der NSDAP,
aber ihrer politischen Grundanschauung nach sind sie vielfach alldeutsch-militaristisch, d.h. dem Wesen nach von der Nazi-Grundanschauung wenig verschieden. Sie sind Imperialisten, wie es die Nazi waren. Sie sind militaristisch, wie es die Nazi waren, und auch antisemitische Strömungen unter ihnen sind keineswegs erloschen. Selbst Versuchen politischer Aufklärung und Umbildung steht ein guter Teil des Lehrkörpers der Universität ablehnend gegenüber. Die Tatsache, dass viele der Dozenten und Professoren von heute dem Fragebogen nach nicht Mitglieder der NSDAP waren, beruht nicht so sehr auf einer anderen politischen Grundanschauung als vielmehr auf dem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Distanzierung.“2 Vor allem an der medizinischen und an der philosophischen Fakultät halten die rechtskonservativen Seilschaften zusammen.


1 Siehe „No. 4174“ von Wilhelm Hoegner sowie Kultusminister Franz Fendt.

2 Siehe „Erklärung“ von Dr. Josef Müller und „An das Rektorat der Universität München“ von Prof. Paul Lehmann.

2 Interview mit Otto Graf am 25.6.1946, Sammlung Otto Graf, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 1946
Bereich: StudentInnen