Flusslandschaft 2014
Religion
Um 10 Uhr beginnt am Karfreitag, 18. April, der „Kreuzweg der Völker“ in der Kirche St. Michael. Aberhunderte von Gläubigen singen, während der Bischofsvikar mit seiner Begleitung das feier-
liche Ereignis zelebriert. Kreuze werden gesegnet und schließlich verteilt. Dann begibt sich die Prozession durch die Kaufingerstraße zur Mariensäule auf dem Marienplatz. Es wird gebetet und gesungen, Rosen werden verteilt. Das Wetter ist kalt und windig, es nieselt zwischendurch. Die Stimmung ist düster. Kurz vor 12 Uhr erfolgt der Segen, Menschen gehen heim, einige bleiben, im Kreise von Gläubigen steht noch der Bischofsvikar. Da gesellt sich ein zweiter Geistlicher dazu. Er trägt ein eigenartiges Plakat und auf dem Rücken seiner Soutane steht „gottlos glücklich“. Irrita-
tion. Weitere, etwas bunter gekleidete Gestalten beleben jetzt den Marienplatz. Offenbar hat der Aufruf des Bundes für Geistesfreiheit (bfg)1 und der von Telperiel, die es bemängelt, dass an hohen kirchlichen Feiertagen auch Nicht-Christen verboten ist zu tanzen, bewirkt, dass Agnostiker und Atheisten sich hier um die Mittagszeit die Freiheit herausnehmen, „stumm“, d.h. mit Kopfhörern versehen ihrer eigenen Musik lauschend gegen das Verbot anzutanzen.2 Schließlich hüpft eine bunt kostümierte Truppe, mittendrin auch ein großer rosa Hase, durch die Reihe der Christen, die zu-
nehmend lockerer werden, lächeln und sogar lachen. Einige Exemplare des gaudiblatt liegen auf dem Pflaster.3 Manche Christen sind allerdings höchst empört. Ein verbittertes älteres Paar herrscht den Pseudopriester an, dass es eine Unverschämtheit sei, was er hier veranstalte. Der Gescholtene meint lapidar, er freue sich immer, wenn er 98,9 Prozent der Bevölkerungsmehrheit hinter sich habe. Nachdem die bunte Truppe auf dem Marienplatz für Frohsinn gesorgt hat, zieht sie den Prozessionsweg in verkehrter Richtung hin zur Michaelskirche, um hier ebenfalls zu tan-
zen. Patrouillierende Polizisten ziehen einen auffallend großen Bogen um die Performance und tun ganz bewusst so, als ob sie nichts sehen. Die Devise scheint zu sein, dem Ereignis keine größere Öffentlichkeit einräumen zu wollen. Und gerade dies ist der Grund, hier diesem Ereignis etwas Beachtung zu gönnen.4
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Ende September: Gartenbegrenzungspfeiler
in der Nikolaistraße in Schwabing
Am 13. November findet um 19 Uhr die Preisverleihung DER FRECHE MARIO 2014 statt. Der religionskritische Kunstpreis geht diesmal an eineN anonymeN MitarbeiterIn der Caritas.6
2014 kehren in München 13.838 KatholikInnen und ProtestantInnen ihrer Kirche den Rücken. In gerade mal drei Stadtbezirken ist Ende 2014 die Mehrheit der Bevölkerung einer christlichen Kir-
che zugehörig. In Milbertshofen-Am Hart liegt deren Anteil sogar knapp unter 40 Prozent. Auf die ganze Stadt bezogen ist heute etwa jeder dritte Münchner katholisch und jeder achte Münchner evangelisch.Die größte Gruppe in München ist die der Konfessionslosen.7
Siehe auch Schwule/Lesben.
1 Siehe www.bfg-muenchen.de/portal/article/tanzgaudi-am-karfreitag-m%C3%BCnchen.
2 Siehe „ihr wunderbaren“ von Telperiel.
3 Siehe dazu auch die Zeichnung von Steve Geshwister unter www.linophil.de/tanzverbot-an-stillen-feiertagen/
4 Siehe die Fotos vom „karfreitag“ von Franz Gans, „Die Achse des Blöden“ von Assunta Tammelleo sowie
www.bfg-muenchen.de/portal/article/wer-hat-den-sch%C3%A4fflern-den-saft-abgedreht.
5 Foto: Richy Meyer
6 Siehe www.frechermario.org.
7 Anteil christlicher Mitbürgerinnen und Mitbürger im Stadtteil: 1 Altstadt-Lehel: 46,5 %; 2 Ludwigsvorstadt – Isarvorstadt: 42,4 %; 3 Maxvorstadt: 48 %; 4 Schwabing – West: 47,7 %; 5 Au – Haidhausen: 46 %; 6 Sendling: 44,5 %; 7 Sendling – Westpark: 46,8 %; 8 Schwanthalerhöhe: 41,1 %; 9 Neuhausen – Nymphenburg: 47,3 %; 10 Moosach: 44,5 %; 11 Milberts-
hofen – Am Hart: 38,5 %; 12 Schwabing – Freimann: 45,4 %; 13 Bogenhausen: 48,1 %; 14 Berg am Laim: 44 %; 15 Trude-
ring – Riem: 48,2 %; 16 Ramersdorf – Perlach: 42,3 %; 17 Obergiesing – Fasangarten: 43,5 %; 18 Untergiesing – Harla-
ching: 48,8 %; 19 Thalkirchen – Obersendling – Forstenried – Fürstenried – Solln: 48,1 %; 20 Hadern: 48,4 %; 21 Pasing – Obermenzing: 51,3 %; 22 Aubing – Lochhausen – Langwied: 50,3 %; 23 Allach – Untermenzing: 54,4 %; 24 Feldmoching – Hasenbergl 46,2 %; 25 Laim: 47,3 %, Statistisches Amt der Landeshauptstadt München.