Flusslandschaft 2015

Flüchtlinge

Was sollen Menschen tun, denen die Verdienst- und Lebensmöglichkeit genommen werden, weil die subventionsgestärkten europäischen Exporte die kleinbäuerlichen, handwerklichen Produkte niederkonkurrieren? Wenn Großfarmen von westlichen Investoren den seit Jahrhunderten ansäs-
sigen Viehzüchtern das Land und das Wasser entziehen? Können solche Menschen dauerhaft da bleiben? Werden sie versuchen, eine neue Bleibe zu finden, in der ihre Kinder Bürgerrechte wahr-
nehmen könnten? Die Antwort ist seit Jahrzehnten dieselbe: Sie werden ihre politisch ruinierten und ökonomisch ausgesaugten Länder verlassen und keine Grenze, kein Zaun wird sie aufhalten. Niemand verlässt ohne immensen Kriegs- und Existenzdruck seine Heimat, Familie und Freunde und nimmt einen monate- manchmal jahrelangen Fluchtweg auf sich. Diese Menschen haben nur noch ihre Hoffnung und ihr Mobiltelefon, das ihre einzige Verbindung zu allen Bekannten und ihre eigene Erinnerung ist. In friedliche Heimatorte würden die meisten gerne schnell wieder zurück gehen – trotz aller Zerstörungen.

7. April: „Solange Innenminister Joachim Herrmann den Flüchtlingen in Bayern tausendfachen Asylmissbrauch vorwirft und Ministerpräsident Horst Seehofer schwadroniert, er wolle eine Zu-
wanderung in die deutschen Sozialsysteme bis zur letzten Patrone verhindern, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass es eine enorme Quote ausländerfeindlicher Einstellungen in Bayern gibt. Die CSU hat Angst, Wähler und Zustimmung am rechten Rand zu verlieren. Das rechtfertigt jedoch nicht, selbst massiv Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung zu schüren und zur Verschärfung der Gefahr von Anschlägen und Übergriffen auf Flüchtlinge beizutragen. Der Bayerische Flücht-
lingsrat fordert die bayerische Staatsregierung auf, ihre Hetze gegen Flüchtlinge sofort einzustel-
len. Jetzt müssen alle dazu beitragen, dass wir unserer humanitären Verpflichtung gerecht werden, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen und unterzubringen!“1

Auf der Flucht sind derzeit weltweit knapp 6o Millionen Menschen. Mehr als die Hälfte davon sind so genannte Binnenvertriebene, die aus ihrer Heimat zwar flüchten müssen, aber innerhalb des Herkunftslandes bleiben. 19,5 Millionen Menschen mussten ihr Heimatland verlassen, weitere 1,8 Millionen haben Asyl beantragt.2

Das neue Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ bringt neben einigen Verbesserungen beim Bleiberecht für ausgewählte Gruppen vor allem eine massive Repression von selbstorganisierter Flucht und die Ausweitung von Abschiebehaft. Eine Vielzahl von Asylsuchenden sind davon betroffen. Als Haftgründe werden zum Beispiel aufgeführt: die „Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten“ oder die Aufwen-
dung „erheblicher Geldbeträge für einen Schleuser“. Durch die Neufassung des Gesetzes kann in Zukunft zudem jeder Widerstand gegen eine Abschiebung zu Abschiebehaft führen – sei es durch zögerliche Mitwirkung bei der Passbeschaffung, durch Versäumnis von Sammelanhörungen oder bei passivem Widerstand im Flugzeug. Das Instrumentarium der Behörden, um den Willen der Flüchtlinge zu brechen, wird damit erweitert, die Abschiebehaft wird immer mehr zur Beugehaft. So genannte Einreise- und Aufenthaltsverbote zielen vor allem auf Menschen aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten ab, deren Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden. Diese sollen keine Möglichkeit mehr zur legalen Wiedereinreise haben und keinen Aufenthaltstitel in Deutschland erlangen können. Die Karawane: „Die Flüchtlinge, die schon lange hier sind und auf Verbesserungen hoffen dürfen, werden zum Pfand eingesetzt gegen diejenigen, die noch ihren Weg nach Deutschland finden und zukünftig rigoros verfolgt werden sollen: Ihre Aussichten auf einen Verbleib in Deutschland sollen zunehmend zunichte gemacht werden. Der ‘Kompromiss’ aus der gesetzlichen Verknüpfung von Bleiberecht auf der einen Seite und Haft und schnelle Abschie-
bung auf der anderen Seite entlarvt die kalte Verwertungslogik der Politik der Bundesregierung. Mit einem ähnlichen Deal wurde bereits letztes Jahr die Zustimmung der Grünen im Bundesrat
zu der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten – als Gegenleistung für die Lockerung der Resi-
denzpflicht – erkauft. Auch die SPD betreibt in der Großen Koalition einen Kuhhandel mit Men-
schenrechten auf Kosten von Flüchtlingen.“ Unter dem Motto „Gegen die Verschärfung des Asyl-
rechts! Flucht ist kein Verbrechen!“ findet am Donnerstag, 16. April, auf dem Odeonsplatz eine Kundgebung statt.3

Am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, demonstrieren Flüchtlinge und vor allem junge Leute durch das Glockenbachviertel. Weltweit sind zur Zeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht.

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Die Demo vom 20. Juni gegen 15 Uhr in der Müllerstraße

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Zwischen dem 21. und dem 24. Juni entstehen an der Corneliusbrücke, in Neuhausen und im Westpark „Gräber“. Auf ihren Kreuzen steht: „Den Toten der europäischen Außengrenzen“


Das Bündnis Bellevue di Monaco setzt sich für einen besseren humaneren Umgang mit geflüch-
teten Menschen ein und fordert „Keine Abschiebelager für Roma, keine Abschiebelager an den bayrischen Grenzen“. Bei der Kundgebung am Montag, 27. Juli, um 18 Uhr auf dem Max-Josef-
Platz demonstrieren etwa 2.000 Teilnehmer_innen gegen die Asylpolitik der bay. Staatsregierung. Es sprechen Bellevue-Vorstandsmitglied Angela Bauer, Schauspieler Josef Bierbichler, Bernd Mesovic (Pro Asyl), Kenan Emini (Kampagne Alle bleiben!), Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi, Kabarettist Claus von Wagner, Schriftsteller Friedrich Ani, Christian Stückl (Intendant, Volks-
theater
), Schauspieler Stephan Zinner, Kabarettist Hannes Ringlstetter und ein verzweifelter, von Abschiebung bedrohter Mann von seinen Ängsten und seiner Wut. Auf der Rednerliste steht er nicht. Es spielen Blumentopf, Anja Lechner, Dreiviertelblut, Jesper Munk, Kefaet and Selamet K.A.G.E, Claudia Koreck, Hikmet, Landlergeschwister und Nouwelle Cuisine.6 Kurz nach 20 Uhr ziehen keine hundert Meter entfernt 85 Pegida-Anhänger von ungefähr hundert Gegendemon-
stranten und einem größeren Polizeiaufgebot begleitet durch die Falkenturmstraße an ihnen vorbei.

Bis zum Sommer kamen mindestens neun von zehn Flüchtlingen über das offene Meer nach Europa. Dabei ertranken 3.440 Menschen oder werden vermisst. Deutsche Politikerinnen und Politiker äußern sich besorgt über das massenhafte, als „Flüchtlingsdrama“ verharmloste Sterben von Tausenden von Menschen, die nach Europa flüchten. Besonders „eindeutig“ spricht sich der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel aus. Da stört die Optik, dass der Spiegel gerade jetzt publik macht, dass sich deutsche Waffenexporte auf Rekordkurs befinden. Der Um-
fang der sogenannten Einzelgenehmigungen stieg um rund 50 Prozent auf nun 3,31 Milliarden Euro, addiert man die Sammelausfuhrgenehmigungen kommt man auf 6,35 Milliarden Euro. Die Exporte in arabische Staaten haben sich beinahe verdoppelt. Gabriel hat dazu sein Placet gegeben.7

Der Flüchtlingsstrom aus Syrien hält an, der aus Afrika nimmt zu. Fischer, die an der Westküste Afrikas nichts mehr fangen, weil die industrialisiert arbeitenden, europäischen und us-amerikani-
schen Fangflotten das Meer leergefischt haben, überlegen, ob sie mit ihren Booten nicht an der afrikanischen Nordküste als Schlepper arbeiten können. Warum? Seit 2002 drängt die EU afri-
kanische und andere Staaten zum Abschluss von Freihandelsabkommen. Doch diese können die Entwicklung der Länder stark behindern. Afrikanische Gewerkschaften und Industrieverbände, zivilgesellschaftliche Interessengruppen und internationale NGOs sehen die von der EU forcierten Economic Partnership Agreements (EPA) als starkes Hindernis einer Wirtschaftsentwicklung in Afrika, die die Armut lindern könnte. Denn:
˃ Die Zölle für Exporte und Importe werden abgebaut, damit fehlen wesentliche Einnahmen.
˃ Die Märkte sollen fast unbegrenzt für Importe geöffnet werden, so dass afrikanische Produkte durch oft subventionierte europäische ersetzt werden. Afrikanische Bauern und Arbeiter verlieren ihre Lebensgrundlagen.
˃ Die EU verlangt die Öffnung für Dienstleistungen, wo europäische Firmen ebenfalls die afrikanischen ersetzen würden.
˃ Die EPAs fördern eine Integration der afrikanischen Wirtschaft mit der EU und behindern die nötige und von den afrikanischen Ländern gewünschte stärkere Kooperation untereinander. Das Gewicht der EU-Wirtschaft, achtzigmal größer als z.B. die westafrikanische, wird gegen die afri-
kanischen Interessen ausgespielt.

Seit dem 1. August ist das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeen-
digung in Kraft. Geduldete, die lange in Deutschland leben, können ab sofort leichter eine Aufent-
haltserlaubnis erhalten. Gleichzeitig droht eine massive Ausweitung der Abschiebungshaft, da zahlreiche neue Haftgründe eingeführt wurden.

„FÜR EINE WELT GLOBALER GERECHTIGKEITOHNE ZÄUNE UND MAUERN!“
OPEN BORDERSASYL IST MENSCHENRECHT!
Wir rufen als Bürger und Bürgerinnen der Stadt München, als Geflüchtete, die nach Bayern gekommen sind, als AntifaschistInnen und AntirassistInnen, als KünstlerInnen, JournalistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und als AktivistInnen der Friedens- und Antikriegsbewegung, der Gewerkschaften und als humanitäre HelferInnen, die seit Wochen am Münchner Hauptbahnhof, an Grenzen oder bei Fluchthilfekonvois aktiv sind, wir rufen alle Menschen auf: Kommt zur Groß-
demonstration OFFENE GRENZENASYL IST MENSCHENRECHT am Samstag, den 3. Oktober 2015, 14 Uhr, Kundgebung auf dem Marienplatz, 15 Uhr Demonstration über Rindermarkt – Send-
linger Tor Platz – Platz der Opfer des NS zum Bayerischen Innenministerium, Odeonsplatz/Lud-
wigstraße. Sagen wir es dort laut, kreativ, solidarisch und entschlossen: Wenn in einer historischen Situation, einer globalen humanitären Krise von Kriegen, Elend und Not, in der Millionen Men-
schen weltweit auf der Flucht sind, auf der Suche nach einem besseren und gerechteren Leben: Dann leisten wir Hilfe und Unterstützung! Wenn die staatstragenden, regierenden Parteien und die EU seit Jahren trotz zehntausender Toter im Mittelmeer und an den Außengrenzen der EU auch für die Zukunft wieder nur repressive Verschärfungen der Krise, aber keine menschenwür-
digen Lösungen anbieten wollen: Dann muss Zivilcourage praktisch werden! Denn die Regierung versagt in diesen Fragen seit Jahrzehnten. Wir sagen: Fluchthilfe und das Recht zu bleiben ist legitim und ein Menschenrecht – für eine Welt ohne Zäune, Mauern und Kriege! Das ist unsere Antwort auf den Jahrestag des „Mauerfalls“ vom 3. Oktober 1989.
Wir fordern:
- Die Grenzen für alle öffnen – Refugees are welcome here
- Keine Asylrechtsverschärfung
- Legale Fluchtwege schaffen – Bleiberecht für Alle
- Freie Wahl des Asylstandortes statt Dublin-Abschiebungen
- Selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben statt Lagerzwang, Bildungs- und Arbeitsverbote
- Stopp aller Waffenlieferungen der deutschen Rüstungsindustrie: No War
- Fluchthilfe ist legitim – für eine echte Willkommenskultur8
Aktionskomitee “Offene Grenzen – Open Borders München” gegründet von Einzelpersonen am 24.09.2015
„Es kann legitim sein, was nicht legal ist“, Martin Löwenberg, KZ-Überlebender und Widerstandskämpfer
Claus Schreer, Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus
Jutta Koller, Stadträtin Bündnis 90/Die Grünen
Nicole Gohlke, Mitglied des Bundestages MdB (Die Linke)
Gülseren Demirel, Stadträtin Bündnis 90/Die Grünen
Cetin Oraner, Musiker und Künstler, Stadtrat/Die Linke
Stefan Dünnwald, Migrationsforscher
Matthias Weinzierl, Bayerischer Flüchtlingsrat
Annik Wecker, Autorin und Aktivistin
Konstantin Wecker, Musiker und Künstler
Michael Backmund, Journalist, Sprecher der dju in ver.di, München
Mehmet Tag, Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK-München)
York Runte, Interventionistische Linke (IL) München
Hubert Thiermeyer, Landesfachbereichsleiter Handel ver.di Bayern
Ludo Vici, Schauspieler und Kabarettist
Kerem Schamberger, Kreissprecher der DKP München
Johannes Hildmann, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche, München
Zübeyde Akmese, SARA Kurdische Frauengruppe München
Michaela Ostermeier, Mitglied ver.di München
Ecco Meineke, Kabarettist und Musiker
Günter Wangerin, Arbeitskreis „Aktiv gegen Rechts“ in ver.di
Brigitte Obermayer, Münchner Friedensbündnis
Leo Mayer, marxistische linke
Christine Kamm, MdL flüchtlingspolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen
Claudia Stamm, MdL, Bündnis 90/Die Grünen
Colin Turner, Freiwilliger Helfer der Flüchtlinge am Hbf. München
Wer unseren Aufruf und unsere Aktionen unterstützen will, bitte eine E-Mail schicken mit Name, Beruf und Wohnort an: openborders(at)ok.de – twitter #openbordersmunich #openborderscaravan
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Als Aktionskomitee rufen wir zu weiteren Aktionen nach dem 3. Oktober auf:
Sonntag, 18. Oktober, 11 Uhr OpenBorderCaravan von München nach Salzburg und zurück. Treffpunkt, 10.30 Uhr: Kammerspiele, Maximilianstraße. Kommt alle mit Autos, Bussen und Hilfsgütern (gute Winterkleidung und Schuhe, Hygieneartikel, Medikamente, Schlafsäcke, Mineralwasser, Kekse und Schokolade) Solidarität und Fluchthilfe muss praktisch werden!
Samstag, 24. Oktober – Bündnis-Demonstration „Open Borders“ (Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben) Übrigens: Flugblätter, Lautsprecherwägen und politische Aktivitäten kosten Geld – bitte spendet an: Claus Schreer, Kt. 348 335 809, BLZ.  700 100 80 Postbank München. Stichwort: „OpenBorder“9

Seit Jahren steht der Flügel des Nymphenburger Schlosses an der Maria-Ward-Straße 1, das ehe-
malige Institut für Mikrobiologie der Universität München, mit einigen tausend Quadratmetern leer. Am 13. Oktober fordert Wolfram Kastner, indem er den Schriftzug „Herein“ an der Glastüre anbringt, dass die Räume für Asylsuchende bereitgestellt werden.10

Manche von uns sind erstaunt. Kanzlerin Merkel spricht vom „freundlichen Gesicht Deutsch-
lands“, meint, bei uns seien Flüchtlinge willkommen, sagt zu ihren Landsleuten „Wir schaffen das“ und die CSU schweigt dazu. Offenbar dauert die Schockstarre etwas. Dann aber besinnt sich die Partei im Oktober ihres zentralen Markenkerns und geht Merkel und die Bundesregierung frontal an, fordert eine Flüchtlingsobergrenze, sofortige Rückführung von Flüchtlingen „ohne Asylgründe“ und die Einrichtung von „Transitzonen“.11

Die Bundesregierung knickt ein. Jetzt will sie Flüchtlinge aus Afghanistan abschieben. Diese Ab-
sichtserklärung dringt im Vorfeld der Konferenz der Staats- und Regierungschefs aus den Staaten entlang der sogenannten Balkanroute nach außen. Was die Bundesregierung hier plant, steht in massivem Gegensatz zur Situation in Afghanistan, die heute weitaus schlimmer ist als während der NATO-Einsätze. Und noch schlimmer als in den letzten 13 Jahren. Der Konflikt hat in diesem Jahr mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert als in den Vorjahren, berichtet die UN-Afghani-
stan-Mission. Zwischen Januar und Juni sind demnach 1.592 Zivilisten getötet und 3.329 weitere verletzt worden. Die Eroberung und mehrtägige Besetzung von Kundus ist ein Wendepunkt für Afghanistan, galten doch die größeren Städte den modernen Eliten trotz regelmäßiger Bomben-
anschläge noch immer als relativ sicher vor dem Zugriff der Taliban. Damit ist es vorbei. Offenbar nicht für die Bundesregierung, die verstärkt abschieben will. Innenminister Joachim Herrmann will diese in Bayern besonders rigide umsetzen: „Es ist dringend geboten, die Abschiebungen abge-
lehnter afghanischer Asylbewerber verstärkt umzusetzen. Wir müssen hier ein deutliches Signal setzen.“ – Besonders schlimm ist die Lage der Hazara im Lande. In Afghanistan leben vier Volks-
stämme: Paschton, Talik, Hazara und Uzbek. Drei Völker sehen vom Gesicht her gleich aus, auch die Religion ist gleich. Die Hazara unterscheiden sich äußerlich und in der Religion. Deswegen werden sie verfolgt und getötet; sie gehören nicht zur afghanischen Bevölkerung. Sie wurden schon immer in Afghanistan unterdrückt und als Menschen zweiter Klasse behandelt. Sie können sich in Afghanistan nicht frei bewegen und ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen. Studien- und Arbeits-
plätze wie auch Wohnorte können nicht ausgesucht werden. Immer wieder werden sie überfallen oder mit Geiselnahmen und Mord bedroht. Ein paar Beispiele: 10.000 Hazara werden 1997 in Mazari Scharif getötet. 1998 werden mehr als 200 Hazara (Familien und Kinder) in Yakaulang und Bamyan getötet. 2011 werden 11 Hazara-Polizisten in Tangeh Oltah getötet. Im gleichen Jahr werde 20 Hazara-Studenten im Jalriz Tal geköpft. 2014 werden 4 Hazara-Polizisten in Gizab getötet. Im gleichen Jahr werden 14 Hazara, darunter ein Brautpaar, in Ghor getötet, malistarische Hazara werden in Hajeristan geköpft, 31 hazarische Passagiere eines Busses in Zabul von ISIS in Geiselhaft genommen, von ihnen werde 19 gegen ISIS-Kämpfer ausgetauscht, 12 Hazara werden geköpft, Taliban töten 40 Hazara-Soldaten in Jalriz Meidan Wardag. Jedes Jahr kommen auch Nomaden nach Behsud (Meidan Wardak) und töten dort Hazara und vernichten ihre Häuser, Schulen und Bauernhöfe. Hazara haben keine Zukunft in Afghanistan. – Von den geplanten Abschiebungen könnten 7.000 afghanische Schutzsuchende betroffen sein. Viele von Ihnen sind in Deutschland nur geduldet, weil die Rechtsprechungspraxis insbesondere die Abschiebung alleinstehender junger Männer für möglich hält – mit dem Tenor, diese hätten im relativ sicheren Kabul die Mög-
lichkeit, sich als Tagelöhner über Wasser zu halten. Viele von ihnen sind in Deutschland zur Schule gegangen, haben eine Ausbildung begonnen oder haben einen Ausbildungsplatz in Aussicht. Sie sind gut integriert und haben sich hier ein Leben aufgebaut.

Unter dem Motto „Stopp Abschiebungen nach Afghanistan“ ruft die Initiative NAKO! Stop depor-
tations to Afghanistan
gemeinsam mit der Karawane Nürnberg und dem Bayrischen Flüchtlings-
rat
für Samstag, den 14. November, zu einer Demonstration in München auf, die am Sendlinger Tor beginnt. Die Initiative wurde 2012 von jungen afghanischen Flüchtlingen ins Leben gerufen, um gegen die vom Bayerischen Innenministerium veranlassten Abschiebungen zu demonstrieren. Betroffene Afghanen*innen aus ganz Bayern und ihre Unterstützer*Innen machen hier auf die skandalösen Beschlüsse hinsichtlich der Abschiebungen nach Afghanistan aufmerksam. Sie for-
dern: Keine Abschiebungen nach Afghanistan – Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland! Sie fordern eine faire Asylpolitik! Sie fordern mindestens subsidiären Schutz für die afghanischen Flüchtlinge!12

Mehr als 1.000 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte zählt das Bundeskriminalamt in diesem Jahr — im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 500 Prozent! Im Durchschnitt brannte 2015 in Deutschland an jedem dritten Tag eine Flüchtlingsunterkunft, viele davon waren bewohnt.

Es gibt nur eine Welt und damit die Gleichheit aller Menschen an jedem Ort.

Siehe auch „Rechtsextremismus“.

(zuletzt geändert am 13.1.2024)


1 www.fluechtlingsrat-bayern.de

2 Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, www.unhcr.de

3 Siehe www.karawane-muenchen.org und www.migrationsgesetze.info sowie Fotos von der Kundgebung und Demonstration „gegen die verschärfung des asylrechts“ am 16. April von Günther Gerstenberg.

4 Fotos: Richy Meyer

5 Foto © Volker Derlath. Siehe auch https://www.indiegogo.com/projects/die-toten-kommen#/story

6 Siehe die Fotos von der Kundgebung „platz da!“ am 27. Juli von Cornelia Blomeyer.

7 Siehe www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesregierung-ruestungsexporte-auf-rekordkurs-a-1047172.html.

8 Siehe „offene grenzen“ von Günther Gerstenberg.

89 Dota Kehr singt am 23. September: https://www.youtube.com/watch?v=MgpoE_2dWhY

10 Siehe https://www.dasanderebayern.de/aktionen/.

11 Siehe „Putsch oder Sezession“ von Wolfgang Blaschka.

12 Siehe die Fotos von der Demonstration „keine abschiebungen nach afghanistan“ am 14. November von Günther Gerstenberg.

Überraschung

Jahr: 2015
Bereich: Flüchtlinge