Flusslandschaft 1972

Kunst/Kultur

Siehe auch „Olympische Spiele“.

FILM

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Für den 15. März lädt das undependent film center zur Aufführung des Films „Der geile Wotan" mit Otto Muehl in die Rottmannstraße 15.

Im Vorspann des Films „Todesmelodie“ von Sergio Leone heißt es: „Eine Revolution ist kein Gast-
mahl, kein Aufsatzschreiben, kein Bildermalen oder Deckchensticken; sie kann nicht so fein, so gemächlich und zartfühlend, so maßvoll, gesittet, höflich, zurückhaltend und großherzig durchge-
führt werden. Die Revolution ist ein Aufstand, ein Gewaltakt, durch den eine Klasse eine andere Klasse stürzt.“2 Die Georgenstraßen-WG sitzt nach dem Film noch im Alten Ofen in der Ziebland-
straße und wartet auf die dampfenden Fleischpflanerl, die es um Mitternacht gibt. Werner ist glücklich. Er fährt fast jedes Jahr nach Italien, besucht irgendwo eine Festa dell’ Unità, genießt eine coppa di gelato „Bandiera Rossa“ und singt „Avanti o popolo, alla riscossa …“. Der Film hat ihm gefallen. Ulrike: „Was für Illusionen! Wer sich subjektiv als Revolutionär geriert, sieht in die-
sem Streifen logo lauter Revolutionäres. Der bourgeoise Schwachkopf erinnert sich später nur noch an grelle Revolutionsfolklore. Jeder sieht das, was er sehen will.“ Jogo widerspricht: „Bei mir ist auch mal was hängen geblieben und dann hab ichs kapiert …“ Verena fällt ihm ins Wort: „Was bleibt denn da hängen?! Wenn Rod Steiger die Augen rollt und James Coburn anbrüllt, ‚das ist immer dasselbe. Da werden die armen Schweine gequält und dann kommen die, die die Bücher schreiben und wissen, wie‘s geht mit der Revolution, und die sagen den Armen, was sie tun sollen, und die machen’s und werden alle abgeknallt, und dann kommen wieder die, die die Bücher schrei-
ben, und sagen den Armen, was sie machen sollen, und dann geht die ganze Scheiße von vorne los.‘ Das ist doch Blödsinn! Revolution ohne Theorie – Nein!“ Verena müsste sich eigentlich über ihren Landsmann Leone freuen. Sie findet den Film aber nur „davvero schifoso”.

LITERATUR

Im Verband Deutscher Schriftsteller (VS) geht es drunter und drüber. Die einen wollen den VS der IG Druck und Papier angliedern, die anderen arbeiten mit allen Tricks gegen die geplante gewerk-
schaftliche Ausrichtung.3

BILDENDE KÜNSTE

Der Berufsverband Bildender Künstler e.V. (BBK) beschwert sich beim Bayerischen Rundfunk über Sendungen, in denen KünstlerInnen in die Kategorie „Asoziale Randgruppe“ eingeordnet werden.4

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Erwin Oehl: Demonstrierendes Paar, Öl auf Leinwand, 70 × 97 cm
Der Maler Erwin Oehl, der ursprünglich eher kommunistisch orientiert war, zeigt in seinem Bild Sympathie mit jugendlichen DemonstrantInnen, die die schwarze Fahne der Anarchie tragen.

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Martin Mayers „Olympia triumphans“ misst 5,10 Meter, wobei allerdings der Sockel 1,25 Meter hoch ist. Auf der Kugel ist zu lesen: „OLYMPIA TRIUMPHANS / PER NATURAM AD ARTEM / PER ARTEM AD NATURAM / AD HOMINUM PIETATEM / AD HUMANITATEM / EXTRUEN-
DAM.“ Unmut regt sich im Volk. Spaziergänger beschweren sich über eine „unästhetische Haltung und unmögliche Proportionen“. Frauenrechtlerinnen entdecken in der Plastik die Bildsprache einer mehrtausendjährigen patriarchalen Schaulust, die das Abbild weiblicher Körper traditionell auf sexuelle Verfügbarkeit reduziert.

(zuletzt geändert am 30.12.2020)


1 Privatsammlung

2 Untersuchungsbericht über die Bauernbewegung in Hunan, März 1927, Ausgewählte Werke Mao Zedongs, Bd. I.

3 Siehe „Amtsgericht München, Registergericht, VR 4257“.

4 Siehe „Betreff: Beschwerde des BBK München beim Bayer. Rundfunk“.

5 Privatsammlung. Siehe außerdem Gerstenbergs „Das Recht der Nichtverzweifelten“ 1968.

6 Privatsammlung