Flusslandschaft 2023
Bürgerrechte
Am Samstag, 28. Januar, spielt Eintracht Frankfurt gegen Bayern München. Frankfurt-Fans ziehen, bevor sie raus nach Fröttmaning fahren, feiernd durch die Innenstadt. Wie schon seit Monaten gewohnt demonstrieren die „Querdenker“ an diesem Nachmittag auf dem Marienplatz. Ihre Reden über die Weltgesundheitsorganisation, den Nordatlantikpakt, die Europäische Zen-
tralbank und über die Corona-Pandemie kommen bei den Frankfurtern aber nicht gut an. Diese grölen mit der Bierflasche in der Hand „Haltet die Fresse“. Eine Sprecherin darauf übers Mikro: „Wir lassen uns von euch Schwurblern nicht provozieren. Boostert euch und tragt uns als Erben ein.“ Da wird es kritisch. Die Frankfurter stellen sich vor die Kameras und stören die Liveübertra-
gung der „Querdenker“. Die Stimmung heizt sich auf. Einer der Frankfurter kapert das Mikro und singt ein Anti-Offenbach-Fußball-Lied, angelehnt an den Song „Gute Freunde“ von Bayern-Legen-
de Franz Beckenbauer. Zum Schluss bedankt er sich für das Podium und erklärt, dass Frankfurt nichts mit den “Querdenkern” zu tun habe. Die Veranstalter rufen daraufhin die Polizei, die mit zwei Streifenwagen anrückt. Es wird lautstark diskutiert, zum Ende hin verläuft sich alles. Die Fans fahren mit der U6 ins Stadion. Übrigens: Das Spiel endet unentschieden.
Vor fünf Jahren, 2018, verabschiedete der Landtag die gravierende Novelle des bayrischen Polizei-
aufgabengesetzes. Damit wurden die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür entschieden erweitert. Seit dem Inkrafttreten des PAG wurden insbesondere Migrantinnen und Migranten ohne juristischen Beistand in Polizeigewahrsam genommen. Ebenfalls wurden Demonstrantinnen und Klimaaktivistinnen mehrere Wochen in Präventivhaft (Haft ohne Straftat) genommen. Eine Maß-
nahme, die von bayrischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. Mit der sogenannten „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ stellt das PAG Helfer bei Großveranstaltun-
gen, Demonstrationen und Streiks unter Generalverdacht. Die Staatsregierung führte mit der PAG-Novelle 2018 durchgehend den unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“ ein und verlegte da-
mit die weitreichenden Befugnisse der Exekutive weit ins sogenannte Tatvorfeld. Die Polizei darf Telefongespräche oder den E-Mail-Verkehr überwachen. Vertrauenspersonen und verdeckt arbei-
tende Ermittler können auch bereits bei „drohender Gefahr“, also ohne konkreten Hinweis auf ein strafbares Verhalten, eingesetzt werden und dabei unbemerkt auch online Einblicke in privateste Lebensbereiche erhalten. Vergleichbare Regelungen, z.B. im Polizeirecht von Mecklenburg-Vor-
pommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben. Bayern braucht ein Polizeirecht, das demokratischer Kontrolle unterliegt. – „5 Jahre sind genug“ – Die Demonstration gegen das bayrische Polizeiauf-
gabengesetz (PAG) findet am am 18. Juni um 11 Uhr vor dem Max-II-Denkmal (Maxmonument) statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten wollen keine Grundrechtseinschränkungen! Sie lehnen zum Beispiel die Einführung von Spionagesoftware, wie VeRA des US-Unternehmens Pa-
lantir zur automatisierten Überwachung, ab. Trotz massiver Kritik wurde die Software bereits ohne Parlamentsbeschluss durch die Staatsregierung angeschafft. Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Das bayrische PAG ist Ausdruck einer immer repressiver werdenden Gesellschaft. Ange-
fangen mit einer immer schärfer werdenden Gesetzgebung gegen Demonstranten bis hin zu einem inhumanen Vorgehen gegen Geflüchtete an den Außengrenzen. Für das bayrische Polizeigesetz gibt es nur eine Möglichkeit: Es muss grundlegend reformiert und wieder auf rechtsstaatliche Füße ge-
stellt werden.
Am Samstag/Sonntag, 19./20. August, findet das Zamanad-Festival zwischen Odeonsplatz und Siegestor statt. Nicht mitmachen dürfen die Junge-Welt-Leserinitiative und die SDAJ/UZ.1
1 Siehe https://zamanand.de/ und „Protest gegen eine Absage“.
2 Zur autoritären Seuchenpolitik siehe auch https://www.streifzuege.org/2023/die-gesinnungspolizei-demokratischer-herrschaft/ und https://www.streifzuege.org/2023/schwerer-verlauf-corona-als-krisensymptom/.