Materialien 2023
Einlaßsperren mit vorheriger Gesinnungsprüfung?
Liebe Alle,
bei Günther Gerstenbergs wunderbaren Buchpräsentation ist erneut unser Problem aufgeflammt, wie wir bei unseren Friedensdemos vorgehen wollen. Nach meiner ca. 55-jährigen Arbeit für Men-
schenrechte und gegen jeglichen Rassismus möchte ich auf persönliche Anschuldigungen gar nicht eingehen. Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben in Berlin eine Friedensdemo organisiert mit 50.000 Teilnehmer/innen. Dabei wurden 8 (in Worten acht) Neonazis identifiziert und die ge-
samte Friedensaktion diffamiert. Ist das in Euren Augen ein korrektes Vorgehen? Wollen wir nicht alle zusammen das unerträgliche Kriegsgemetzel endlich stoppen und die Eskalation in einen Atomkrieg verhindern, den gewissenlose Zündler kaltschnäuzig riskieren? Dazu braucht es mäch-
tige Friedensdemos, das ist unsere einzige Chance! Oder müssen wir da erst Einlaßsperren errich-
ten mit vorheriger Gesinnungsprüfung? Wir haben bisher auf allen Demos rechte nationalistische Fahnen und Embleme untersagt und sind damit gut zurecht gekommen. Wenn Ihr jetzt sagt: „Ich steh nicht neben einem NeoNazi“, kann ich das Anliegen gut verstehen und würde es gerne teilen, aber was macht Ihr dann am 1. Mai? 23% der Gewerkschafter wählen AfD – muß man dann Eurer Logik nach die Maidemo ächten? Abgesehen davon, dass ich sowieso nicht ermessen kann, welche Überzeugungen ein Demoteilnehmer hat, finde ich es sogar hilfreich für ihn, dass er bei unserer Demo einmal etwas Vernünftiges hört. Es ist heute angesichts vieler fake news so viel schwieriger für Jüngere, einen politischen Standpunkt zu finden, der sich an humanistischen Werten orien-
tiert, wenn fast alle Medien Kriegsbegeisterung wecken wollen. Ein punktuelles Zusammenwirken für Frieden muss weit ins bürgerliche Lager hineinreichen, sonst bleiben wir eine bemitleidenswer-
te Minderheit. „Ich steh nicht neben Nazis“ ist eine fatale Anschuldigung für suchende junge Men-
schen, die man damit in die rechte Ecke treibt, anstatt mit ihnen zu reden und sie hoffentlich für unsere Ideale zu gewinnen. Ansonsten ist der Effekt auch nur, dass Ihr Euch als „die Guten“ fühlt. – was ist da gewonnen? Dass wir alle die momentane gefährliche Entwicklung nach Rechts grau-
envoll finden, muss ich nicht betonen. Die selbstgerechte LINKE Haltung und das völlige Versagen bei Friedenspositionen hat leider großen Anteil an den Ursachen für diesen Rechtsruck.
Solidarische friedensbewegte Grüße
Elfi Padovan
zugeschickt am 5. Juni 2023