Flusslandschaft 1976
Männer
Das Blatt durchbricht ein Tabu: In der Nummer 79 vom 15. Oktober findet sich ein Gespräch zwischen zwei Holländern über Päderastie.1 Die Nummer wird beschlagnahmt.2 Am 18. November 1977 verurteilt Richter Winter vom Münchner Landgericht Adu Junkmann vom Blatt-Kollektiv zu dreißig Tagessätzen à 60 Mark, da der Artikel „eine schwere und offensichtliche Gefährdung der sittlichen Entwicklung von Jugendlichen, insbesondere von männlichen Jugendlichen darstellt“.
Der 1942 geborene Münchner Pate Walter Staudinger war in den späten fünfziger Jahren der Kopf der Tabarin-Bande, einer schlagkräftigen Rocker-Gang, die sich nach dem Rock’n’Roll-Schuppen Tabarin im Lehel nannte. Nach einem Gefängnisaufenthalt ging er 1962 nach Hamburg, wurde dort eine bekannte Kiez-Größe, kam aber 1972 anlässlich der Olympischen Spiele nach München zurück, weil er hier ein gutes Geschäft witterte. Er baute, indem er Beziehungen zur städtischen Politik und zum Kreisverwaltungsreferat spielen ließ, sein Münchner Puff-Imperium auf und wurde zur Milieu-Größe. 1976 richtet er in München in der Bayerstraße die erste Peepshow Deutschlands ein. „Da schauten einige Stadträte dumm aus der Wäsche und auch der Rechtsanwalt und damalige 2. Bürgermeister Ekkehard Müller-Heydenreich fühlte sich eine Zeitlang in seiner Haut nicht wohl, wenn man ihm die Fotos vom innigen Händedruck mit dem Unterwelt-Boss vorhielt. Hatte doch der gerissene Zocker der Stadt einen Bären aufgebunden, der heute noch auf allen Don-Festen von der Menterschweige bis zum Beverly-Hills-Hotel in LA für dröhnendes Gelächter sorgt: Eine ‚Bühne für Aktmodelle’ habe er in der Bayerstraße errichten wollen. Mit Kabinen für mittellose Maler. Sein alter, leiblicher Vater habe ihn darauf gebracht, der Zeit seines Lebens nur Landschaften malen musste, weil die gratis zu haben waren.“3 Im Sommer 1982 urteilt das Bundesverwaltungsgericht in Berlin, die Zurschaustellung nackter weiblicher Körper in dieser Form verstoße gegen die „guten Sitten“ und verletze die Würde der Frau.
1 Vgl.: „… nicht in den großen Käfig stecken! Zum Thema Päderastie“ in Blatt. Stadtzeitung für München 79 vom 15. Oktober 1976, 12 ff.
2 Vgl. Blatt. Stadtzeitung für München 80 vom 29. Oktober 1976.
3 Münchner Stadtmagazin 5 vom 19. Februar 1992, 28 ff.