Flusslandschaft 1979
CSU
Strauß teilt aus. Er meint u.a., in der SPD-Bundestagsfraktion gebe es „Sympathisanten der Baa-
der-Meinhof-Verbrecher“ und Vertreter „marxistischer“ oder der „sozialistischen Heilswahrheit“, deren politische Arbeit durch führende SPD-Politiker „stellvertretend dafür genannt seien die Na-
men Brandt, Wehner, Bahr, Ehmke, Klose, erleichtert“1 wird.
Am 21. März beantragt die Firma Alfred Kunz Gmbh & Co. bei der Münchner Lokalbaukommission (LBK) einen „Bauvorbescheidsantrag“; sie will ihre Verwaltungszentrale vergrößern. CSU-Frak-
tionsvize Peter Gauweiler zitiert den LBK-Chef zu sich und verlangt „schnellstmögliche Bearbei-
tung und Genehmigung“. Die LBK lehnt im April zunächst ab, am 31. Mai kommt es zu einem weiteren intensiven Gespräch zwischen LBK-Chef und Gauweiler. Am 17. Juni stimmen alle für Baugenehmigungen zuständigen Behörden dem Antrag zu. Jahre später wird bekannt, dass Gau-
weiler mit Kunz einen Beratervertrag abgeschlossen hat, der ihm „mindestens 50.000 Mark im Jahr“2 bescherte.
Franz Josef Strauß wird nach heftigen Auseinandersetzungen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 2. Juli zum Kanzlerkandidaten nominiert. Angesichts eines andauernden Stimmungstiefs für die Unionsparteien und eines Popularitätshochs für den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt soll nach Meinung einer Mehrheit ein profilierter, kämpferischer Kandidat antreten.
Der ehemalige Bayernparteiler Ludwig (Jager-Wiggerl) Volkholz regt in einem Schreiben an Kanz-
ler Schmidt „die ,Einführung der Todesstrafe für die Gegner von Franz Josef Strauß‘ an – für den Fall eines Sieges bei der Kanzlerwahl. Begründung: Dann blieben seinen Opfern wenigstens ,die Leiden und Verfolgungen erspart, welche die Politiker der Bayernpartei seit der Machtübernahme der CSU erleiden mussten‘.“3
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28. August: „Jugendliche gründeten eine Initiative ‚Rock gegen Strauß’, die Jugendliche ‚gegen einen Mann mobilisieren will, der zu Symbolfigur für aggressive und reaktionäre Politik in unse-
rem Land wurde’. Im Oktober plant die Initiative ein ‚Jugendtreffen gegen Rechts’ gemeinsam mit Rockgruppen und Liedermachern.“5
FJS: »Daß Dortmund und München, Magdeburg und Dresden zu unserem Vaterland gehören, ist selbstverständlich. Es ist ebenso selbstverständlich, daß für uns Chemnitz nicht Karl-Marx-Stadt ist. Wie steht es aber mit Danzig, Königsberg und Breslau? Da ist die politische und rechtliche Problematik anders als bei Straßburg oder Wien. Niemand darf es verwehrt sein, das Gebiet des Deutschen Reiches von 1937 als sein Vaterland zu bekennen. Aber bei den anderen Gebieten gehen die Grenzen von Vaterland und Heimatland ineinander über … Die ganze Problematik ist aber nicht lösbar, wenn nicht die Grenzen ihren Charakter als Trennungslinien von Gesellschaftssys-
temen, als Trennungslinie zwischen Freiheit und Unfreiheit verlieren.«6
FJS: »Was Sie wollen, ist kommunistische Diktatur, ist der Terror des roten Pöbels, ist die Anarchie kommunistischer Terrorbanden. Es ist höchste Zeit, daß dieser rote Terror gebrochen wird.«7
In der CSU ist Franz Josef Strauß als Parteivorsitzender unumstritten, was seine Wahlergebnisse mit meist mehr als 95 Prozent der Stimmen dokumentieren. Am 28./29. September unterstützen die CSU-Delegierten ihren Kanzlerkandidaten sogar mit 99 Prozent der Stimmen. Mancher kriti-
sche Geist spottet und vergleicht diese Wahlergebnisse mit den Ergebnissen unter totalitären Regimes.8
Am 28. Dezember entfaltet sich am Rathausturm ein Anti-Strauß-Transparent. Der Kommunisti-
sche Bund Westdeutschland (KBW) plant für die Silvesternacht eine Demonstration. Das Verwal-
tungsgericht verbietet diese am 28. Dezember.9
Siehe auch „Frieden/Abrüstung“.
(zuletzt geändert am 28.7.2025)
1 „Das Grundgesetz aus der Sicht des Politikers“, zitiert nach Politische Studien. Zweimonatsschrift für Zeitgeschichte und Politik, Sonderheft 1/1979, 12.
2 Stern 26 vom 23. Juni 1994, 124.
3 Der Spiegel 9 vom 21. Oktober 1992, 73.
4 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
5 Stadtchronik, Stadtarchiv München.
6 Bayernkurier vom 8. September 1979.
7 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. September 1979.
8 Siehe „hoffnung“ von Eckhard Henscheid und „‚Franz Josef, gib uns Hoffnung und Aussicht und Chance und Zukunft’“ von Conrad Schuhler 1980.
9 Vgl. Süddeutsche Zeitung 300/1979.