Flusslandschaft 1979

Stadtviertel

Am Sendlinger-Tor-Platz finden sich Reste der ehemaligen runden Biedermeier-Bebauung, die von Mieterinnen und Mietern bewohnt wird, hier liegt auch der älteste innerstädtische Biergarten, der idyllische Krablergarten. Seit etwa einem Jahr protestiert die Bürgerinitiative Krablergarten (BIK) gegen den Abriss des Ensembles. Am 3. März rücken die Bagger an. Für den 31. März ruft die BIK zu einer Demonstration auf.1

Den Anwohnern in der Emil-Riedel-, Oettingen- und Sternstraße im Lehel reicht’s. Sie protestieren und demonstrieren am 30. März gegen Autolärm und Abgase.2

„Profitopoli$ 1971 und 1979 – ‚Profitopoli$ ist ein zorniger, ein engagierter Name für einen bösen Zustand. Die Ausstellung, der wir diesen Namen geben, ist provokativ. Sie soll kritische Einsicht provozieren, damit Vernunft eine Chance gewinnt. Die Chance der Vernunft ist die Chance unserer Städte und unserer Demokratie.‘ So stand es im 1971 erschienenen Katalog .Profitopoli$ oder: Der Mensch braucht eine andere Stadt‘, den die Neue Sammlung, München, herausbrachte (DM 16,-). Acht Jahre später wird die Thematik erneut aufgegriffen, an die Stelle der bewussten Provokation tritt jetzt ein in den Farben des Regenbogens auf dem Umschlag stehender Hoffnungsschimmer: ‚Von Profitopoli$ zur Stadt der Menschen‘ (DM 28,-). Zwei hervorragende Kataloge zu zwei hervor-
ragenden Ausstellungen. Man kann der zweiten, die bis zum 25. März in München zu sehen war, nur wünschen, dass sie den gleichen Erfolg hat, wie ihre Vorgängerin: jene wurde in 140 Städten im In- und Ausland gezeigt. Andererseits ist man fast geneigt, zu sagen: der Katalog ist wichtiger. Nicht nur, weil er zu den Ausstellungstafeln noch mehrere Aufsätze hinzufügt, sondern auch, weil man ihn zuhause mit mehr Muße betrachten und dabei erst seine zahlreichen Anregungen genauer überdenken kann. Und überdenkenswert ist vieles in beiden Katalogen, besonders: es geht uns alle an. ‚Bürger, die sich diese Städte gefallen lassen, verdienen keine besseren.‘ Dies stimmte 1971 und stimmt auch 1979. – Den Veranstaltern beider Ausstellungen ist es nicht unwesentlich zu verdan-
ken, dass die Bedeutung von Partizipation der Bürger bei.der Stadtplanung heute einen weitaus höheren Stellenwert hat – bei den Bürgern, aber auch bei den Stadtplanern. – Ein immer wieder-
kehrendes Problem bei der Stadtplanung ist die Frage nach der Sanierung alter Wohnviertel. Wie-
viel soll und kann erhalten werden, wie können sich Neubauten einfügen, usw.? Die Antworten darauf haben sich im letzten Jahrzehnt zum Teil radikal geändert. Der 1978 ebenfalls von der Neu-
en Sammlung herausgegebene Katalog ‚Neues Bauen in alter Umgebung‘ bezieht hierzu deutlich und manchmal auch unpopulär Stellung. Faszinierend sind die Photos von Beispielen geglückter Integration von Alt und Neu im Stadtbild (DM 26,-). Alle drei erwähnten Kataloge sind zu beziehen über die Neue Sammlung, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22.“3

(zuletzt geändert am 5.7.2020)


1 Siehe „Sendlinger-Tor-Platz und Gomorrah“.

2 Vgl. Münchner Merkur 77/1979; siehe „Protest mit Bettüchern“.

3 Kunst + Unterricht 54 vom April 1979, Velber bei Hannover, 19.