Flusslandschaft 1982
SPD
„Wassertropfen – Das Mitmarschieren bei Friedensdemonstrationen alleine genügt nicht. Vorbe-
reitung und Durchführung solcher Aktionen erfordern viel persönliches Engagement und vor allem Geld. Dies wird gegenwärtig wieder bei den Vorbereitungsarbeiten zur Münchner Demonstration deutlich. Aus diesem Grund hat der Förderkreis Wassertropfen aus Spendenmitteln einen Hilfs-
fonds eingerichtet, mit dessen Geldern Friedensaktivitäten kleinerer Gruppen finanziert werden sollen. Die anfallenden Kosten für Plakate, Flugblätter, Broschüren, Verstärkeranlagen etc. Können so zunächst einmal beglichen werden. Da sich nach Auffassung der Mitglieder des Förderkreises Aktionen der Friedensbewegung finanziell selbst zu tragen haben, sind die Gelder nach Abschluss der Aktivitäten wieder in den Fonds zurückzuzahlen, damit sie dann für Initiativen anderer Grup-
pen zur Verfügung stehen können. Der enorm hohe Finanzbedarf der Münchner Demonstration (pro Teilnehmer schätzungsweise 1 DM) lässt befürchten, dass die Mittel des Fonds schon nach Abschluss dieser ersten Unterstützungsaktion erschöpft sein könnten. Um weitere Spenden wird deshalb gebeten. – Kontaktadresse: Förderkreis Wassertropfen, z. Hd. Kurt Horz, Bernatzkistraße 14, 8000 München 81, Bankverbindung: Stadtsparkasse München, BLZ 701 500 00, Konto-Num-
mer 21-255 187.“2
Am 17. April findet der „27. ordentliche“ Bundesparteitag der SPD in München statt. Am 7. April stand fest, dass die Stadt für Demonstranten keine Quartiere bereit stellt.3 Nachdem dagegen Wi-
derspruch erhoben wurde, stellte das Verwaltungsgericht am 13. und 16. April fest, dass die Stadt nicht dazu verpflichtet sei.4 17. April: „Tausende von Anhängern der Friedensbewegung aus allen Teilen der Bundesrepublik demonstrieren in München gegen die Sicherheitspolitik der SPD. Bei Kundgebungen, Demonstrationszügen und Diskussionen wird vor allem an die Delegierten des [in München tagenden] SPD-Parteitags appelliert, den Nato-Doppelbeschluss, der für 1983 im Fall erfolgloser Verhandlungen mit den beiden Supermächten in der Bundesrepublik die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen vorsieht, aufzukündigen.“5 Bernd Schreyer, Rudolf Bahro und Alexander Schubert sprechen bei dieser Friedensdemonstration. Franz Gans schreibt später einen Brief.6 — Beim Parteitag ist die Ausstellung „Lebendiger Ortsverein“ zu sehen. Jusos protestieren mit einem Plakat „Lebendiger Ortsverein — tote Partei?“ Viele Mitglieder sind sauer auf ihre Orga-nisation.
Auf dem Parteitag fliegen die Fetzen. Willy Brandt meint: „Es geht hier nicht um die Frage der Ra-
keten, sondern darum, dem Kanzler den Rücken zu stärken.“ Dieter Lattmann hält dagegen: „Der Grund, jetzt etwas gegen die Raketen zu unternehmen: JETZT regieren wir!“ Die Parteiführung will der FDP keinen Anlass bieten, die sozialliberale Koalition aufzukündigen. Andererseits findet sie kaum noch Mehrheiten. Sowohl bei der Kernenergie wie in Wirtschaftsfragen und „wehrpoliti-
schen“ Fragen votieren die Delegierten eher pazifistisch und „links“. Am 1. Oktober stürzt Bundes-
kanzler Schmidt. Nach ihm regiert Helmut Kohl sechzehn Jahre lang. (Siehe auch FILM bei „Kunst/Kultur“ 1983.)
„Seit zwei Tagen gehen wir wieder aufrecht in Deutschland. Atmen wir auf, aber noch nicht frei durch. Der Sozialismus ist zu Ende.“7
(zuletzt geändert am 8.12.2020
1 die tageszeitung vom 11. März 1982, 10.
2 Mediatus. Informationen für die friedenspolitische Arbeit 3 vom 8. April 1982, 5.
3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 82/1982.
4 Vgl. Süddeutsche Zeitung 85/1982 und 88/1982.
5 Stadtchronik, Stadtarchiv München; vgl. Süddeutsche Zeitung 89/1982.
6 Siehe „Arbeit schaffen – Frieden sichern – Freiheit bewahren“ von Franz Gans.
7 Welt am Sonntag am 3. Oktober 1982.