Flusslandschaft 1983

Frauen

Männer sind verunsichert. Wie passt das zusammen: Aggressive Frauen und Liebe? Helga macht sich auf den Weg und fragt nach.1

Frauen und Männer sind gleichberechtigt – in der Theorie. Tatsächlich herrscht der Machismus unbehelligt weiter. Feministinnen meinen, wenn Frauen in Vorstandetagen der Konzerne sitzen, ändere sich die Unternehmenskultur. Die Politik werde unter einer Bundeskanzlerin besser. Nach-
denkliche Zeitgenossen fragen: „Muss nicht eine Frau genauso die Interessen ihres Konzerns ver-
treten wie ein Mann? Wird nicht auch sie sich den Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Konkurrenz unterwerfen müssen? Vielleicht werden die Umgangsformen moderater, vielleicht wird das Wirt-
schaftssystem damit moderner …“ Angeblich verändern Polizistinnen die männerbündischen Strukturen im Polizeiapparat. In den USA macht dieser Spruch die Runde: „Cops are not the sons of the workers, they are the dogs of the bosses.“ Schmerzt ein von zarter Frauenhand geschwunge-
ner Gummiknüppel weniger? Gleichberechtigung macht auch vor Kasernentoren nicht Halt. Auch hier die Frage: „Was ist besser geworden, wenn Pilotinnen in Kampfjets sitzen, wenn Frauen Pan-
zer fahren und Granaten abfeuern? Auch sie werden Befehlen gehorchen.“ Münchner Gewerk-
schafterinnen beziehen ganz klar Stellung:




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Auf einem Feld werden Frauen aber immer besser und da sind auch Gewerkschafterinnen begeistert: Ab nächstem Jahr veranstaltet die UEFA die Europameisterschaft der Frauen im Fußball. Eine Münchner Fußballerin kontert die abfällige Bemerkung eines Machos: „Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze.“

Nach der „Wende“ beginnen im Herbst unter der Regierung Kohl neue Aktionen gegen die Mini-Reform des § 218, die sich vor allem gegen die Finanzierung der sozial indizierten Abbrüche durch die Krankenkassen richten.

Unter dem Eindruck des geplanten Nato-Doppelbeschlusses schließen sich im Oktober Frauen
in der partei- und konfessionsunabhängigen Initiative Truderinger Frauen für Frieden und Abrü-
stung
zusammen.

Acht Mitglieder des Förderkreises „Der Feminist“ besetzen am 11. November den Dom und ent-
rollen Spruchbänder mit pazifistischen Parolen. — Am 20. Dezember 1984 hebt ein Gericht die Kostenrechnungen für die sieben Frauen und ihren männlichen Sympathisanten auf.3 — Erst am 14. Februar 1986 wird entschieden, dass die Besetzer den Abtransport durch Polizisten nicht be-zahlen müssen.4

Einrichtungen der Frauenbewegung sind: Das Frauenzentrum, Gabelsbergerstraße 66, 8000 München 2, Tel. 52 22 22, das Frauentherapiezentrum in der Auenstraße 31, 8000 München 5, Tel. 725 25 50, Frauenstudien München e.V., Ickstattstraße 9, 8000 München5, Tel. 201 22 34, Frauenforum e.V., Adlzreiterstraße 27, 8000 München 2, Tel 76 88 90 und der Verlag Frauen-
offensive
, Kellerstraße 39, 8000 München 80, Tel. 48 51 02.

Am 26. November bezieht das als autonomes Selbsthilfeprojekt 1982 gegründete Kommunika-
tionszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation
(KOFRA e.V.) eigene Räume in der Baldestraße. 1993 ziehen die Frauen in die Baaderstraße 30 um, wo sie noch heute sind.

Männer sind sauer: Überall waren sie die ersten, bei der Eroberung Amerikas, bei der Erfindung der Glühbirne, beim ersten Schritt auf dem Mond. Überall dürfen sie hin, nur nicht in Lillemor’s Frauenbuchladen in der Arcisstraße 57. Das tut wirklich weh!

(zuletzt geändert am 14.6.2020)


1 Siehe „Was hältst du von Liebe?“ von Helga.

2 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 295/1984.

4 Vgl. Abendzeitung 38/1986.