Flusslandschaft 1983
Medien
Stellungnahme des Geschäftsführenden Verhandsvorstandes der RFFU, Verband Bayern, zu den Ausführungen von Staatssekretär Edmund Stoiber anläßlich der Landtagsdebatte um die Erhö-
hung der Rundfunkgebühren: „Die in der RFFU organisierten Arbeitnehmer des Bayerischen Rundfunks – und nicht nur sie – haben mit großer Verwunderung Äußerungen aus dem Bayeri-
schen Landtag vernommen, deren Polemik und Scheinheiligkeit kaum noch zu überbieten sind. Spitzenreiter dieser öffentlichen Täuschungskampagne war diesmal Staatssekretär Edmund Stoiber, der sich darin gefiel, seine Vorbehalte gegen die längst überfällige Erhöhung der Rund-
funkgebühren mit den Gehältern der Chefetagen des Funkhauses zu begründen. Mißfallen folglich gerade an den Bezügen, für die einzig und allein die Parteien verantwortlich waren, und insbeson-
dere die CSU! Denn sie sitzt als stärkster Block in den Aufsichtsgremien des Rundfunks und hat über die Besetzung der Führungspositionen zu befinden, einschließlich der damit verbundenen Gehälter. Was soll also das Krakeelen, Herr Stoiber? Wer ungeniert – und das schon seit langem – das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem dadurch aushöhlt, daß er Parteiinteressen zur obersten Maxime erhebt und somit auch die Spitzenpositionen im Funk für sich reklamiert, der sollte mit dieser Art billiger Polemik gegen sein eigenes Produkt besser hinter dem Berg halten. Eine Meis-
terleistung des Politikers Stoiber war das jedenfalls nicht.“1
Rudolf Mühlfenzl, ehemaliger Chefredakteur des BR, seit dem 15. März Geschäftsführer der Münchner Pilot-Gesellschaft für Kabelkommunikation: „,Problematisch sind sicher gesponserte Sendungen. Aber andererseits gibt es die in Osterreich, und da speisen wir sie ja ohnehin ein. Außerdem soll sich am Werbevolumen und am Blocksystem nichts ändern. Unterbrechende Wer-
bung findet nicht statt.“ Zwar geht dies nicht zwingend aus dem Grundvertrag hervor, aber der Kabeldirektor versichert: „Das findet ganz einfach deshalb nicht statt. weil ich es nicht will!“2
„HU-Protest gegen einen Anti-Holocaust-Film – Die Humanistische Union hat sich in einem Brief an den Intendanten des Bayerischen Rundfunks und an die Rundfunkräte dieser Anstalt gewandt gegen die am 7. April 1983 ausgestrahlte Sendung ‚Warum wir Hitler folgten’. ‚Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik’, heißt es in diesem Protestschreiben, ‚ist in dieser Sendung das nationalsozialistische Regime dadurch offen verherrlicht worden, dass die Aussagen national-so-
zialistisch gesinnter Zeitzeugen, durchsetzt mit Hitlerreden, nicht als Teilstück, sondern für den Zuschauer letztlich exemplarisch für die Wirklichkeit des deutschen Faschismus erscheinen muss-
ten. Der Skandal besteht darin, dass Gegenpositionen erst zu nachtschlafender Zeit zu Wort ka-
men. Die HU wendet sich nicht dagegen, dass ehemalige Nationalsozialisten oder Mitläufer im Fernsehen auftreten; die Grenze der Zumutbarkeit ist jedoch überschritten, wenn in der besten Sendezeit ein solcher Anti-Holocaust-Film der Rechtfertigungen gesendet wird, bei dem die fatale Wirklichkeit des Regimes ausgeblendet bleibt’. Intendant und Rundfunkräte wurden aufgefordert, einer solchen Form der ‚geistigen Wende’ entgegenzutreten.“3
Ab Weihnachten 1983 soll die Zukunft beginnen: Kabelfernsehen. 1980 wurde die Projektkom-
mission Kabelpilotprojekt München eingerichtet. Schon bald entstand der „Verein zur Förderung des naheliegenden Gedankens, dass wir nicht mehr Fernsehen brauchen“, den dann die professio-
nell arbeitende Bürgerinitiative gegen Kabel-Kommerz (BIKK) ablöste: „Angeblich planen sie publizistische Vielfalt, aber wir wissen, sie wollen nur, dass immer mehr Leute in ihren Wohn-
höhlen bleiben.“ – München und Ludwigshafen sind die beiden Städte, in denen das bundesdeut-
sche Kabelfernsehen aus der Taufe gehoben werden soll. Petra Thorbrietz (BIKK): „Die CSU plant für die Medienzukunft ein neues öffentlich-rechtliches Dach, um langfristig Private zuzulassen und unter Kontrolle zu halten, um Gebühren für die teuren Programme erheben zu können und um dem öffentlich-rechtlichen System das Wasser abzugraben. Für das Pilot-Projekt ist der Bayerische Rundfunk aber noch gut genug, um all jene Programme zu finanzieren, die zur Ausgewogenheit benötigt, aber kommerziell nicht angeboten werden. Denn unter Mühlfenzels Programmvorschlä-
gen sind viele Seifenblasen! Der offene Bürgerkanal findet nicht statt, Kultur und Bildung muß man in Industrie- und Wirtschaftsfilmen sowie alten Kamellen aus den ehemaligen Studio-Pro-
grammen des BR suchen. Die urheberrechtlichen Probleme bei kulturellen live-Übertragungen sind längst nicht geklärt, der ‚Innovationskanal’ zeigt Filme und Unterhaltung, regionales Fern-
sehen findet zunächst nur unter Ausschluss der ‚linken’ Sender WDR, HR und NDR statt.“4 Kontakt: BIKK, Klaus Winckler, Winterstraße 2 Rgb., 8000 München 90
(zuletzt geändert am 18.9.2025)
1 HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 3 vom März 1983, 23.
2 Zit in: HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 5 vom Mai 1983, 15.
3 Mitteilungen der Humanistischen Union vom Mai 1983, 15.
4 Vgl. tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 145 vom Januar 1984. Vgl. dazu auch: Was ist, wem nützt, wer will Kabel-Fernsehen? Bayerische Initiative Rundfunkfreiheit e.V., München 1978. Siehe „Kabelpilotprojekt weiter umstritten“.